Vertrieb: Wie lässt sich Abwerbung vom Ex-Vermittler verhindern?
Im Versicherungsvertrieb wird oft hart um Kunden gekämpft. Der Gesetzgeber wünscht dazu freien Wettbewerb. Die Grenzen sind im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gesetzt. Neben der klassischen Kaltakquisition und der Mitnahme von Geschäftsgeheimnissen ist auch eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern nicht erlaubt (laut Paragraf 4 Nr. 4 UWG).
Letzteres hatten mehrere Versicherer einem Makler vorgeworfen, der ihnen Kunden abgeworben hatte. Der Makler hatte seinen Neukunden nicht nur eine Maklervollmacht unterschreiben lassen, sondern auch die Kündigungen mehrerer Versicherungsverträge. Die vorformulierten Kündigungsschreiben für die Policen enthielten neben der eigentlichen Kündigung auch eine "Abschottungs-Klausel".
Die abgemahnte Klausel
Die Klausel lautete: „Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich, von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Ferner widerrufe ich etwaige Einzugsermächtigungen und Datenschutz- Einwilligungserklärungen. Insbesondere untersage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.“
Gegen dieses generelle Kontaktverbot gingen die betroffenen Versicherer juristisch vor, berichtet Fabian Kosch von der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte in der procontra-Sonderveröffentlichung „Maklerrecht 2021: Was dürfen, was sollten, was müssen Makler tun?“. Da der Makler sich der Abmahnung nicht beugte, wurde er verklagt.
OLG: unlauterer Wettbewerb
Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschied am 28. Mai 2019: Eine vorbereitete Kündigungserklärung mit generellen Kontaktaufnahmeverboten ist eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern und verstößt gegen das UWG (Az.: 6 U 27/18). Der Makler muss solche Kontaktverbotsschreiben unterlassen. Andernfalls drohen dem Geschäftsführer die Zahlung von bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.
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Begründung: Durch ein generelles Kontaktaufnahmeverbot behindert der Versicherungsmakler gezielt die Möglichkeit der Versicherer, ehemalige Kunden anzusprechen und zu einer Wiederaufnahme der Vertragsbeziehung zu veranlassen. Diese Möglichkeit sei aber gerade Wesen des Wettbewerbs und begründe in umgekehrter Richtung auch das Recht des Maklers, Kunden der Versicherer abzuwerben.
Der Makler hat die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber durch das Kontaktaufnahmeverbot unzulässig eingeschränkt. „Er schottet die von ihm durch Abwerbung von den Gesellschaften angeworbenen Kunden gegenüber dem Wettbewerb gezielt ab“, fasst der Jurist zusammen.
Ex-Vermittler darf Kunden zurückgewinnen
Das OLG führt mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) an, dass eine Hilfe bei der ordnungsgemäßen Auflösung bestehender Versicherungspolicen eines Neukunden (sogenannte Kündigungshilfe) grundsätzlich zulässig sei. Dabei dürften aber keine unlauteren Mittel eingesetzt werden.
Auch eine systematische Kündigungshilfe sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, da in der Regel kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses besteht, schreibt Kosch. Das Abwerben von Kunden ist zulässiger Teil des Wettbewerbs. Deshalb sei die Kündigungshilfe durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung grundsätzlich wettbewerbskonform und verstoße auch nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz.
Wie Vertreter das Risiko Geschäftsgeheimnis aushebeln
„Kundendaten“ sind ein Geschäftsgeheimnis, hatte der BGH am 26. Februar 2009 entschieden (Az.: I ZR 28/06). Darauf wies Kosch am 6. April in einem Profino-Webinar hin, das noch in der Mediathek steht. Ausnahme sei die Gedächtnis-Rechtsprechung, sagt der Jurist.
Demnach könne sich der Vermittler (meist nach Beendigung seines Agenturvertrages) natürlich aus dem Gedächtnis an frühere Kunden erinnern und sie gezielt als Neukunden ansprechen. Sein früherer Auftraggeber müsse beweisen, dass der Vermittler die Kundendaten gestohlen habe, was laut Kosch schwierig sei.
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