Keine grobe Fahrlässigkeit bei Hilfsmanöver für Havaristen
Beim Klabautermann, dieses Rettungsmanöver verlief alles andere als wunschgemäß: Im Oktober 2021 machte ein Ehepaar eine Fahrt mit ihrem Motorboot auf der Schlei, einem in Schleswig-Holstein gelegenen Meeresarm der Ostsee.
So idyllisch das Gewässer auch erscheinen mag, so tückisch ist es für Segler und andere Wassersportler – nicht zuletzt aufgrund der Untiefen. Auf ihrem Trip stieß das Ehepaar dann auch auf ein Segelboot, das eindeutig zu wenig Wasser unter dem Kiel hatte, sprich auf Grund gelaufen war. Das Ehepaar versuchte zu helfen und das Segelboot in tiefere Wässer zu schleppen. Doch der Abschleppversuch misslang. Die Propeller des Motors berührten beim Bergungsversuch ebenfalls den Boden und wurden beschädigt. Schadenhöhe: knapp 10.000 Euro.
Versicherung will Leistung kürzen
Gott sei Dank sind wir versichert, dachte sich das Pärchen. Doch als der Versicherer die vereinbarte Leistung stark kürzte, drohte der Bootsausflug endgültig zum Fiasko zu werden. Die Versicherung vertrat nämlich die Auffassung, dass das Paar grob fahrlässig gehandelt habe – unter anderem, da der Ehemann, der über keinen Bootsführerschein verfügte, zum Zeitpunkt des Auf-Grund-Laufens am Steuer stand. Der Fall landete schließlich vor dem Amtsgericht Schleswig (Az: 2 C 6/23, Urteil vom 24. November 2023).
Dieses vermochte aber keine grobe Fahrlässigkeit zu erkennen. Durch das Überlassen des Steuers an ihren führerscheinlosen Ehemann verletzte die Frau weder gesetzliche noch vertragliche Pflichten. Zwar führen Verstöße gegen die Führerscheinvorschriften laut den Allgemeinen Vertragsbedingungen zu einem Haftungsausschluss, doch lag laut Gericht kein Verstoß gegen die Sportbootführerscheinverordnung vor.
Denn der Mann führte, obwohl er ans Ruder ging, das Boot nicht selbst. Gemäß Paragraph 12 Absatz Satz 1 der Sportbootführerscheinverordnung führt ein Sportboot nicht, wer es unter ständiger Aufsicht des Schiffsführers steuert. So befand sich der Mann die ganze Zeit unter Aufsicht seiner Frau, die an Deck anwesend war und ihrem Mann jederzeit Anweisungen erteilen konnte. „Im Übrigen ist es weder auf Sportbooten noch in der Berufsschifffahrt vorgeschrieben oder auch nur üblich, dass der Schiffsführer eigenhändig durchgehend, in schwierigen Situationen oder überhaupt steuert“, so das Gericht.
Es gab auch keine Anzeichen dafür, dass sich das Boot mit überhöhter Geschwindigkeit der Untiefe, auf der sich das Segelboot festgefahren hatte, näherte. Dass in solchen Fällen der Versicherer die Leistung deutlich kürzen kann, hatte vor zwei Jahren das Landgericht Neubrandenburg (Az: 3 O 3 537/19) entschieden. Aufgrund der Schäden am Boot war das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Motorboot sich mit einer Geschwindigkeit von maximal 4 Knoten genähert hatte. Im Neubrandenburger Fall lag die Geschwindigkeit indes bei 20 Knoten.
Uneigennützige Hilfe im Sinne der Versicherer
Auch die Tatsache, dass die Versicherungsnehmerin mit ihrem Bergungsversuch ein erhöhtes Risiko eingegangen ist, bewertete das Gericht als entschuldbar. Unter Sportbootführern gelte als sittliche Verpflichtung, sich gegenseitig zu helfen – schließlich könnte man irgendwann selbst einmal auf fremde Hilfe angewiesen sein. Uneigennützige Hilfe sei zudem auch im Interesse der Versicherer, da dadurch Schäden an Booten durch Strandung, Kollision oder Materialbruch verhindert werden können. Auch Aufwendungen für das Schleppen oder Bergen werden so vermieden.
Da das Verhalten der Bootsführerin somit allenfalls als fahrlässig, nicht aber als grob fahrlässig zu werten sei, muss die Versicherung für den gesamten Schaden aufkommen.