pro&contra

Brauchen wir eine private Cyberversicherung?

Gefahren aus dem Internet sind vielfältig – und können teuer werden. Die private Cyberversicherung verspricht hier eine Absicherung. Doch brauchen Verbraucher die wirklich? Christian Sachsenweger von der Inter Versicherung sagt „ja“. Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg sieht das kritischer.

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13:05 Uhr | 31. Mai | 2024
Braucht es eine private Cyberversicherung?

Sandra Klug von der Hamburger Verbraucherzentrale ist gegen eine private Cyberversicherung. Christian Sachsenweger von der Inter sieht dagegen klare Vorteile.

| Quelle: Karin Gerdes; Inter Versicherung

pro: "Privatpersonen sollten sich gegen zunehmende Cyber-Kriminalität absichern"

Christian Sachsenweger, Inter Versicherung

Wer Ärger im digitalen Raum vermeiden will, für den sind spezielle Policen zur Abwehr von Betrug oder Mobbing im Internet eine gute Wahl. Die private Cyberversicherung bietet finanziellen Schutz gegen Abzocke beim Onlineshopping, dem Abfischen und Missbrauch von Kontodaten übers Internet oder auch Hilfe gegen Cybermobbing, besonders wenn Menschen im Internet beleidigt oder ihr Persönlichkeitsrechte zum Beispiel durch das Veröffentlichen von herabwürdigenden Posts oder Fotos verletzt werden. Selbst eine spezielle Rechtsschutzversicherung im Zusammenhang mit der Internetnutzung kann sehr nützlich sein. Oft werden diese Risikobausteine in einem Komplettpaket als Rundumschutz zusammen angeboten.     

Schon seit langem nehmen uns Cyberkriminelle ins Visier. Sie wollen persönliche Informationen stehlen, sich bereichern, Schaden anrichten. Der Anstieg von Cybercrime ist alarmierend, wie ein Blick in die Vergangenheit eindrucksvoll zeigt. Nach einer Bitkom-Umfrage aus 20191 ist bereits damals jeder zweite Internetnutzer Opfer von Cyberkriminalität geworden ist. 48 Prozent aller Befragten haben Erfahrungen mit Infektionen durch Schadprogramme gemacht, 17 Prozent mit dem Ausspionieren von Zugangsdaten, 15 Prozent mit Betrug im Onlinehandel und 10 Prozent mit Betrug im Online-Banking. Die Risiken finanzieller Verluste sind nicht zu unterschätzen.

Der rasant wachsende Markt für Onlineshopping zieht Kriminelle scharenweise an. Gerade weil bei Betrug durch Onlineshops private Haftpflicht- und Hausratversicherungen nicht greifen oder die potenzielle Absicherung durch PayPal nicht ausreicht, schützt die private Cyberversicherung. Schäden von 5.000, 10.000 Euro oder mehr über Fake-Shops oder unseriöse Händler in Verkaufsportalen wie Ebay oder Kleinanzeigen.de sind keine Seltenheit mehr. Auch die in 2021 vom Bundeskriminalamt veröffentliche Anzahl von 146.363 Cyber-Straftaten zeichnet ein entsprechend düsteres Bild vom Cybercrime.

Man braucht kein Tekkie sein, um zu erkennen, wohin die zunehmende Nutzung digitaler Services und Medien wie WhatsApp, Facebook & Co. führen kann: Das Ausmaß von Cybermobbing, insbesondere unter Jugendlichen ist besorgniserregend. Das Bündnis gegen Cybermobbing berichtete im Jahr 2022 darüber, dass mehr als die Hälfte aller Jugendlichen Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht hat und 16 Prozent selbst davon betroffen waren. Die private Cyberpolice bietet besonders betroffenen Eltern eine Starthilfe, um das Problem psychologisch zu bewältigen, anwaltlich durch eine Erstberatung zu unterstützen und praktische Hilfe beim Löschen diskriminierender Online-Inhalte zu leisten.

Wie sich im Gewerbe die Absicherung gegen Cybergefahren als eigenständige Vertragsform durchgesetzt hat, trifft die private Cyberversicherung den Zahn der Zeit und bietet für die breite Bevölkerung einen adäquaten Schutz. Und im Vergleich zu den gewerblichen Angeboten zu einem Bruchteil der Kosten. Die Nachfrage und der Bedarf für private Angebote werden mit zunehmender Digitalisierung in allen Lebensbereichen rapide steigen. Damit nimmt die private Cyberversicherung ihren berechtigten Platz im Vorsorge-Portfolio für Privatkunden ein.

contra: "Die Leistungen der Cyberversicherungen sind mitunter sehr überschaubar"

Sandra Klug, Verbraucherzentrale Hamburg

Cyberversicherungen suggerieren einen Schutz vor den Risiken der Internetnutzung wie Identitätsmissbrauch, Warenkreditbetrug oder Mobbing. Meist halten diese Versicherungen aber deutlich weniger als sie versprechen. Die Klauseln zum Online-Betrug bei Kaufverträgen sind beispielsweise auf Fake-Shops oder Identitätsmissbrauchsfälle zugeschnitten. Die Fälle sonstiger betrügerischer oder irreführender Online-Verträge sind nicht erfasst. Als Beispiele dafür sind Abzocke bei Dating-Portalen und Routenplanern oder die Irreführung bei Prepaid-Kreditkarten zu nennen, für die Anbieter mit schufafreien Krediten werben.

Ist eine konkrete Gefahr tatsächlich versichert, sind die Leistungen der Cyberversicherungen mitunter sehr überschaubar: eine anwaltliche Erstberatung beim Vorwurf von Urheberrechtsverletzungen oder eine geringe Kostenübernahme für die Löschung von Daten. In der Regel können Versicherte diese Kosten auch aus eigenen Rücklagen bestreiten. Zudem erlangen die Versicherer nicht selten von ihren Kundinnen und Kunden, dass diese ihre Computer mit Schutzmaßnahmen wie einer bestimmten Virensoftware oder einer Firewall ausrüsten. Immer wieder entbrennt im Schadensfall über die Frage eines angemessenen Schutzes ein Streit zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer.

Interessant für Verbraucherinnen und Verbraucher können gegebenenfalls die Assistenzleistungen einiger Cyberversicherungen sein. Zum Beispiel der schnelle Zugriff auf den Rat eines Experten, der technischen, juristischen und/oder psychologischen Beistand bietet oder etwa Maßnahmen zur Datenrettung für die Versicherungsnehmer organisiert.

Auch viele herkömmliche Versicherungen decken die Gefahren der Internetnutzung teilweise ab oder lassen sich um Zusatzbausteine erweitern. So sind in der Privaten Haftpflichtversicherung Schäden „aus dem Austausch, der Übermittlung und der Bereitstellung elektronischer Daten, zum Beispiel im Internet, per E-Mail oder mittels Datenträger“ versichert. Die Rechtsschutzversicherung bietet im Baustein „Privatrechtsschutz“ Rechtsschutz im Vertragsrecht – unabhängig davon, ob der Online- oder Offline-Handel betroffen ist. Je nach Police wird beim Vorwurf der Urheberrechtsverletzung im Internet Rechtsschutz gewährt. Manche Premium-Tarife bieten weitere Leistungsbausteine aus dem Cyberbereich an.

Auch Hausratversicherungen sichern teilweise Internetrisiken ab. Hier gibt es unterschiedliche Angebote – von einzelnen Leistungen bis hin zum kompletten Leistungspaket einer Cyberversicherung.

Die beste Absicherung gegen Cyber-Risiken ist und bleibt eine umsichtige Nutzung des Internets. Wer regelmäßig seine Daten sichert, dem entstehen im Schadensfall keine hohen Kosten für die Datenrettung. Bezahlen Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Einkäufe im Internet konsequent per Kreditkarte oder Paypal, schützen sie sich wirksam vor Fake Shops, die Vorkasse verlangen.