Vermögensschadenhaftpflichtversicherung

"In immer mehr Fällen reicht die Mindestversicherungssumme nicht mehr aus"

Ab Oktober gelten für Vermittler höhere Mindestsummen in der Vermögensschadenhaftpflicht. Hierüber sprach procontra mit Franziska Geusen, Geschäftsführerin Hans John Versicherungsmakler und AfW-Vorständin.

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12:06 Uhr | 20. Juni | 2024
Franziska Geusen

Franziska Geusen, Vorständin des AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen und Geschäftsführerin der Hans John Versicherungsmakler GmbH

| Quelle: AfW / Pressefoto

Ab dem 9. Oktober gelten neue gesetzliche Mindestversicherungssummen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (VSH). Aktuell betragen die Mindestsummen für die obligatorische Berufshaftpflicht von Versicherungsvermittlern 1.300.380 Euro für jeden Schadenfall und 1.924.560 Euro für alle Schadenfälle eines Jahres. Diese Summen erhöhen sich auf 1.564.610 Euro bzw. 2.315.610 Euro.

Was das konkret für Vermittlerinnen und Vermittler bedeutet, darüber sprach procontra mit Franziska Geusen, Geschäftsführerin der Hans John Versicherungsmakler GmbH in Hamburg und Vorständin des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung e.V.

procontra: Frau Geusen, Vermittler, so heißt es, müssten selbst gar nicht aktiv werden, weil die Anpassung der Mindestversicherungssummen in der Vermögensschaden-Haftpflicht durch die Versicherer automatisch erfolge, stimmt das?

Geusen: Das ist korrekt. Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer ermächtigen den GDV, in ihrem Namen im Wege einer sogenannten Globalerklärung gegenüber der DIHK zu bestätigen, dass die geforderte Versicherungssumme den jeweiligen Versicherungsverträgen zugrunde liegt.

Ob sich tatsächlich alle Versicherer anschließen, kann ich nicht mit absoluter Gewissheit bestätigen, gehe aber fest davon aus. Zumindest für die Risikoträger unserer Konzepte, R+V, Allianz, ERGO und Allcura, trifft dies zu.

procontra: Manche Versicherer schicken aber auch von sich aus neue Angebote an ihre Kunden – inwiefern sollten die darauf reagieren?

Geusen: Einige Versicherer bieten ihren Kunden die Möglichkeit, teilweise im Rahmen einer Sonderaktion, gegen eine geringe Mehrprämie die Versicherungssumme direkt zum Beispiel auf 2 Million Euro zu erhöhen. Die Versicherer erhoffen sich dadurch natürlich, dass die nächste Summenanpassung geräuschloser an ihnen vorrübergeht.

Die Vermittlerinnen und Vermittler sollten unseres Erachtens diese Gelegenheit dafür nutzen, ihr eigenes Berufsrisiko zu bewerten und die Versicherungssumme zu überdenken. Wir sehen immer mehr Fälle, in denen die Mindestversicherungssumme nicht mehr ausreicht.

Stellen Sie sich da nur einen liegen gebliebenen Antrag für ein Mehrfamilienhaus vor. Wird dieses dann durch ein Feuer zerstört, sind 1,5 Millionen Euro schnell verbraucht – und das kann meines Erachtens jede Versicherungsmaklerin und jeden Versicherungsmakler treffen.

procontra: Wie wird sich die Erhöhung der VSH-Mindestsummen auf die zu zahlenden Beiträge auswirken? Wird jetzt alles teurer?

Geusen: Tatsächlich haben sich die Kosten für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer analog zu den anderen Sparten nach oben entwickelt. Das liegt in der Natur der Sache. Ist ein Auto nicht korrekt versichert, leiten sich erhöhte Reparaturkosten 1:1 an den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer weiter. Darüber hinaus ist der Sprung in der Mindestversicherungssumme, den wir jetzt sehen, natürlich deutlich größer als in der Vergangenheit.

Es kommt hier darauf an, welche Deckungssumme im Vertrag aktuell vereinbart ist. Kundinnen und Kunden, die bereits jetzt 1,5 Millionen Euro Versicherungssumme abgeschlossen haben, werden sicherlich kaum eine Mehrprämie erwarten müssen. Sind allerdings nur 1,35 Millionen Euro Versicherungssumme vereinbart, berechnen die Versicherer für die Anhebung um rund 200.000 Euro einen geringen Zuschlag, der sich zumeist zwischen 7 und 8 Prozent auf den Beitrag zur Pflichtversicherung bewegt. Mit einer deutlichen Steigerung der Prämien ist daher nicht zu rechnen.

procontra: Was ist mit Vermittlern, die demnächst in Ruhestand gehen? Gelten die neuen Mindestversicherungssummen auch für diese Personengruppe?

Geusen: Ja, es gibt hier keine Ausnahme. Die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler können der Erhöhung daher natürlich auch nicht widersprechen, auch nicht, wenn eine Mehrprämie damit verbunden ist. Ebenso wenig besteht ein Sonderkündigungsrecht.

Natürlich besteht die Möglichkeit, zum Ablauf des jeweiligen Vertrages einen Wechsel des Risikoträgers zu prüfen, um bei möglichst gleichbleibend guter Bedarfsdeckung eventuell Prämie einsparen zu können. Betonen möchte ich in diesem Zusammenhang aber sehr deutlich, dass eine möglichst günstige Prämie bei der Wahl der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nicht im Vordergrund stehen sollte.

procontra: Mit welchen Konsequenzen müssen Vermittler rechnen, wenn ihre Police – aus welchen Gründen auch immer – nicht rechtzeitig umgestellt wird?

Geusen: Wie bereits erwähnt, kann dieses Szenario nicht eintreten. In der Praxis kann ich mir nur vorstellen, dass sich jemand weigert, die Mehrprämie zu zahlen und hierdurch in Zahlungsverzug gerät. Die Konsequenzen sind sicherlich jedem bekannt: Wird der Betrag nicht vollständig gezahlt, verliert der Versicherungsnehmer zunächst den Versicherungsschutz und erhält schließlich die Kündigung. Diese wird der IHK zur Kenntnis geschickt, die wiederum ein Widerrufsverfahren für die Erlaubnis in Gang setzt.

Viele Risikoträger haben im Bereich der durch Nichtzahlung gekündigten Versicherungsvermittler inzwischen oft ein Zeichnungsverbot, sodass es immer schwieriger wird, neuen Versicherungsschutz abzuschließen. Ohne entsprechenden Versicherungsschutz verliert der Vermittler seine Erlaubnis.

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