Fugenschutz endlich in der Wohngebäudeversicherung gekittet?
Man erinnert sich – das BGH-Urteil zu den Silikonfugen im Bad? Sie gehören nicht zum Leitungswassersystem hat das oberste Gericht 2021 entschieden und insofern auch klargestellt: Nässeschäden durch undichte Fugen sind in der Leitungswasserversicherung generell nicht mitversichert. „Die Versicherer wurden in Zugzwang gesetzt. Sie mussten nun ihrerseits für Klarstellung sorgen und die Bedingungswerke überarbeiten oder eine schriftliche Erklärung abgeben“, sagt Konzept-Versicherungsmakler Achim Finke von con4b. Heißt: Sollen solche Schäden doch mitversichert sein, muss der Begriff Leitungswassersystem dort entsprechend weit gefasst werden. Das war bis dahin häufig nicht der Fall, auch wenn in der Regulierungspraxis in dieser Hinsicht teils Kulanz waltete.
In guter Gesellschaft
Ende gut, alles gut? Inzwischen sei das Fugen-Urteil in der Branche „kein großes Thema mehr“, sagt Domcura-Vorstands-Chef Uwe Schumacher. „Denn gute Produktgeber haben diesen Schutz nun in ihre Bedingungswerke aufgenommen oder per geschäftsplanmäßiger Erklärung entsprechende Regulierung zugesichert.“ Bis zu 80 Prozent der Versicherer dürften nach Schätzung von Finke inzwischen so verfahren.
„Fündig wird man aber nur in den höherwertigen Konzepten“, merkt Hans-Hermann Lüschen von der Sach-Vergleichsplattform Versnavi an. Und da fängt die Arbeit des Maklers im Grunde ja auch an und bedeutet oft genug auch: im Zweifel, auch schriftlich, nachfragen.
Bei der Absicherung von Silikonfugen ergibt sich dann ein deutlich differenzierteres Bild – nicht nur im Hinblick auf Produktgenerationen und Tariflinien, Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie Versicherungssummen, sondern insbesondere auch in Bezug auf Neu- und Altkunden mit einem Spektrum von Goodwill über Bestandsupdates bis klare Ansage.
Jahrgang entscheidend
Neukundschaft der Ergo etwa hat in der 2023 eingeführten Wohngebäudeversicherung erklärtermaßen auch Schutz infolge undichter Fugen. „In älteren Produktgenerationen regulieren wir im Wohngebäude-Privatkundengeschäft vergleichbare Schäden in der Praxis regelmäßig nach individueller Prüfung“, erklärt Jens Birnbaum, Abteilungsleiter Produktmanagement, Produktentwicklung Sach.
„Fortführung der bestehenden kundenfreundlichen Regulierungspraxis“ im Bestands- sowie in Teilen des Neugeschäfts, darauf läuft es bei der Axa hinaus. Für Makler und deren Kundschaft rollt die Gesellschaft mit dem ausschließlich für diesen Markt neu konzipierten Wohngebäude-Produkt den roten Teppich aus. „Hier sind die Fugenschäden direkt in die Versicherungsbedingungen der Linien Kompakt und Komfort eingearbeitet.“ Markteinführung war vor einem Jahr.
Mit einer Klarstellung pro Fugenschäden in den Bedingungen seiner aktuellen Wohngebäudeprodukte hat der HDI reagiert und gleichzeitig Altkunden mit Verträgen zwischen 2011 bis 2018 zugesichert: Es bleibt „bei der bisherigen Regulierungspraxis“. Die Möglichkeit, einen Schaden auf Grundlage des BGH-Urteils abzulehnen, werde man nicht nutzen.
Moderne Automatik
In der 2021 neu eingeführten Wohngebäudeversicherung der Alten Leipziger sind Folgeschäden aus undichten Fugen ab der Tariflinie Classic gedeckt. Durch eine Innovationsklausel profitieren auch Bestandskunden davon und wurden ab Tarifgeneration 2014 über den beitragsneutralen Einschluss informiert. Für alle anderen Kunden mit Tarifgenerationen davor heißt es: Vertrag neuordnen, so die Gesellschaft.
Auf eine vergleichbare Lösung für den Bestand stützt sich auch Domcura, die Fugenschäden seit 2018 versichert und zeitgleich eine „Innovationsgarantie“ eingeführt hat. Ab da erhalten Kunden Bedingungsverbesserungen nunmehr automatisch. Bei älteren Verträgen – vor 2018 – sei der Makler, „auch aufgrund seiner Maklerhaftung“, gefordert, auf eine aktuelle Tarifgeneration umzustellen, so Schumacher.
Neuordnung des Vertrags – oder eben auch Wechsel zu einem anderen Anbieter. Das wäre die andere Option für den Makler respektive seine Kundschaft.
Dabei sei die Wohngebäudeversicherung natürlich in ihrer Gesamtheit zu betrachten, verweist Versicherungsmakler Carsten Kreutz aus Aukrug in Schleswig-Holstein auf die Crux dabei. „Wir bieten ausschließlich die besten Bedingungswerke an, die den Bereich Silikonfugen-Leitungswasser mit mindestens bis 5.000 bis 10.000 Euro versichert haben und häufig sogar darüber. Kreutz hat im ländlichen Bereich über 90 Prozent Ein- und Zweifamilienhäuser versichert. Er hatte mit Fugenschäden „aber bisher kaum Probleme, weil die Eigentümer sich regelmäßig um die Fugen im Bad kümmern. Bei Mehrfamilienhäusern wird das anders aussehen“.
Obliegenheiten prüfen
Damit ist ein Thema angesprochen, das in den Bedingungen oft nur sehr allgemein gehalten ist und dann auch in der Beratung eher kurz abgefrühstückt wird: Obliegenheiten. Was Finke hier immer wieder feststellt: „Gebäudebesitzer oder auch Hausverwalter beschäftigen sich nicht mit ihren Pflichten aus Versicherungsverträgen. Die wenigsten wissen: Eine Silikonfuge ist eine Wartungsfuge, hält also nicht ewig. Da gibt es eine DIN-Norm, die ganz klar sagt: alle zwei Jahre kontrollieren, alle fünf Jahre austauschen.“ Hier sei auch der Makler in der Pflicht, dem Kunden mitzuteilen: Was muss er denn tun, um seinen Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten? Das Stichwort dazu heißt Obliegenheitskontrolle.
Maklers Meinung: „Haftungspotenzial für Hausverwaltungen“
Das BGH-Urteil zu Silikonfugen und Nässeschäden hat zunächst für Unruhe, letztlich aber für Klarheit gesorgt. Viele Gesellschaften haben nachgebessert oder klarstellt, dass es dafür nunmehr Deckung gibt. Auch die Vermittlerbranche hatte dahingehend Druck aufgebaut. Man sollte dann auch bei Altverträgen schauen, ob man nachbessern kann, oder sonst wechseln. Mit Uraltverträgen tut sich auch der Makler bekanntlich keinen Gefallen. Letztlich, im Schadenfall – wenn irgendetwas nicht versichert ist, muss er ja nachweisen, dass er den besten Schutz besorgt hat. Ansonsten darf er seine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung anbieten. Neuen Mandanten, die mit alten Policen zu uns kommen, empfehlen wir, auf das neueste Bedingungswerk bzw. unsere Spezialkonzepte umzustellen. Für den Differenzzeitraum bis zur Hauptfälligkeit bieten wir eine Summen- und Konditionendifferenzdeckung an und übernehmen die Kündigung. In unseren Gebäudekonzepten waren Fugen schon vor dem BGH-Urteil gedeckt. Sie machen bei uns etwa 10 Prozent der Leitungswasserschäden aus. Das dürfte in etwa auch dem statistischen Durchschnitt entsprechen. Wir sehen natürlich auch, dass bei bis zu sechsstelligen Schäden in diesem Bereich Versicherer immer mehr Wert auf die Einhaltung von Obliegenheiten legen. Es ist im Schadenfall eine Art Hintertür für die Gesellschaft, aber die Gebäudeversicherung nun mal auch keine Reparaturkostenversicherung. Wer beispielsweise Wartungsfugen nicht regelmäßig kontrolliert oder keinen Nachweis dafür hat, steht dann auch im Regen. Hier sehe ich auch mehr Haftungspotenzial für Hausverwaltungen. Insoweit meine Empfehlung an Kunden: eventuell auf Wiedervorlage legen und einen Wartungsplan mit dem Handwerker absprechen.Achim Finke