Betriebsrente vergessen: Welchen Anspruch haben Erben?

Ein Mann ging in den Ruhestand, starb einige Jahre später und hatte dabei nie seine üppige Betriebsrente kassiert. Geht dieser Anspruch mit dem Erbe auf seine Kinder über? Das musste das Arbeitsgericht Hannover entscheiden.

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15:11 Uhr | 03. November | 2020
Ähnlich einem versunkenen Schatz wollten die Erben eines Mannes dessen vergessene Betriebsrente heben. Ihre Ansprüche darauf musste das Arbeitsgericht Hannover klären.

Ähnlich einem versunkenen Schatz wollten die Erben eines Mannes dessen vergessene Betriebsrente heben. Ihre Ansprüche darauf musste das Arbeitsgericht Hannover klären. Bild: Pixabay

Wir schreiben die 1970er Jahre. Ein Mann bekommt als Angestellter bei einem großen Computerhersteller eine Betriebsrente über den Durchführungsweg der Unterstützungskasse zugesagt. Bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen im Jahr 1994 ist diese – auch aufgrund seines relativ hohen Gehalts – auf eine beträchtliche Höhe angewachsen (heute umgerechnet 10.980 Euro jährlich). Zwar erhielt er bei seinem Abschied die Papiere dafür ausgehändigt. Doch nach mehreren Jobwechseln und dem Eintritt in den Ruhestand – den er im Ausland genießt – hat der Mann seine besagte Betriebsrente nie beantragt und einfach vergessen.

Nach seinem Tod im Jahr 2018 finden seine Kinder die Papiere und stellen Erkundungen an. Die Betriebsrente wurde bisher nicht ausgezahlt. Die vertraglich vereinbarte Hinterbliebenenrente (in geringerer Höhe als die Betriebsrente) kann nicht mehr ausgezahlt werden, weil die Kinder bereits das Alter überschritten haben, in dem diese Leistung noch erfolgen könnte. Da sie das Erbe ihres Vaters aber mit allen Rechten und Pflichten angetreten haben, stellt sich die Frage, ob sie nun auch die Betriebsrente an sich auszahlen lassen können.

Erben erhalten volle Bezüge

Darauf fand das Arbeitsgericht Hannover am 14.07.2020 eine Antwort (Az. 9 Ca 276/18 B). Da die Erben die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge angetreten hatten, wurde ihnen auch das Recht auf Auszahlung der Betriebsrente des Vaters übertragen. Aufgrund der geltenden Verjährungsfrist konnte die Betriebsrente noch für drei Jahre geltend gemacht werden. Somit erhielten seine Kinder insgesamt 32.940 Euro – abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen – ausgezahlt.

Das Verfahren wurde nicht mit einem Urteil beendet, sondern mit einem Vergleich. Dieser erfolgte auf den richterlichen Hinweis, dass die Erfolgsaussichten der Erben hier sehr hoch seien. Das belegt auch die Höhe des Vergleichsanspruchs: Dieser beträgt exakt die geforderte Summe.

Viele kleine Renten bleiben für immer vergessen

Dies entspricht anscheinend der geltenden Rechtsprechung in solchen Fällen. „Mir sind keine gegensätzlichen Entscheidungen bekannt“, sagte heute Rechtsanwalt Christian Guse, der die Erbengemeinschaft in der Sache vor Gericht vertreten hatte, auf procontra-Nachfrage. Der auf die betriebliche Altersversorgung (bAV) spezialisierte Jurist schätzt, dass es viel mehr solcher „vergessenen Betriebsrenten“ gibt als Gerichtsverfahren zu Tage befördern. Einfach, weil sie dauerhaft vergessen wurden.

Dabei handle es sich seiner Einschätzung nach häufig um kleine Renten, die kein großes Aufsehen erregen. Oft würden sich die Versorgungsträger auch von selbst melden. Doch es gebe immer wieder Fälle, in denen die Bezugsberechtigten unbekannt verzogen und nicht mehr auffindbar sind. Generell könne man sagen, dass in solchen Fällen die Erben sehr gute Erfolgsaussichten hätten, wenn der bAV-Durchführungsweg über eine Unterstützungskasse oder als Pensionszusage erfolgt ist, so Guse. Denn hier bestünden konkrete Ansprüche aus noch nicht gezahltem Arbeitsentgelt.