EU-Regulierung zur Nachhaltigkeitsberatung

„Da kann man eigentlich nur noch in die Tischkante beißen“

Die EU hat kürzlich die Technischen Regulierungsstandards für die ESG-Beratung korrigiert. Der Vorfall zeige, dass aufgrund der überbordenden Bürokratie mittlerweile sogar die Verantwortlichen den Überblick verlieren, sagt AfW-Chef Norman Wirth.

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15:01 Uhr | 27. Januar | 2023
Aktuell wäre es wohl ein Fehler, das Thema Impfschäden in der Versicherungsberatung nicht anzusprechen, sagt Norman Wirth, Fachanwalt für Versicherungsrecht. Bild: Kanzlei Wirth

Aktuell wäre es wohl ein Fehler, das Thema Impfschäden in der Versicherungsberatung nicht anzusprechen, sagt Norman Wirth, Fachanwalt für Versicherungsrecht. Bild: Kanzlei Wirth

Der eine oder andere Vermittler dürfte erst einmal dicke Backen gemacht haben, als die BaFin am Dienstag eine weitere Berichtigung der Technischen Regulierungsstandards (RTS) zu EU-Offenlegungsverordnung veröffentlichte. Darin informiert die Aufsicht über eine berichtigte RTS-Version, welche die Europäische Kommission am 27. Dezember 2022 im EU-Amtsblatt veröffentlicht hat. Unter anderem wurden dabei redaktionelle Korrekturen in den Anhängen II und III vorgenommen. Dort befinden sich die Vorlagen mit deren Musterfragen unter anderem die Anteile ökologischer und sozialer Merkmale eines Investment-Produkts bestimmt werden.

Müssen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler also nur wenige Monate nach dem Start der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage ihrer Kunden erneut ihren Beratungsalltag umstellen? AfW-Vorstand Norman Wirth spricht auf procontra-Nachfrage erst einmal beruhigende Worte: „Die von Ihnen konkret angesprochenen Korrekturen betreffen in erster Linie die Produktgeber und nicht die Vermittler.“ Um bei letzteren Verwirrung um dieses extrem komplexe Thema zu vermeiden, werde der Verband ihnen zu der aktuellen Korrektur auch keine weiteren Erläuterungen zukommen lassen.

„Die Verantwortlichen verlieren selbst den Überblick“

Allerdings müsse man leider offensichtlich ständig damit rechnen, dass EU und Aufsicht weitere Korrekturen oder Änderungen an der neuen ESG-Beratungspflicht durchführen, so Wirth. Im aktuellen Fall hat die EU-Kommission unter anderem eine fehlende Frage eingefügt und dafür eine doppelt abgedruckte gestrichen. Wie können sich Vermittler da aktuell überhaupt darauf verlassen, dass sie die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden korrekt ausüben?

„Schwerlich“, sagt Wirth. „Der aktuelle Fall zeigt ja, dass selbst diejenigen, die für die Vorgaben verantwortlich sind, den Überblick verlieren.“ Er hält die Regulierungsdichte für unüberschaubar und die Begrifflichkeiten für immer unübersichtlicher. Beispielhaft nennt der Fachanwalt für Versicherungsrecht eine Teilüberschrift, die Brüssel den Produktgebern und Vermittlern für die Kundeninformation im Internet vorgibt: Erklärung über die Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Anlage- und Versicherungsberatung.

„Überbürokratische Vorgaben“

„Da kann man eigentlich nur noch in die Tischkante beißen. Jeder Kunde hört doch schon bei der Überschrift auf zu lesen – falls er überhaupt soweit kommt“, echauffiert sich der AfW-Chef. Auch die Akzeptanz der Vermittler für das Thema würde so etwas nicht gerade steigern. Zudem empfindet er die vorgeschriebene Einordnung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden in verschiedenste Schemata nach Taxonomie, nach Offenlegungsverordnung, unter Berücksichtigung von PAI et cetera als „maximalst unhandlich“.

„Wir erleben hier ein klassisches Beispiel dafür, wie ein wichtiges, drängendes, unbedingt notwendiges Thema, für das viele Menschen, mich eingeschlossen, mit Herzblut brennen, in der Umsetzung aufgrund von überbürokratischen Vorgaben ziemlich gegen die Wand gefahren wird“, betont Wirth. In Kürze will der AfW die Ergebnisse seines aktuellen Vermittlerbarometers veröffentlichen. Die Umfrage wird voraussichtlich auch ein Stimmungsbild der Vermittler rund um das Thema ESG-Abfragepflicht enthalten.