Darf die BU-Rente höher sein als das Einkommen?
Darf die versicherte monatliche Rente einer Berufsunfähigkeitsversicherung höher sein als das aktuelle Gehalt beziehungsweise Einkommen der versicherten Person? Die kurze Antwort lautet: Ja. „Da die Berufsunfähigkeit eine Summenversicherung ist, findet die Vorschrift des § 74 VVG keine Anwendung“, schreibt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, diesbezüglich in einem Beitrag auf seiner Kanzlei-Homepage. Die Rechtsnorm beschreibt die sogenannte Überversicherung und soll im Grunde verhindern, dass sich Versicherungsnehmer rechtswidrige Vermögenvorteile aus dem Abschluss von Versicherungsverträgen verschaffen.
Natürlich werden Vermittler wachsam, wenn ihr Kunde eine BU-Rente abschließen will, die höher ist als sein aktuelles Einkommen. Dies muss entsprechend klar begründet werden und es folgt eine Prüfung der Angemessenheit durch den Versicherer. Wenn die BU-Rente dann aber mit einer solch hohen Rente abgeschlossen wird und der Kunde im Leistungsfall weniger verdient (anderer Job, Teilzeit o.ä.), muss trotzdem die volle BU-Rente ausgezahlt werden. „Der Versicherer kann die Versicherungsleistung also nicht entsprechend dem Einkommen des Versicherungsnehmers anpassen, sondern muss die vertraglich zugesicherten Leistungen in voller Höhe erbringen“, so Jöhnke.
Dynamik als Stolperstein?
Doch wie verhält es sich, wenn die BU-Rente über die Jahre Stück für Stück ansteigt und irgendwann über dem Einkommen des Kunden liegt? Das ist durch vertraglich vereinbarte Dynamisierungen möglich, die die BU-Rente durch sukzessive steigende Prämien um wenige Prozent jährlich erhöhen. Auch hierzu verweist der Fachanwalt auf die BU als Summenversicherung. Dies ist also grundsätzlich ohne Probleme möglich.
In der Praxis gibt es, laut Jöhnke, aber BU-Versicherer, die über bestimmte Klauseln in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen versuchen, dieses „Problem“ zu umgehen. Die Klauseln würden den Versicherten auferlegen, eine durch Dynamisierung entstehende Überversicherung Jahr für Jahr selbst zu überprüfen und der dynamischen Erhöhung bei entsprechender Feststellung zu widersprechen. „Auch lassen sich im Zuge dessen Klauseln finden, bei denen sich der Versicherer vorbehält, bei unterlassenem Widerspruch die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente an das tatsächliche Gehalt des Versicherten anzupassen“, schreibt Jöhnke.
Klauseln sind unwirksam, wenn…
Rechtlich haltbar seien solche Klauseln im Rahmen der Vertragsfreiheit allerdings nur, wenn es keine überraschenden Klauseln sind. Das heißt, braucht der Kunde mit einer solchen Klausel nicht zu rechnen, ist sie unwirksam. Da die Überversicherung gesetzlich nicht für die BU-Versicherung geregelt ist, sieht Jöhnke solche Klauseln tendenziell eher als überraschend an.
Auch, wenn die Klausel wirksam ist und somit Bestandteil der Versicherungsvertrags wird, könne sie aber immer noch gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) verstoßen und damit unwirksam werden. „So kann in einer unverständlichen Formulierung, die den Versicherungsnehmer zur Überprüfung der Übersicherung auffordert, auch Berufsunfähigkeitsanwartschaften zu berücksichtigen, eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB gesehen werden“, erklärt Jöhnke. Denn bei einer solchen Formulierung sei unklar, ob zum Beispiel auch die Erwerbsminderungsrente mitgemeint sei. Kommt man mit seiner BU-Police in eine solche Situation, sei es in jedem Fall sinnvoll, solche Klauseln juristisch prüfen zu lassen.