Wann die PKV auch für medizinisch nicht notwendige Behandlungen zahlen muss
Eine Frau hatte bereits im Jahr 2009 einen Infarkt der linken Koronararterie erlitten. Danach litt sie an einer Reihe schwerer körperlicher Einschränkungen, unter anderem einer Hornhautverkrümmung und beginnendem grauen Star, extremer muskulärer Verspannung der Halswirbelsäule inklusive beider Schultern und extremen Kopfschmerzen.
Um diese Leiden zu lindern, befand sie sich seit 2013 in Behandlung bei einem Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Umweltmedizin. Dieser führte bei ihr unter anderem eine wiederkehrende Photonentherapie und eine hyperbare Ozontherapie durch. Diese Behandlungen erfolgten in den Jahren 2013 und 2014 und wurden stets von dem privaten Krankenversicherer der Frau übernommen, wenn auch jeweils mit geringen Abzügen.
Plötzliche Prüfung des Leistungsanspruchs
Auch in der Zeit von Februar bis Juli 2015 wurden die Behandlungen fortgesetzt. Doch mitten in diesen Zeitraum, am 23.03.2015, schrieb der Krankenversicherer seiner Kundin, dass er deren Leistungsanspruch prüfen wolle. Für den Zeitraum in 2015 fielen allerdings bereits 9.542,95 Euro an, ehe der PKV-Anbieter am 28.10.2015 mitteilte, dass er die Kostenübernahme ablehne, weil es sich dabei um ganz überwiegend medizinisch nicht notwendige Leistungen handle. Lediglich 1.679,30 Euro für die Behandlungen vor seinem Schreiben im März erstattete der Versicherer.
Da man sich außergerichtlich nicht einigen konnte, klagte die Frau vor dem Landgericht Karlsruhe auf Erstattung der übrigen 7.863,65 Euro zuzüglich Zinsen und erzielte dabei einen Teilerfolg (Urteil vom 27.05.2022; Az. 21 O 511/17). Zwar hatte das LG anhand von mehreren Gutachten klären lassen, dass die Behandlungen, die die Frau erhalten hatte, medizinisch nicht notwendig waren. Für die Kosten der Behandlungen im Februar und März 2015 (insgesamt 4.013,77 Euro), die vor Erhalt der Prüfungsankündigung des PKV-Anbieters erfolgten, sei für diesen aber eine Vertrauenshaftung entstanden, weshalb er dafür leisten müsse. Die Frau habe also darauf vertrauen können, dass ihr Versicherer bis zu seiner Ankündigung, den Leistungsanspruch prüfen zu wollen, ihre Behandlungen wie bisher auch bezahlen würde.
Niederlage in zwei Instanzen
Das wollte der private Krankenversicherer nicht akzeptieren und ging in Berufung vor das Oberlandesgericht Karlsruhe. Doch die dortigen Richter schlossen sich der Entscheidung aus der Vorinstanz an (Urteil vom 02.02.2023; Az. 12 U 194/22). Es sei unstreitig, dass die Behandlungen nicht medizinisch notwendig waren. Zu Recht habe das LG aber erkannt, heißt es in der Urteilsbegründung, dass der Krankenversicherer nach Treu und Glauben zum Ersatz der bis zum 23.03.2015 angefallenen Behandlungskosten verpflichtet ist.
Die vorbehaltlose Kostenerstattung des Unternehmens über einen längeren Zeitraum sei grundsätzlich geeignet, beim Versicherungsnehmer das berechtigte Vertrauen darauf zu wecken, dass auch in Zukunft eine Erstattung weiter erfolgen werde. Dieser Umstand genüge zwar nicht in jedem Szenario, um eine Leistungspflicht des Versicherers zu begründen. Von Bedeutung sei dabei unter anderem, ob der Versicherungsnehmer Anlass für die Annahme hatte, dass der Versicherer die Kostenerstattung eingehend geprüft hatte.
Davon habe die Frau ausgehen können, so das Gericht, weil ihre in den Jahren 2013 und 2014 eingereichten Rechnungen nicht in vollem Umfang erstattet, sondern – wenn auch geringfügige – Abzüge vorgenommen wurden. Dies lasse aus Sicht der Versicherungsnehmerin darauf schließen, dass die Frage der medizinischen Notwendigkeit nicht übersehen wurde. Folglich habe der Versicherer ihr, wie vom LG entschieden, die 4.013,77 Euro zuzüglich Zinsen zu erstatten. Gegen das Urteil wurde keine Revision zugelassen.