Lebensversicherer betroffen

Urteil mit Strahlkraft: Allianz unterliegt im Streit um Riester-Klausel

Verbraucherschützer gewinnen in einer Klage gegen die Allianz Leben. Das Oberlandesgericht Stuttgart erklärte in seinem Urteil vom 30.01.2025 die von der Allianz verwendete Klausel zur Kürzung des Rentenfaktors für rechtswidrig.

Author_image
08:01 Uhr | 31. Januar | 2025
Beratungsgespräch mit einem jüngeren und einem älteren Mann

Eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers liegt dem Senat zufolge auch darin, dass ihm keine Möglichkeit eingeräumt wird, auf die vorgenommene Rentenkürzung durch Einzahlung entsprechend höherer Prämien zu reagieren, um so die Rentenkürzung durch zusätzliche Einzahlungen wenigstens teilweise zu kompensieren.

| Quelle: Nitat Termmee

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit Urteil (Aktenzeichen 53 O 214/22) von diesem Donnerstag einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg stattgegeben und es der Allianz Lebensversicherungs-AG untersagt, sich gegenüber Verbrauchern auf eine Klausel in Verträgen über eine fondsgebundene Riesterrente zu berufen, die sie zwischen Juni und November 2006 verwendet hat.

Der Leitsatz des Urteils könnte durchaus größere Auswirkungen auch auf andere Lebensversicherer haben. Dort heißt es nämlich: „Unwirksam ist eine Klausel, die in einem als Altersvorsorgevertrag zertifizierten fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag im Falle geänderter Rechnungsgrundlagen zur Kürzung des Rentenfaktors berechtigt, wenn sie keine Rückanpassung des Rentenfaktors für den Fall sich bessernder Rechnungsgrundlagen vorsieht und der Vertrag dem Versicherungsnehmer auch keine hinreichende Möglichkeit bietet, auf die Rentenabsenkung durch höhere Einzahlungen zu reagieren.“ Es ist laut Verbraucherschützern davon auszugehen, dass auch andere Lebensversicherer ähnliche Klauseln verwendet haben oder möglicherweise noch verwenden.

Worum es ging

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte gegen die Allianz Leben geklagt, nachdem diese in Riester-Verträgen den ursprünglich zugesagten Rentenfaktor und damit die Rentenhöhe reduziert hatte. Die Allianz berief sich dabei auf folgende Klausel in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die ihr eine nachträgliche Herabsetzung ermöglichen sollte: „Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 a Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 Euro Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können.“

Die klagende Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält die Anpassungsklausel für unwirksam, weil die Klausel weder eine Verpflichtung des beklagten Versicherers vorsehe, die Rente bei einer Verbesserung der Umstände wieder zu erhöhen noch dem Verbraucher die Möglichkeit einräume, nach erfolgter Anpassung mit zusätzlichen Beiträgen das Rentenniveau wieder anzuheben.

Begründung des Gerichts

Die Richter sehen die im Verfahren angegriffene Klausel gem. § 307 Absatz 1 BGB wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers als unwirksam an. Denn mit der Klausel werde allein das Interesse des Versicherers verfolgt, die Rentenhöhe abzusenken. Die Klausel sehe hingegen nicht vor, dass die Absenkung wenigstens teilweise wieder rückgängig gemacht werde, wenn sich die Verhältnisse wieder nachhaltig besserten. "Damit wird das Recht zur Vertragsanpassung einseitig zugunsten des Versicherers ausgestaltet. Die freiwillig in späteren Anschreiben abgegebene Zusage, den Rentenfaktor wieder zu erhöhen, wenn sich bei Rentenbeginn mit den dann maßgebenden Rechnungsgrundlagen ein besserer Rentenfaktor ergibt, ändert an der Unangemessenheit der Klausel nichts. Eine entsprechende Verpflichtung muss sich vielmehr aus den damals verwendeten Versicherungsbedingungen ergeben", so das Gericht.

Eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers liegt dem Senat zufolge auch darin, dass ihm keine Möglichkeit eingeräumt wird, auf die vorgenommene Rentenkürzung durch Einzahlung entsprechend höherer Prämien zu reagieren, um so die Rentenkürzung durch zusätzliche Einzahlungen wenigstens teilweise zu kompensieren. Dass der Versicherungsnehmer nach den Versicherungsbedingungen ohnehin das Recht habe, einmal jährlich Zuzahlungen zu leisten oder den vereinbarten Beitrag zu erhöhen, stellt nach Auffassung des 2. Zivilsenats keine hinreichende Reaktionsmöglichkeit dar. Denn diese Zusatzzahlungen seien in ihrer Höhe beschränkt und nicht mehr möglich, wenn der steuerlich absetzbare Höchstbetrag von 2.100,00 Euro pro Jahr schon ausgeschöpft sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Allianz prüft das Urteil

Allianz Leben wird die Entscheidungsgründe sorgfältig auswerten und entscheiden, ob gerichtliche Schritte gegen das Urteil ergriffen werden, heißt es von der Allianz auf Nachfrage von procontra. Unabhängig davon gelte, dass Kunden mit entsprechenden Verträgen auch bei Rechtskraft des vorliegenden Urteils gegenüber heute nicht schlechter gestellt werden. "Bei sämtlichen Produktgestaltungen hat Allianz Leben die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr sorgfältig geprüft. Die von der Verbraucherzentrale angegriffene Regelung stellt eine ausgewogene Regelung dar, die sämtliche Interessen berücksichtigt, einschließlich der Interessen der Versicherten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach einer Anpassung des Rentenfaktors auch eine Wiederanhebung des Rentenfaktors möglich", so die Allianz.

Die Absenkung des Rentenfaktors wurde nach Angaben des Lebensversicherers auch von einem unabhängigen, aktuariellen Treuhänder geprüft. Dieser habe bestätigt, dass die Anpassung erforderlich und angemessen gewesen ist. Der Rentenfaktor habe Einfluss auf einen Teil der zukünftigen Rentenleistung, der zu Rentenbeginn berechnet wird und ab dann garantiert sei. Entscheidend bei einer Rentenzahlung sei aber die Gesamtrente. Sie bestehe aus der ab Rentenbeginn garantierten Rente und einem zusätzlichen Betrag aus der Überschussbeteiligung. Auch die Überschussbeteiligung werde von der Anpassung des Rentenfaktors nicht beeinflusst. Grundsätzlich gelte: Eine Anpassung des Rentenfaktors zur Berechnung der Rente greife nicht in Garantiezusagen von Allianz Leben ein. Allianz Leben stehe zu allen vertraglichen Zusagen und Garantien.