Unfallversicherung: Streit um fehlenden Hinweis nach Leitersturz
In der Unfallversicherung gelten für den Versicherungsnehmer bestimmte Fristen, an die er sich zu halten hat. So muss er beispielsweise seine unfallbedingte Invalidität innerhalb einer bestimmten Zeit nicht nur ärztlich feststellen lassen, sondern diese auch seinem Versicherer mitteilen. In der Regel beträgt diese Frist 15 Monate, manche Versicherer haben diese jedoch auch auf 18, manche gar auf 24 Monate erweitert.
Hält der Versicherungsnehmer diese Frist nicht ein, erlischt der Leistungsanspruch gegenüber dem Versicherer. So war es auch in einem Fall, der jüngst vor dem Braunschweiger Oberlandesgericht (Az: 11 U 11/23, Urteil vom 12. Februar 2025) verhandelt wurde, der bald aber vor dem Bundesgerichtshof landen könnte.
Von der Leiter gestürzt
Ein Mann war einer Leiter gestürzt und hatte sich dabei eine Wirbelsäulenfraktur zugezogen. Daraus soll – laut den Angaben seiner Frau – eine unfallbedingte Invalidität in Höhe von 20 Prozent entstanden sein. Doch die geforderten 10.600 Euro wollte die Versicherung nicht zahlen. Der Grund: Obwohl die Versicherung die Versicherungsnehmer darauf hingewiesen hatte, dass der Anspruch auf Invaliditätsleistung innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und beim Versicherer geltend gemacht werden müsse, kam der verunglückte Mann dieser Aufforderung erst nach Ablaufen der Frist nach.
Doch der Versicherungsnehmer klagte. Aus seiner Sicht habe sein Unfallversicherer kein Recht, die Leistung zu verweigern. Denn: Der Versicherer habe in seiner Belehrung nicht auf die Rechtsfolge einer Fristversäumung hingewiesen. Die Versicherungsnehmer wussten also nicht, dass der Versicherer die Leistung verweigern könne, sollten sie die Invalidität diesem zu spät nachweisen. Vor dem Landgericht Braunschweig bekam er tatsächlich recht – doch vor dem OLG Braunschweig setzte es nun eine Niederlage.
Der Unfallversicherer hatte nach Auffassung des Gerichts die Fristen in seiner Belehrung ordnungsgemäß benannt. So stand unter einer fett gedruckten Überschrift „Beachten Sie bitte auch die folgenden Fristen im Fall einer Invalidität“ der folgende Text:
„Der Anspruch auf Invaliditätsleistung muss innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei uns geltend gemacht werden.“
Ob der Versicherer jedoch konkret auch auf die Rechtsfolge der versäumten Frist hinweisen muss, ist in der juristischen Fachliteratur umstritten. Befürworter argumentieren, dass der Versicherungsnehmer beurteilen können muss, ob die Fristeinhaltung notwendig sei.
OLG sieht keine Hinweispflicht
Dieser Sichtweise schloss sich das OLG Braunschweig jedoch nicht an: Der Wortlaut des hier einschlägigen Paragraphen 186 VVG gebe das nicht her. Auch in der Gesetzesbegründung werde nur die Informationsobliegenheit des Versicherers erwähnt, jedoch keine Hinweispflicht bezüglich der Rechtsfolgen. Da der Gesetzesgeber an anderen Stellen des VVG eine Rechtsfolgen-Erwähnung ausdrücklich vorsieht, spreche das Fehlen in Paragraph 186 VVG gegen eine solche Erfordernis.
Auch Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern nach Auffassung des Gerichts keinen zwingenden Rechtsfolge-Hinweis. Dem Versicherungsnehmer müsse klar sein, dass ein Ignorieren von Fristen für ihn nachteilige Folgen haben, wenn er in den Versicherungsbedingungen belehrt werde, Pflichten innerhalb bestimmter Fristen nachzukommen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Versicherer von „müssen“ spricht.
Der Versicherungsnehmer hat laut dem OLG demnach keinen Anspruch auf die geforderten 10.600 Euro. Allerdings ließ das Gericht eine Revision vor den Bundesgerichtshof zu, so dass dieser höchstinstanzlich zu dieser Frage eine Entscheidung fällen kann.