Debatte um EU-weites Provisionsverbot

Vermittlerverbände schlagen Alarm

Die EU-Kommission stellt die Provisionen für Finanzberater auf den Prüfstand. Damit könnte das Honorarmodell europaweit verpflichtend werden. Vermittlerverbände fürchten enormen Schaden für die Volkswirtschaften in Europa.

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12:01 Uhr | 04. Januar | 2023
Die EU-Kommission stellt die Provisionen für Finanzberater auf den Prüfstand.

Sollte das Honorarmodell europaweit verpflichtend werden, droht den Volkswirtschaften in Europa enormer Schaden, glauben Vermittlerverbände.

| Quelle: iantfoto

In den vergangenen Monaten ist es um das Thema Vermittlervergütung ruhig geworden. Zuletzt war die Debatte Mitte vergangenen Jahres hochgekocht, als die BaFin die Einführung eines Provisionsrichtwerts ins Spiel brachte – nachdem im aktuellen Koalitionsvertrag von einem Provisionsdeckel keine Rede mehr gewesen war.

Nun kommt das Thema erneut auf den Tisch: Im ersten Quartal des neuen Jahres soll die EU-Kommission ihre Kleinanlegerstrategie vorlegen – und die Hinweise verdichten sich, dass die provisionsbasierte Finanzberatung auf europäischer Ebene verboten werden könnte.  

Kleinanleger sollen von günstigen Produkten profitieren

So legt ein Schreiben der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness an den CSU-Europa-Abgeordneten Markus Ferber nahe, dass die EU das Honorarmodell bei der Kapitalanlageberatung zur europaweiten Vorschrift machen könnte. „Wenn das Provisionsverbot kommt, zieht die Kommission damit einer ganzen Branche den Stecker“, kritisiert Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Vermögensberater, gegenüber dem Handelsblatt. McGuiness weist in dem Schreiben die Bedenken gegen ein Provisionsverbot jedoch zurück. Ihre Begründung: Mit dem Provisionsmodell würden Kleinanlegern Produkte verkauft, die im Schnitt 35 Prozent teurer seien als andere Angebote.

Die Niederlande und Großbritannien nennt sie dabei als Positivbeispiele. Nachdem die Provisionsberatung dort verboten worden ist, seien die Kosten für Finanzprodukte gefallen. Und: Weil Kleinanleger nur begrenzte Summen zur Verfügung haben, sei es besonders wichtig, sie von günstigen Produkten und unabhängiger Beratung profitieren zu lassen. Letztlich fördere ein Provisionsverbot „Innovation und Wettbewerb“.

Für den Vorstoß der Finanzkommissarin gibt es erwartungsgemäß Rückendeckung von Verbraucherschutzseite. So sagte Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband gegenüber dem Handelsblatt: „Wir beobachten seit Jahren, dass Verbraucher schlecht beraten werden, weil Provisionen Fehlanreize setzen.“ Denn der Berater werde bezahlt, wenn es zu einem Vertragsabschluss kommt. „Er hat einen Anreiz, immer das Produkt mit der höchsten Provision zu verkaufen. Das Interesse der Verbraucher ist zweitrangig“, so Mohn.

„Enormer Schaden für die großen Volkswirtschaften“

Für die Vermittlerverbände kommt die Position der EU-Kommissarin derweil nicht überraschend. Votum-Geschäftsführer Martin Klein nimmt das Schreiben von McGuiness gelassen. Auf procontra-Anfrage sagte er: „Es bleibt abzuwarten, welche Änderungsanträge im Rahmen der Kleinanlegerstrategie nun in den Gesetzgebungsprozess eingebracht werden.“ Ebenso müsse zunächst einmal abgewartet werden, ob dabei tatsächlich „Maximalforderungen“ durchgesetzt würden.

Ein flächendeckendes Provisionsverbot würde jedoch „enormen Schaden für die großen Volkswirtschaften in Europa bedeuten“, fügte Klein hinzu. Die Position unter den großen europäischen Vermittlerverbänden sei einhellig: In Frankreich, Italien und Spanien sowie in den osteuropäischen Mitgliedsländern werde ein flächendeckendes Verbot ebenfalls abgelehnt.

Selbsternannte Experten würden mehr Zulauf erhalten

Der Vermittlerverband AfW geht für den Fall eines Provisionsverbots davon aus, dass „binnen kürzester Zeit gerade die auf eine Beratung angewiesenen Kleinanleger keine persönliche Beratung mehr erhalten“ würden, sagte AfW-Vorstand Norman Wirth gegenüber procontra. „Die vorhandene, aber keine breite Akzeptanz findende Honorarberatung wird das nicht ersetzen.“ Selbsternannte Experten ohne Qualifikation im Internet würden so noch mehr Zulauf erhalten.  

Hinzu komme: Ein Provisionsverbot führe zu Verwerfungen am Markt, dem Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplätzen sowie zur Vernichtung von Existenzen vieler Gewerbetreibender. „Daher werden wir alles daransetzen, hier den Anfängen zu wehren und sind auch optimistisch, dieses Ziel zu erreichen“, erklärte Wirth. Der AfW führe bereits Gespräche mit Politikern und bekomme vor allem aus den Reihen von CDU/CSU und FDP Unterstützung. Doch auch die SPD signalisiere eine „klar positive Haltung zum Provisionssystem“. Diese Haltung wolle der AfW Richtung Brüssel transportieren.