Kreditversicherer befürchten mehr Schadenfälle
Dass ihre Forderungen schneller beglichen werden, davon träumen viele Unternehmen innerhalb der Europäischen Union. Die EU-Kommission will ihnen dabei helfen und hat deshalb einen Gesetzentwurf („Late Payment Regulation“) erarbeitet, der unter anderem die Zahlungsfrist im Geschäftsverkehr vereinheitlichen soll. Nur noch 30 statt wie bisher 60 Tage sollen Unternehmen demnach Zeit haben, ihre Rechnungen zu begleichen. Um dies durchzusetzen, würden bei Überschreitung hohe Strafzinsen drohen. Zudem soll die Einhaltung der Zahlungsfristen behördlich kontrolliert werden.
Ein Umstand, den der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kritisiert. „Eine kurze und starre Höchstfrist würde viele Unternehmen in erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten bringen und ihr Insolvenzrisiko erhöhen“, warnte dieser Tage dessen Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Zudem würde dieser Zwang die Unternehmen aus dem EU-Binnenmarkt gegenüber Lieferanten außerhalb der EU benachteiligen, die weiterhin Verträge mit längeren und flexibleren Zahlungszielen anbieten dürfen. Nicht zuletzt würden die Brüsseler Pläne neue Bürokratie aufbauen, anstatt diese zu reduzieren.
In Zusammenhang mit dem bereits angelaufenen Gesetzgebungsverfahren steht auch ein Nachteil, der direkt die Versicherungsbranche betreffen würde. Denn in den Büchern der Warenkreditversicherer standen, laut GDV, im vergangenen Jahr rund 500 Milliarden Euro an versicherten Liefergeschäften. Die Anbieter treibt dabei ein einfacher Gedanke um: Wer weniger Zeit hat zu bezahlen, bei dem steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Zahlungsziel zu verpassen.
Kreditversicherer rechnen mit mehr Schadenfällen
„Eine Verkürzung der Zahlungsfristen von 60 auf 30 Tage ohne jeden Spielraum wird sich auf zahlreiche europäische Unternehmen negativ auswirken. Branchen- und ländereigene Besonderheiten würden bei einer solche Regelung vollständig unberücksichtigt bleiben, die Anzahl der Insolvenzen und damit Schäden für Kreditversicherer würden steigen“, sagte Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa bei der Atradius Kreditversicherung aus Köln auf procontra-Nachfrage.
Laut dem Atradius-Manager würde eine verbindliche Höchstfrist auch die Versicherbarkeit von Forderungen in der Warenkreditversicherung einschränken. Zudem würde sich der beabsichtigte Schutz von KMU gegen verspätete Zahlungen an sie als Gläubiger häufig ins Gegenteil umkehren, da sie auch als Schuldner dann sehr viel kurzfristiger zahlen müssten, ohne dies verhandeln zu können wie bisher.
Ähnlich bedrohlich sieht man die Situation beim Kreditversicherer Coface aus Mainz. „Man sollte auch nicht vergessen, dass in der Regel alle Unternehmen beide Positionen einnehmen: Sie sind sowohl Verkäufer als auch Käufer. So schön es ist, seine Forderungen nach 30 Tagen beglichen zu bekommen, so muss man ja auch selbst nach 30 Tagen bezahlen“, sagte dessen Chief Market Officer für Nordeuropa, Claudia Haas, gegenüber procontra. Die längeren Zahlungsziele würden in der Praxis regelmäßig dafür genutzt, um den Einkauf zu bezahlen.
„Wenn diese klassische Funktion des Lieferantenkredits entfällt, benötigen die Unternehmen zur Zwischenfinanzierung zusätzliche Liquidität, die so kurzfristig nur schwer verfügbar und beim jetzigen Zinsniveau kaum bezahlbar ist“, sagte Haas. Ob es bei Beschluss des aktuellen Gesetzesentwurfs zu mehr Schadenfällen für Kreditversicherer kommen würde, lasse sich heute nur schwer voraussagen. Es gebe jedoch Indizien, die darauf hinweisen.
Bundesregierung ist gegen starre Zahlungsfrist
Der GDV fordert, die bisherige Zahlungsverzugsrichtlinie beizubehalten. Dass es dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich. Doch auch für die starre Festlegung auf 30 Tage gibt es nicht wenige Gegner. Am Donnerstag wurde der Gesetzentwurf im europäischen Rat für Wettbewerbsfähigkeit diskutiert. Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilt, steht Deutschland zwar hinter dem Ziel, KMU stärker vor verspäteten Zahlungen zu schützen. Allerdings habe die Bundesregierung gemeinsam mit vielen anderen Mitgliedstaaten erhebliche und grundlegende Bedenken gegen den Kommissions-Vorschlag und habe sich dazu innerhalb der Sitzung entsprechend geäußert. „Die Kritik richtet sich unter anderem gegen die Ersetzung der Richtlinie durch eine Verordnung, gegen die starre Zahlungsfrist und die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen durch Verwaltungsbehörden“, schreibt das Ministerium.
Als nächste Schritte wird der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz am 21. März über den Bericht des Wettbewerbsfähigkeitsrats abstimmen. Die Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments ist nach aktuellem Stand für den 11. April geplant.