Michaelis: „Die Continentale versucht, ihre BSV-Kunden zu erpressen“
Das Dilemma um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) erreicht offenbar eine neue Eskalationsstufe. Die Hamburger Kanzlei Michaelis wirft der Continentale versuchte Erpressung vor und damit die Erfüllung eines Tatbestands aus dem Strafgesetzbuch (§ 253 StGB). Eventuell handle es sich auch um versuchte Nötigung (§ 240 StGB), heißt es von Seiten der auf Versicherungs- und Vermittlerrecht spezialisierten Kanzlei.
Im Kern der Vorwürfe steht ein Musterschreiben der Continentale Sachversicherung AG (liegt der procontra-Redaktion vor) an die BSV-Kunden in ihrem Bestand, die einen Corona-bedingten Schaden gemeldet und den mittlerweile bundesweit angebotenen bayerischen Kompromiss nicht angenommen haben. Der Vergleich sieht eine freiwillige Leistung des Versicherers in Höhe von etwa 15 Prozent des Schadens (meistens nur bezogen auf einen Monat) vor. Dafür verzichtet der Versicherte auf weitere Ansprüche aus Corona-bedingten Schäden.
Außerordentliche Kündigung
Kunden, die sich auf dieses Angebot nicht einlassen wollten (laut Continentale knapp jeder Dritte), wird nun von Seiten der Continentale außerordentlich aufgrund Eintritts des Versicherungsfalls gekündigt (§ 92 VVG). Die gleiche Praxis propagiert derzeit die Mannheimer Versicherung. Vorsorglich spricht die Continentale zudem die ordentliche Kündigung zum Ende der nächsten Versicherungsperiode aus. Der Versicherer verweist in dem Schreiben auf ihre angebliche Leistungsfreiheit, da sich die versicherte Gefahr (Krankheit) nicht bedingungsgemäß im versicherten Betrieb realisiert hat, sondern die Schließung per behördlicher Allgemeinverfügung erfolgte, quasi präventiv. Dennoch weist der Versicherer seine Kunden nochmals darauf hin, dass sie noch bis zum Ende der vierwöchigen Frist bis zum Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung den Vergleich annehmen können. Der Vertrag würde dann bestehen bleiben.
Dieses Vorgehen wertet die Kanzlei Michaelis mindestens als versuchte Erpressung. „Bei denjenigen Kunden, die daraufhin das Angebot akzeptiert haben, liegt sogar vollendete Erpressung vor, wenn die Kunden glaubten, keine andere Wahl gehabt zu haben“, erklärte Kanzlei-Chef und Fachanwalt für Versicherungsrecht, Stephan Michaelis.
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Nach seiner Auffassung würde der Versicherer den betroffenen Kunden mit einem empfindlichen Übel drohen, hier der Verlust des BSV-Vertrags. Schließlich herrscht aktuell marktweit Zeichnungsstopp für solche Risiken. Als weiterer Aspekt sei zu beachten, ob es sich um eine rechtswidrige Drohung handle. Dies ist laut Michaelis der Fall, da die Continentale mit einer außerordentlichen Kündigung drohe, zu der sie gar kein Recht habe. Laut herrschender Rechtsprechung dürfe das Sonderkündigungsrecht im Versicherungsfall nur ausgesprochen werden, wenn der Versicherungsfall unstreitig eingetreten ist, heißt es von der Kanzlei. Im Schreiben der Continentale an ihre Kunden heißt es aber wortwörtlich: „Ein Versicherungsfall ist nicht gegeben.“
Weiter sei für die Erfüllung der genannten Straftatbestände entscheidend, dass der durch die Drohung angestrebte Zweck verwerflich ist. Auch dies sieht Michaelis gegeben, da er der Auffassung ist, dass die Continentale aufgrund ihrer BSV-Bedingungen zu 100 Prozent leistungspflichtig ist. „Wird hingegen in verwerflicherweise suggeriert, es bestünde überhaupt kein Leistungsanspruch, obwohl dieser durchaus bestehen könnte, so ist es offensichtlich das verwerfliche Ziel, das Vermögen des Versicherungsnehmers zu seinem Nachteil zu reduzieren“, führt Michaelis aus. Schließlich würde der Kunde dann durch den Vergleich nur 15 Prozent erhalten und auf 85 Prozent verzichten.
„Grenze des Zulässigen überschritten“
Die ordentliche Kündigung würde daran nichts ändern und sei nur als weitere Androhung zu verstehen. Deshalb hat die Kanzlei Michaelis bereits eine Muster-Strafanzeige erstellt, die ihre Mandanten für eine Strafanzeige gegen die Continentale nutzen können. „Aus unserer Sicht geht es hier nicht mehr nur noch um die zivilrechtliche Auseinandersetzung, ums Geld. Es geht vielmehr darum, dass hier ein Versicherer im großen Stil die Rechtsordnung missachtet und einzelne – ohnehin stark geschädigte Versicherungsnehmer – in einer derartig rechtswidrigen Weise unter Druck setzt, welches schlichtweg von unserer Rechtsordnung nicht toleriert werden kann. Hier ist offensichtlich eine Grenze des Zulässigen überschritten“, so der Kanzlei-Chef.
Die Continentale hatte eine procontra-Anfrage zu den Vorwürfen bis zum Redaktionsschluss noch unbeantwortet gelassen.
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