Kundenreise

Wie verändern ChatGPT & Co. den Versicherungsvertrieb?

KI-Apps könnten Suchmaschinen bald als ersten Schritt auf der Customer Journey ablösen. Aber welchen Einfluss hätte das auf den persönlichen Vertrieb und die Vergleichsportale?

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15:08 Uhr | 22. August | 2024
Roboter im Anzug

Roboter beziehungsweise KI-Apps empfehlen eine Handvoll Tarife und schicken die Verbraucher damit direkt zu den Versicherern – Makler werden einfach übersprungen. Sieht so die Kundenreise der Zukunft aus?

| Quelle: Donald Iain Smith

Immer mehr Menschen nutzen in ihrem Alltag sogenannte generative KI-Apps wie ChatGPT und andere. Diese können ihnen direkt Fragen beantworten und Handlungsempfehlungen aussprechen – zum Beispiel auch für den Abschluss einer Versicherung. Zwar steigen bislang erst fünf Prozent der Deutschen in ihre Kundenreise zum eventuellen Abschluss einer Police über solche KI-Apps ein. Das zeigt eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Sirius Campus vom August unter 2.000 Privatkunden. Jedoch würden sich die Verbraucher schnell für die Informationsbeschaffung zu Finanzprodukten per KI-App begeistern lassen, wenn man sie dazu ein wenig anleite. Das will das Unternehmen mit parallel durchgeführten Tests im psychologischen Labor herausgefunden haben. Viele der Probanden wollen demnach die Nutzung auch im Finanzbereich intensivieren.

„Die Vorteilswahrnehmung bei Produktsuchen mit Gen AI Apps ist so stark, dass von einem relevanten Wachstum der Nutzung für Finanzprodukte ausgegangen werden muss,“ interpretiert Dr. Oliver Gaedeke, Gründer und Geschäftsführer von Sirius Campus, die Ergebnisse. Zwar habe seine aktuelle Untersuchung bestätigt, dass die meisten Verbraucher weiterhin über Google in die Suche nach Finanzprodukten einsteigen. Gegenüber procontra geht er aber davon aus, dass die klassischen Suchmaschinen in Zukunft die Verlierer der technischen Evolution sein könnten. „Bei unseren Tests im psychologischen Labor war nach den ersten Suchergebnissen der Impuls tatsächlich groß, bei Check24 oder auf den Internetseiten der vorgeschlagenen Produkte diese näher zu betrachten“, so Gaedeke.

Weniger Kunden für Vergleichsportale?

Wenn nichtmehr Google sondern ChatGPT der erste Schritt auf der Reise zum Versicherungsabschluss ist, ändert das auf den ersten Blick nichts an den tatsächlichen Vertriebskanälen. Laut Sirius Campus sind es aber vor allem die treuen Check24-Fans mit Account, die nach den Ergebnissen der KI-App-Befragung weiter über das Vergleichsportal gehen. Die anderen Nutzer gehen aber, mit einer Handvoll konkreter Produktvorschläge, direkt auf die Anbieter zu und kommen somit nicht in die Versuchung, vorher noch das Vergleichsportal zu bemühen. „Möglicherweise könnte das Wachstum von Check24 etwas gebremst werden, vorausgesetzt die Webseiten der Finanzdienstleister bieten eine hohe Kundenorientierung in puncto Übersicht, Einfachheit, Schnelligkeit, Produktvarianten und Empfehlungen an – das sehe ich nicht überall“, meint Gaedeke.

Check24 wollte gegenüber procontra keine Einschätzung dazu abgeben, ob der Aufstieg der KI-Apps für Vergleichsportale eher einen Vor- oder Nachteil darstellt und ob die Münchener vielleicht schon selbst KI für ihr Vergleichsangebot nutzen. Es handle sich dabei um wichtige Unternehmensinterna, zu denen man keine Informationen preisgeben könne, sagte ein Check24-Sprecher. Konkurrent Verivox gab letztes Jahr zumindest einen kleinen Einblick. So sei KI für Vergleichsportale beispielsweise erstrebenswert, wenn man den Nutzern dadurch im Vergleichsprozess weniger Fragen stellen müsse, da mehr Fragen auch immer mehr Ausstiege bedeuteten, so Verivox-Versicherungsvergleichs-Chef Wolfgang Schütz im Interview mit procontra.

Fluch oder Segen für persönliche Vermittler?

Umfragen zeigen immer wieder, dass auch die Mehrheit der Kunden persönlicher Vermittler zunächst online recherchieren, bevor sie sich an ihren Berater wenden. Wenn diese nun aber zukünftig vermehrt über Tools wie ChatGPT einsteigen und sich dort so abgeholt fühlen, dass sie im nächsten Schritt direkt auf den Produktgeber zugehen, könnte das den persönlichen Vertrieb Kunden kosten.

Dass es dazu kommt, glaubt Votum-Vorstand Martin Klein nicht. Zwar würde die Nutzung generativer KI weltweit zunehmen. „Aktuell sehen wir jedoch nicht, dass die künstliche Intelligenz den Berater beim Kunden ersetzt oder den Kunden von seinem Berater entfremdet“, sagt Klein auf procontra-Nachfrage. Bei Votum sieht man die KI vielmehr als Möglichkeit, den Vermittlern viele Aufgaben abzunehmen – zum Beispiel in den Bereichen Dokumentation, Bedarfsanalyse oder Produktprüfung – und ihnen somit zeitliche Freiräume für den Kundenkontakt zu schaffen.

Zudem sieht Klein die KI heute noch nicht so weit entwickelt, dass ein durchschnittlicher Kunde mit ihr seine Absicherungs- oder Altersvorsorgesituation selbst optimieren und planen kann. Und auch danach, wenn ChatGPT und Co. mehr Daten aus der Branche zur Verfügung stehen, werde aus seiner Sicht bei der Vielzahl der Kunden weiterhin der Wunsch bestehen, zu diesen komplexen Themen mit einem menschlichen Ansprechpartner auszutauschen. Im Vorteil sieht Klein solche Berater, die schon heute KI in ihre Akquise-, Beratungs- und Betreuungsprozesse intrigieren.