bAV-Vertrieb: „Belegschafts- und Gehaltsstruktur genau analysieren"
Die bAV hat bis heute noch nicht die Bedeutung in der Altersvorsorge erlangt, die sie eigentlich haben könnte. Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) liegt die Durchdringung der bAV bei etwa 55 - 60 Prozent. Klingt schon ordentlich, doch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Bei etwa 20 - 25 Prozent handelt es sich um ruhende oder beitragsfreie Verträge. Laut Versicherungsmakler Tobias Niendieck, Co-Founder & CEO Experte/-in Betriebliche Altersversorgung (DVA), liegt die realistische Abdeckung eher bei 30 - 40 Prozent.
Bislang nutzen vor allem größere Unternehmen ab 200 Mitarbeitern die bAV als Benefit für die Mitarbeiter. Laut Niendieck kein Grund für Makler mit Zielgruppe KMU, den Kopf in den Sand zu stecken. „Kleinere Unternehmen haben eine wesentlich geringere Durchdringung – das birgt gute Chancen für spezialisierte Makler in diesem Segment“, so der Experte. Der Makler trifft dort auf kürzere Entscheidungswege und kann beispielsweise über Arbeitnehmerkunden, die er bereits in seinem Bestand hat, an neue Arbeitgeber herantreten. Gründe, die aus Arbeitgebersicht für eine bAV sprechen, werden sogar immer zwingender.
Employer Branding mit betrieblicher Vorsorge
Der Fachkräftemangel beschäftigt Konzerne genauso wie kleine Unternehmen. Die Kooperationsstudie „Attracting Talent 2024 – Was Arbeitskräfte heute wirklich wollen” von The Stepstone Group und dem Kienbaum Institut @ISM deckt verschiedene Faktoren auf, die Top-Talente anziehen und binden. Mitarbeitende schätzen demnach vor allem Benefits, die ihre Work-Life-Balance und finanzielle Sicherheit verbessern. Dazu gehört eben auch die betriebliche Altersvorsorge. „Die bAV ist zum Benefit Nummer 1 geworden“, behauptet Ute Thoma, Leiterin Betriebliche Vorsorge Vertrieb bei der Bayerischen. „Allerdings nur, wenn Arbeitgeber sich für tolle Konzepte – dazu gehört auch eine attraktive Arbeitgeberbeteiligung – entscheiden und diese auch professionell vermarkten“, ergänzt Thoma. Das gelte für die bestehende Belegschaft, aber auch bei der Mitarbeitersuche.
bAV lohnt sich nur bei 100 Prozent Zuschuss?
Von Verbraucherschützern wird jedoch häufig kritisiert, dass sich die bAV nur lohne, wenn der Arbeitgeber 75 bis 100 Prozent der Beiträge übernimmt. Thoma hält diese Argumentation für wenig stichhaltig. „Alleine durch die Steuer- und Sozialversicherungsersparnis und dem gesetzlichen Mindestzuschuss von15 Prozent hat eine bAV eine Systemrendite zwischen 6 Prozent und 8 Prozent. Natürlich ist der Nutzungsrad höher, wenn der AG sich mehr beteiligt“, erläutert Thoma im Gespräch mit procontra. In den vergangenen fünf Jahren habe sich hier sehr viel getan. „Die bAV ist für Arbeitnehmer fast immer die lohnendste Lösung aller drei Schichten“, ist Thoma überzeugt. Wer als Makler auf ein unabhängiges Tool zur Berechnung zurückgreifen will, kann beispielsweise den Fairadvisor von IVFP nutzen, der kostenfrei im Netz verfügbar ist.
Doch auch die Bereitschaft, höhere Arbeitgeberbeiträge zu zahlen, hat durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz in den letzten fünf Jahren zugenommen. „Wir bekommen sehr oft Förderungen zwischen 30 und 50 Prozent, teilweise sogar Matching-Modelle, wo der Arbeitgeber den gleichen Beitrag zahlt wie der Arbeitnehmer“, so Thoma.
Bei hohen Einkommen rechnet es sich schon durch die Steuer
Auch Versicherungsmakler Niendieck hält die Aussagen des Verbraucherschutzes für zu pauschal. „Wir schauen uns immer die Anzahl der Mitarbeitenden in den verschiedenen Gehaltskategorien an. Wenn das Unternehmen einen großen Teil der Beschäftigten mit hohen Einkommen oberhalb von 7.000 bis 8.000 Euro hat, dann rechnet sich die bAV für diese Personengruppe allein schon durch den Steuervorteil und man muss dann schauen, dass man alle unter einen Hut bekommt“, so der bAV-Experte. Es sei wichtig die Belegschafts- und Gehaltsstruktur des Unternehmens zu analysieren und alles möglichst genau zu berechnen. „Man darf ja auch nicht vergessen,
dass es den Unternehmen am Ende zwar etwas bringt, aber zu Anfang auch Geld dafür in die Hand genommen werden muss“, so Niendieck. Die Vorteile müssten den Arbeitgebern deshalb klar kommuniziert werden: „Jedes Prozent mehr Zuschuss ist ein Gewinn für die Mitarbeitenden und für das Unternehmen in der Kommunikation nach außen.“
Es sei aber auch wichtig zu erkennen, wann eine Zusammenarbeit wenig sinnvoll wäre. „Wenn wir feststellen, dass Arbeitgeber möglichst keine Investition selbst tätigen wollen und am Zuschuss noch verdienen, dann arbeiten wir mit dem Unternehmen nicht zusammen“, so Niendieck.
Vorteile gegenüber privater Altersvorsorge
Die Vorteile gegenüber der bAV sieht Niendieck zum einen in den Steuer- und Sozialversicherungsersparnissen, auch wenn dadurch weniger in die gesetzliche Rente eingezahlt wird. Zum anderen gibt es den Arbeitgeberzuschuss, mit dem sich Unternehmen attraktiv darstellen können. „Unsere Aufgabe ist es, den passenden Kollektivvertrag zu finden, mit dem die Verträge deutlich günstiger sind als Verträge der privaten Altersvorsorge“, erläutert Niendieck seine Vorgehensweise. Pfändungsschutz und die Befreiung der kleinen Renten von der Sozialversicherungspflicht bei Auszahlung sind ebenfalls Punkte, die für die bAV sprechen können.
„Die bAV nehme ich aus meinem Brutto-Einkommen – zahle ich also in mein Privatvertrag 100 Euro aus meinem Netto-Einkommen, kann ich daraus über betriebliche Altersversorgung leicht 250 Euro als Beitrag darstellen - und habe damit ein Vielfaches der Rente“, so Thoma. Finanziert werde das durch Bruttolohnverzicht, Ersparnis bei den Sozialbeiträgen, Steuerfreiheit, der Beiträge und den Arbeitgeberzuschuss. Doch gerade an den Arbeitgeber hängt es oft, da sie von der Angst gehemmt werden, sich etwas zu Komplexes ins Haus zu holen, was zu viele Ressourcen bindet.
Komplexitäts- und Kostenphobie
Der Eindruck der Komplexität kommt laut Ute Thoma von der Bayerischen teilweise noch aus der analogen Zeit. Die Verwaltung der bAV-Verträge in Ordnern und der Schriftwechsel mit den Versicherern war zeitaufwändig. „Inzwischen gibt es tolle bAV-Beratungtools, die die Beratung der Arbeitnehmer vereinfachen aber auch dem Arbeitgeber die digitale Verwaltung anbieten“, so Thoma.
Versicherungsmakler Tobias Niendieck rät allerdings zu einer ehrlichen Kommunikation mit den Firmenkunden. „Wenn wir feststellen, dass Arbeitgeber möglichst keine Investition selbst tätigen wollen und am Zuschuss noch zu verdienen, dann arbeiten wir mit dem Unternehmen nicht zusammen.“