Scheinbar ist die Grundausstattung für kleine und mittelständische Unternehmen in Form eines Paketes aus Betriebshaftpflicht-, Inhalts- und Betriebsunterbrechungs-Versicherung ziemlich überschaubar für Vermittler. Oft steckt der Teufel aber im Detail. Die Palette der Deckungswünsche ist so vielfältig wie die wirtschaftliche Betätigung der Firmenkunden.
„Wenn man einen Betriebshaftpflichtvertrag zehn Jahre nicht mehr angefasst hat, zahlt der Kunde mit ziemlicher Sicherheit viel zu hohe Prämie und hat dennoch gravierende Lücken im Versicherungsschutz“, sagt Versicherungsmakler Peter Leibold, Inhaber Leibold Versicherungsmakler eK und spezialisiert auf Baugewerbe und Maschinenbau. Nicht selten führe die Überprüfung des Schutzes zu viel Beitragseinsparung, einer mehrfachen Versicherungssumme, umfangreicheren Leistungen und einer Besserstellungsklausel.
Doch manch Vermittler ist offensichtlich bei der Beratung von Gewerbekunden überfordert. So vermittelte ein Makler einem selbstständigen Ofenbaumeister keinen ausreichenden Versicherungsschutz. Insbesondere fehlte es an ausreichendem Deckungsumfang der Haftpflichtversicherung für die berufliche Tätigkeit des Handwerkers, die Fliesenlegerarbeiten einschließen sollte.
Weitgehende Beratungspflicht des Maklers
Kurze Zeit später kam es zu einem Schaden. Der Handwerker hatte im Keller eines Hauses für Maschinen einer Dialysepraxis ein Podest und einen Wasserablauf abgedichtet und gefliest. Später löste sich die Abdichtung und ständig trat Wasser aus, so dass der gesamte Keller unter dem Estrich ebenso wie diverse Wände und Fahrstuhlschächte durchnässt wurden.
Der Versicherer lehnte die Schadenregulierung ab. Begründung: Schäden im Zusammenhang mit Fliesenarbeiten seien vom Versicherungsschutz nicht umfasst, die Arbeiten fallen in das Risiko eines Fliesenlegerbetriebs. Daher verklagte der Handwerker seinen Makler auf Feststellung von Schadenersatz. Er habe schuldhaft versäumt, dass der Versicherungsschutz auch reine und nicht nur für als Nebenarbeiten ausgeführte Fliesenlegerarbeiten umfassen müsse (procontra berichtete).
Seite 1: Beratungshaftung bei mangelhaftem VersicherungsschutzSeite 2: Makler verliert in drei InstanzenSeite 3: Komplizierte Schadenersatzregelung bei Haftpflicht
Das Landgericht Frankfurt (Oder) folgte dem Antrag des Handwerkers: Der Makler sei verpflichtet, den Ofenbaumeister so zu stellen, als hätte er Betriebshaftpflicht-Versicherungsschutz für Fliesenlegerarbeiten an dem Bauvorhaben gehabt. Das OLG Brandenburg wies die Berufung des Maklers zurück, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) zog. Doch vergeblich.
Der Handwerker hat in der Sache Anspruch auf Schadenersatz wegen unzulänglicher Beratung, entschied der BGH (Az.: IV ZR 422/12) „Der Versicherte kann vom Makler danach eine Quasideckung verlangen“, schreibt Jens Reichow, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, in einem Blog-Beitrag der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft. Der BGH gestand dem Kunden vom Makler quasi die Deckung zu, welche ansonsten ein Versicherer zur Verfügung gestellt hätte.
Der BGH macht sich damit die bislang in der Literatur von vielen vertretenen Ansicht der „Quasideckung“ zu eigen. „Bereits seit einiger Zeit hatten viele Stimmen eine Berechnung nach den Grundsätzen der Quasideckung befürwortet“, schreibt Reichow.
Musterbedingungen als Grundlage der Quasideckung
Grundlage der Quasideckung für die Ermittlung des Schadens sind dabei die Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Diese werden vom BGH herangezogen, um den vom Versicherten möglichen Versicherungsschutz zu bestimmen. „Dabei setzt der BGH offenbar voraus, dass der Kunde Versicherungsschutz bei einem Versicherer zu ebenjenen Musterbedingungen des GDV erhalten hätte“, merkt Reichow an.
Sein Fazit: Das Urteil vereinfacht dem Kunden erheblich, einen Schaden zu begründen. Unter Verweis auf die Musterbedingungen des GDV kann er Schadenersatz von seinem Vermittler verlangen, ohne konkret vortragen zu müssen, bei welchem Versicherer er den entsprechenden Versicherungsschutz erlangt hätte. „Dies stellt im Vergleich zu den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungspflicht des Geschädigten eine erhebliche Besserstellung des Versicherten im Versicherungsrecht dar“, so Reichow.
Seite 1: Beratungshaftung bei mangelhaftem VersicherungsschutzSeite 2: Makler verliert in drei InstanzenSeite 3: Komplizierte Schadenersatzregelung bei Haftpflicht
Der Fall hat weitere interessante Facetten. So kam der Makler nicht damit durch, sich auf einen fehlenden Schaden beim Handwerker zu berufen, da ja der Hauseigentümer der Dialysepraxis geschädigt wurde. Der haftpflichtversicherte Handwerker kann nicht auf Leistung, sondern nur auf Feststellung des Versicherungsschutzes klagen, so der BGH (mit Verweis auf seine Urteile Az.: IVa ZR 165/81 und Az.: IVa ZR 32/80).
Entsprechend haftet der Makler und muss entweder die vom Hauseigentümer gegen den Handwerker geltend gemachten Ansprüche erfüllen oder sie abzuwehren versuchen, indem er die Kosten der Rechtsverteidigung des Ofenbaumeisters gegenüber dem Hauseigentümer übernimmt.
Der BGH erinnerte auch daran, dass der Versicherungsmakler treuhänderischer Sachwalter des Kunden ist (Az.: Iva ZR 190/83) und als dessen Vertrauter individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen hat. Er muss von sich aus das Risiko untersuchen und das Objekt prüfen, erinnerte der BGH an seine eigene Rechtsprechung vom 14. Juni 2007 (Az.: III ZR 269/06).
Gegen diese Pflichten habe der Makler bereits deshalb verstoßen, weil er im Rahmen der ihm obliegenden Aufgabe, den Versicherungsbedarf zu ermitteln, nicht nachgefragt hatte, welche konkreten Tätigkeiten der Ofenbaumeister im Rahmen seines Betriebs tatsächlich ausübt. Dazu gehört auch, sich regelmäßig über Neuerungen bei den Musterbedingungen zu informieren (procontra berichtete).
Seite 1: Beratungshaftung bei mangelhaftem VersicherungsschutzSeite 2: Makler verliert in drei InstanzenSeite 3: Komplizierte Schadenersatzregelung bei Haftpflicht