Urteil: Ist ein Makler zum Jahresgespräch verpflichtet?

Das neue Jahr hat begonnen. Und wirft damit die Frage auf, ob Versicherungsmakler verpflichtet sind, ein Jahresgespräch mit jedem Kunden zu führen. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat sich dazu sehr genau geäußert.

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07:01 Uhr | 09. Januar | 2019
Jahresgespräch

Müssen Versicherungsmakler ein Jahresgespräch mit ihren Mandanten führen? Jens Reichow (Bild) dazu im Beitrag. Bild: Jöhnke & Reichow

Ein Versicherungsmakler hatte Kunden eine Reisegepäckversicherung und eine „Familien-Vielschutzversicherung“ mit einer Hausratversicherung verschafft. Nach einem Schaden durch Raubüberfall auf die Kunden in einem Ferienhaus sollte der Versicherungsmakler für eine Unterversicherung haftbar gemacht werden.

Beide Policen waren auf eine bestimmte Versicherungssumme beschränkt, die Reisegepäckversicherung bezog sich zudem nicht auf Uhren und Schmuck aller Art. Bei den abhanden gekommenen Sachen war ferner nur der Zeitwert versichert. Daher zahlte der Reisegepäckversicherer nur für die gestohlenen Sachen (ohne Uhren und Schmuck) und nahm zehn Prozent Abzug von den Neupreisen vor. Das war dem Paar zu wenig; es verklagte den Makler auf Falschberatung und Schadenersatz wegen Unterversicherung.

Keine Haftung für Unterversicherung

Das Hanseatische OLG Hamburg entschied mit Urteil vom 27. September 2018: Der Makler haftet nicht für den Schaden. Der Versicherungsmakler hat bei Abschluss der Versicherungen nicht unzureichend beraten und war daher nicht für die Unterversicherung verantwortlich (Az.: 1 U 2/18).

Wie Jens Reichow, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft, berichtet, ergab sich der beschränkte Versicherungsschutz eindeutig aus den Bedingungen. So waren Uhren und Schmucksteine aller Art vereinbarungsgemäß nicht Gegenstand der Versicherungspolice.

Dauerbetreuungspflicht während der Vertragslaufzeit

Der Versicherungsmakler habe laut dem Urteil auch nicht seine Betreuungspflichten nach Abschluss der Policen verletzt. Er sei zwar „zur anschließenden Dauerbetreuung der Interessen des Versicherungsnehmers verpflichtet“, so Reichow. Dabei müsse er über nötige Anpassungen während der gesamten Laufzeit der Policen umfassend beraten. Allerdings muss der Makler die Versicherungssituation des Kunden nicht die ganze Zeit beobachten und optimieren. „Er ist vielmehr nur dann zum Tätigwerden verpflichtet, wenn ein konkreter Anlass erkennbar ist“, erklärt Reichow.

Dabei ist nach Ansicht des OLG Hamburg zwischen der Sphäre des Versicherungsnehmers und der Sphäre des Maklers zu differenzieren. Diese Auffassung vertritt die Kanzlei Jöhnke & Reichow bereits seit vielen Jahren (Betreuungspflichten des Maklers). Im konkreten Fall hätten die Kunden beim Wunsch nach höherer Versicherungssumme und Einbeziehung von Uhren und Schmuck in den Versicherungsschutz der Reisegepäckversicherung den Versicherungsmakler informieren müssen.

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Beispiel: Ergeben sich in der Sphäre des Versicherungsnehmers Veränderungen (etwa Neuanschaffungen), so muss der Versicherungsmakler nur tätig werden, wenn ihn der Versicherungsnehmer über solche Veränderungen informiert. Ergeben sich in der Sphäre des Versicherungsmaklers Veränderungen (etwa Änderung der Rechtslage), muss der Versicherungsmakler von sich aus tätig werden, denn der Kunde als Laie erkennt in diesem Fall seinen Beratungsbedarf wohl kaum.

Versicherungsmakler hat keine Pflicht zu Jahresgespräch

Den Versicherungsmakler trifft nach diesem Urteil also keine Pflicht zur ständigen Überprüfung, ob die bestehenden Versicherungen den Verhältnissen und Bedürfnissen des Kunden entsprechen. Er muss auch nicht mindestens jährlich prüfen, ob der Versicherungsschutz noch passt.

Zwar sei es nach einem gewissen zeitlichen Ablauf wahrscheinlich, dass sich die Umstände und der Absicherungsbedarf geändert haben. „Ein Jahresgespräch oder eine noch häufigere Überprüfung ist jedoch nicht verpflichtend“, leitet Reichow aus dem Urteil ab. Eine Betreuungspflicht besteht nur bei konkretem Anlass.

Anpassungsbedarf je nach Police unterschiedlich

Das OLG Hamburg betont dabei insbesondere, dass der Kunde den Makler über einen in seiner Risikosphäre begründeten Anpassungsbedarf informieren muss. Allerdings kann dies im Einzelfall auch anders sein, etwa bei Fondspolicen (procontra berichtete). Die Kanzlei Jöhnke & Reichow wird zu Fragen der „Vermittlerhaftung“ auf ihrem Vermittler-Kongress am 21. Februar 2019 informieren (Agenda: hier).

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