Wohngebäudeversicherung

80 Prozent Einsparungen: Sensoren im Kampf gegen Leitungswasserschäden

Leitungswasserschäden treiben die Bilanzen der Gebäudeversicherer in den roten Bereich. Neue Sensoren versprechen Abhilfe – doch die Branche agiert zögerlich. Noch.

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08:09 Uhr | 12. September | 2024
Mehrere Trockner stehen in einem Raum nach einem Wasserschaden

Leitungswasserschäden sind für die Versicherer ein großes Problem. Neue technische Lösungen versprechen Abhilfe.

| Quelle: Ceneri

Die Gebäudeversicherung hat ein Kostenproblem. Nur wenige Anbieter schafften es in den vergangenen Jahren, mit Gebäudepolicen Geld zu verdienen – zu schwer wogen in den vergangenen Jahren die Schadenzahlungen. Dabei verhagelt in erster Linie gar nicht das medial vielbeachtete Orkantief oder Hochwasserereignis den Versicherern die Bilanzen. Der wahre Kostentreiber fällt viel banaler aus: Leitungswasserschäden.

Undichte Rohre verursachten laut einer Statistik des GDV zwischen 2003 und 2022 Schäden in Höhe von über 47 Milliarden Euro – das entspricht knapp der Hälfte (49 Prozent) des gesamten Schadenaufwands in der Wohngebäudeversicherung.

Massive Kosteneinsparungen möglich?

Dabei könnte die Lösung doch so einfach sein. Oder? Hersteller sogenannter Leckagesensoren, mit denen sich Wasserschäden frühzeitig erkennen und sogar verhindern lassen, versprechen massive Kosteneinsparungen für die Versicherer. So verspricht das britische Insurtech Ondo durch den Einsatz seines „Leakbot“ eine Reduzierung der Schadenkosten in Höhe von 70 Prozent. Das Software-Unternehmen Suru, das auch hierzulande mit einigen Versicherern kooperiert, beziffert die möglichen Kosteneinsparungen sogar mit 80 Prozent. Dies seien keine Schätzungen, bekräftigt das Unternehmen, sondern konkrete Zahlen vom finnischen Versicherer Lähi-Tapiola.

Der Schluss liegt nahe, dass die Versicherer angesichts solcher Zahlen diese Geräte verbilligt oder komplett gratis ihren Kunden zu Verfügung stellen und somit ihr Leitungswasser-Problem eindämmen. In der deutschen Versicherungsbranche reagiert man auf die hier präsentierten Zahlen verbreitet noch mit Skepsis.

Blickt man auf die Marktgrößen Allianz, R+V und Sparkassen Versicherung, deren Bestand mehr als ein Viertel aller Wohngebäudepolicen in Deutschland umfasst, fällt das Bild ambivalent aus.

Am offensten zeigt sich noch die R+V. Der genossenschaftliche Versicherer kooperiert zwar nicht mit einem Sensor-Hersteller, allerdings wird der Einbau der entsprechenden Leckage-Sensoren in Form von Prämiennachlässen gefördert. Auch Sanierungsarbeiten werden in dieser Form goutiert: „Wurde das gesamte Leitungswassersystem eines Gebäudes saniert, wird für die Beitragsberechnung der Leitungswasserprämie statt dem Baujahr das Sanierjahr herangezogen“, teilt ein Unternehmenssprecher mit.

Firmenkunden wird darüber hinaus eine technische Prüfung durch hauseigene Risikoingenieure angeboten, wodurch mögliche Installations- und Baumängel rechtzeitig ausfindig gemacht werden können.

Zurückhaltung aufgrund fehlender Studien

Beim Marktführer Allianz gibt man sich im Hinblick auf die bislang zur Verfügung stehende Präventionstechnik zurückhaltender. Zwar setze man auf Prävention, beispielsweise in Form von Beratungsgesprächen, nicht aber durch Präventionsgeräte. Für deren Wirksamkeit fehle es derzeit schlicht an ausreichenden Daten und Studien, teilt ein Sprecher mit.

Auch bei der Sparkassen Versicherung, mit knapp 1,4 Millionen Verträgen die Nummer drei im Segment Wohngebäudeversicherung, zeigt man sich bislang eher reserviert, was Sensoriksysteme betrifft. Bisher habe man keinen entscheidenden Mehrwert für die eigenen Kunden gesehen, bemerkt ein Sprecher. Dann fügt er allerdings an: „Da zuletzt weitere Entwicklungen stattgefunden haben, haben wir das Thema erneut aufgegriffen. Unsere künftigen Pläne hängen von den Ergebnissen der laufenden Untersuchungen ab.“ Eine Aussage hierzu ist jedoch noch nicht möglich.

Für Versicherungsmakler Nico Streker hat das Thema Prävention in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. „Durch die Prämienanstiege und Vertragssanierungen der Versicherer ist Prävention eine Möglichkeit geworden, Kostensteigerungen und Selbstbehalte zu vermeiden“, hat Streker beobachtet.

Gerade bei Sanierungsverträgen komme der Einbau von Sensoriksystemen somit zur Sprache. Insbesondere Kunden mit Schadenerfahrung zeigen sich für das Thema auch zugänglich. „Ansonsten gibt es bei vielen Kunden Vorbehalte.“

Nicht jeder Kunde ist offen für Neuerungen

Ein möglicher Grund: Nicht jeder Kunde steht technischen Neuerungen gleich positiv gegenüber. „Hier gilt es für den Vermittler Überzeugungsarbeit zu leisten“, weiß der Lübecker Makler aus eigener Erfahrung.

Doch auch bei den Versicherern scheint das Thema in der Breite noch nicht angekommen. Zwar gibt es immer wieder Aktionen einzelner Versicherer, in deren Rahmen Versicherungskunden Leckagesensoren verbilligt oder gar umsonst zur Verfügung gestellt werden. Der Umfang bleibt allerdings – bislang zumindest – überschaubar. So bietet die Bayerische seit Ende vergangenem Jahr das Wassersteuerungssystem „Grohe Sense Guard“ von SURU im Rahmen seiner Bündelpolice „Meine eine Police“ an. Mehr als 1.200 Systeme sind mittlerweile installiert, teilt der Versicherer mit.

Das ist nicht nichts – bleibt jedoch deutlich unter den Grenzen des Möglichen.  Zwar sei die Bereitschaft der Kunden groß, das System zu installieren und auch einige größere Schäden seien durch die neue Technik bereits verhindert worden – eine Ausweitung des Angebots auf andere Tarife sei vorerst jedoch nicht geplant, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage mit.

Erste Anzeichen für Umdenken

Dennoch gibt es allmählich erste Anzeichen für ein Umdenken, was mit einer neuen Generation der Sensoren einhergeht. Statt diese in die Rohrleitungen zu integrieren, können die neuen Geräte außerhalb der Leitungen angebracht werden – eine Montage entfällt dadurch.  Zudem sollen mittels künstlicher Intelligenz mögliche Schäden vorausgesehen werden, bevor sie entstehen.

 Der Heidelberger Assekuradeur Enzo hat seinen Sensor zum Jahreswechsel veröffentlicht. Zwar spricht Gründer und Geschäftsführer Sascha Wolf nicht über die Zahl der bislang vertriebenen Sensoren, sagt aber, dass die Versicherer mittlerweile Schlange stehen, um die Geräte ihren Kunden anbieten zu können. Mit dem Start-up Lisios steht zudem ein weiterer Sensor-Hersteller in den Startlöchern. Laut Gründer Patrick Franken will man im Oktober dieses Jahres an den Start gehen – dann entscheidet sich auch, ob ein größerer Rückversicherer als strategischer Partner an Bord kommt.

Prävention breiter denken

Das Thema Prävention jedoch auf den Einbau von Sensoren zu beschränken, greift für Streker zu kurz. „Die beste Prävention ist grundsätzlich die regelmäßige Instandhaltung und Wartung“, so Reker. Schließlich würden die einmal gebauten Häuser mit den Jahren nicht jünger – das gilt auch für die verbauten Rohre.

Es gebe darüber hinaus auch niedrigschwellige Maßnahmen, mit denen sich eine Vielzahl von Schäden vermeiden ließ. Denn eine häufige Ursache für Leitungswasserschäden sind Rohrverstopfungen – hervorgerufen durch in der Toilette heruntergespülte Lebensmittel oder Sanitärartikel. „Um solche Verstopfungen zu vermeiden, ist es wichtig, nicht nur technische Maßnahmen zu erreichen, sondern auch die Mieter aktiv in den Prozess einzubeziehen“, rät Streker im Zusammenhang mit Mehrfamilienhäusern. Aufklärung und Kommunikation seien wesentliche Präventionsaspekte, die auch seitens der Versicherer bislang sträflich vernachlässigt werden.  „Versicherer könnten viel mehr Aufklärung betreiben“, ist Streker überzeugt. Eine leicht umsetzbare Möglichkeit wäre beispielsweise der regelmäßige Versand entsprechender Informationen.

Am zielführendsten ist am Ende eine Mischung aus Aufklärung und Technik. Damit diese aber zum Teil der Lösung werden kann, braucht es Mut – von Versicherern wie Kunden sondergleichen. Und es braucht den Berater: Schafft er es seine Kunden vom Thema Prävention zu überzeugen, ist ein entscheidender Schritt für die Verbreitung entsprechender Technik getan.