Urteil

Schmerzensgeld nach Sturz über geparkte E-Scooter?

Wegen zwei quer auf dem Bürgersteig abgestellten E-Rollern hatte sich ein blinder Mann einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Wann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt, zeigt ein aktuelles Urteil des OLG Bremen.

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09:11 Uhr | 22. November | 2023
Geparkte E-Roller

Geparkte E-Roller als Unfallursache: Wann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt, hatte nun das OLG Bremen zu entscheiden.

| Quelle: MarioGuti

In weiten Teilen beherrschen sie das Straßenbild: E-Scooter, die häufig auf Gehwegen abgestellt werden und Fußgängern bisweilen ein Durchkommen erschweren. Auch auf der Straße werden die Elektroroller häufig zur Unfallursache. Nach einer Statistik des Branchenverbands GDV verursachten 2022 rund 571.000 versicherte E-Scooter in privater Hand etwa 1.850 Schäden; bei 193.000 versicherten Leih-Scootern kam es zu rund 2.350 Schäden. Nun hatte das Oberlandesgericht Bremen (OLG) über einen Fall zu entscheiden, in dem zwei auf dem Gehweg geparkte E-Scooter Ursache für einen Unfall waren (Az.: 1 U 15/23). Dabei ging es um die Frage: Wie weit reicht die Verkehrssicherungspflicht der Scooter-Verleihfirmen?

Was war passiert?

Geklagt hatte ein blinder Mann, nachdem er 2020 in Bremen über zwei E-Roller gestürzt war, die „im 90 Grad Winkel zur Hauswand" und damit quer auf dem Bürgersteig standen. Der Mann erlitt in der Folge einen Oberschenkenhalsbruch und musste operiert werden. Vor dem Sturz war der blinde Kläger nach eigenen Angaben in gemäßigtem Gehtempo an der „inneren Leitlinie“ entlang einer Hauswand gegangen. Die Linie dient der Orientierung von Menschen mit Sehbehinderung. Mit seinem Langstock habe er den ersten E-Scooter zwar noch erkannt. Doch bei dem Versuch, den Roller zu übersteigen, sei er dann auf den zweiten, dahinterstehenden Scooter getreten und über das Trittbrett des zweiten Rollers gestürzt.

Vor dem Landgericht Bremen klagte der Mann daraufhin auf ein Schmerzengeld in Höhe von 20.000 Euro. Diese wiesen die Richter mit der Begründung zurück, dass im vorliegenden Fall keine Haftung aufgrund der Verletzung der sogenannten Verkehrssicherungspflicht bestehe. Dieser Sichtweise schlossen sich die Richter am OLG Bremen an.

Die Urteilsbegründung im Detail

Zum Zeitpunkt des Unfalls war die gewerbliche Vermieterin der E-Scooter für Bremen im Besitz einer Sondernutzungserlaubnis. Laut dieser Erlaubnis durften 500 Roller ins öffentliche Stadtgebiet „eingebracht“ und im sogenannten Free-floating-Modell angeboten werden. Dabei hatten die Scooter keinen festen Standort, sondern durften flexibel im öffentlichen Raum abgestellt werden. Die Vermieterin der E-Scooter habe zwar eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der von ihr betriebenen E-Scooter und müsse daher Schädigungen anderer möglichst verhindern, so das OLG. Für besonders eigenartige und fernliegende Umstände hafte sie aber nicht. Daher liege in diesem Fall auch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.

Wie die Roller auf dem Gehweg abgestellt waren, habe weder gegen die konkreten Vorgaben der Sondernutzungserlaubnis noch gegen „allgemeine zivilrechtliche Rücksichtnahmepflichten der Scooter-Vermieterin gegenüber besonders schutzbedürftigen Menschen“ verstoßen. Zudem habe kein besonderes Gefahrenpotential am Unfallort bestanden. Auch sei die Vermieterin nicht verpflichtet gewesen, besondere Sicherheitsmaßnahmen für sehbehinderte Menschen zu treffen.  

Eine Revision zum Bundesgerichtshof ließ das OLG nicht zu. E-Roller seien zwar relativ neu, rechtlich allerdings mit Fahrrädern und Mopeds vergleichbar. Zu deren Haftungsfragen gebe es ausreichend Rechtsprechung.