Beitragsanpassungen bis zu 80 Prozent: Der Druck in der Gebäudeversicherung steigt
Mit dem Jahresendgeschäft haben Versicherungsmakler gerade eigentlich schon genug zu tun. Viele Makler müssen sich stattdessen jedoch mit verärgerten Kunden herumschlagen, die über massive Preiserhöhungen oder gar eine Kündigung ihrer Gebäudeversicherung klagen.
Zahlreiche Versicherer haben jüngst ihre Beitragsanpassungen für das kommende Jahr bekannt gegeben. Diese liegen bei vielen Anbietern zwischen 10 und 30 Prozent. Der Assekuradeur AS-Direkt informierte seine Kunden jüngst über eine Beitragsanpassung von 70 (Mehrfamilienhäuser) bzw. gar 80 Prozent (Einfamilienhäuser) – Kunden müssen im kommenden Jahr also eine Versicherungsprämie für ihr Haus zahlen, die fast doppelt so hoch liegt wie noch in diesem Jahr.
„Man muss dabei berücksichtigen, dass in den vergangenen drei Jahren die Prämien allein durch Inflation um rund 30 Prozent gestiegen sind“, bemerkt Versicherungsmakler Nico Streker. So stieg der sogenannte Anpassungsfaktor, in dem sich die höheren Arbeitskosten und Baumaterial-Preise widerspiegeln, 2023 um 14,7 Prozent, im vergangenen Jahr waren es noch 7,5 Prozent.
Teures Extremwetter
Fürs kommende Jahr liegt der Anpassungsfaktor indes nur bei rund 2,5 Prozent – als Treiber für die steigenden Versicherungsprämien fällt er somit raus. Stattdessen verhagelten in diesem Jahr mehrere Extremwetterereignisse den Versicherern das Geschäft. Bereits zur Jahresmitte bilanzierten die Versicherer Schäden in Höhe von 3,9 Milliarden Euro durch Naturgefahren. 2023 waren es 4,9 Milliarden Euro gewesen – jedoch aufs ganze Jahr gerechnet.
Jahr | Schadenaufwand durch Extremwetter (Sach - und Kfz-Versicherung) in Mrd. Euro |
2015 | 3,4 |
2016 | 3,2 |
2017 | 3,7 |
2018 | 3,7 |
2019 | 3,4 |
2020 | 2 |
2021 | 12,6 |
2022 | 4,3 |
2023 | 4,9 |
2024 (1. Halbjahr) | 3,9 |
Das Geschäft mit Gebäudeversicherungen – für viele Versicherer ohnehin schon ein Verlustgeschäft – wird durch das Übermaß an Sturm, Hagel und Regen für die Unternehmen nicht gerade attraktiver. Die Folge: hohe Beitragsanpassungen, die auch die Assekuradeure zu spüren bekommen. So begründete auch AS-Direkt seine erhebliche Prämienanpassung mit „extremen Wetterereignissen“ und sehr stark gestiegenen Kosten und schrieb als Conclusio in einem Brief an seine Kunden: „Ihr Risikoträger/ Versicherer hat sich daher für das Jahr 2025 zu einer erheblichen Beitragsanpassung von 80 Prozent entschieden.“
Als Risikoträger fungiert bei der AS-Direkt der Versicherer „Element“. Das Berliner Insurtech verweist nach procontra-Anfrage auf eine Zunahme an Elementarschäden. „Die genannten Effekte betreffen auch die Bestände von Element und haben damit Auswirkungen auf die erforderlichen Prämienanpassungen.“
Allerdings galten die Tarife von AS-Direkt in der Branche vielerorts auch als viel zu günstig tarifiert. Kommt es bei einem kleinen Versicherungsbestand dann noch zu vermehrten Schäden, beispielsweise ein Kumulereignis, sind sehr hohe Beitragsanpassungen nötig, um hier auf einen grünen Zweig zu kommen.
Bei Element scheint die Lust, im Bereich der Gebäudeversicherungen wachsen zu wollen, derzeit wenig ausgeprägt. „Gebäudeversicherungen stehen nicht im Fokus unserer Wachstumsstrategie. Wir agieren zwar weiterhin als Risikoträger, fokussieren uns dabei jedoch auf ausgewählte Segmente“, teilt eine Sprecherin mit.
Versicherer sanieren Bestände
Andere Anbieter machen derweil vorgezogenen Frühjahrsputz innerhalb ihrer Bestände. Bereits im Laufe des Jahres sorgten Bestandsbereinigungen der Alten Leipziger sowie der Axa für Schlagzeilen – zumindest in den gängigen Branchenmedien.
Zuletzt sorgte erneut die Axa für Ärger bei einigen Maklern. Das Portal „kapital-markt intern“ berichtet über seitens des Versicherers kurzfristig ausgesprochene Ablaufkündigungen einiger Verträge – hierbei geht es vorwiegend um Mehrfamilienhäuser. Eine rechtzeitige Benachrichtigung der Makler, gegebenenfalls mit der Unterbreitung von Sanierungsvorschlägen, sei unterblieben, so der Vorwurf.
Bei Mehrfamilienhäusern ist richtig Druck draufNico Streker
Gegenüber procontra erklärte der Versicherer, dass es sich hierbei nur um einen Einzelfall handelte. Liest man sich durch die Gruppen der Makler auf Facebook, drängt sich eher eine andere Einschätzung auf.
Unstrittig ist allerdings, dass es insbesondere für Mehrfamilienhäuser oder Hausverwalter zunehmend schwieriger wird, bezahlbaren Versicherungsschutz zu bekommen. „Bei Mehrfamilienhäusern ist richtig Druck drauf“, bemerkt Versicherungsmakler Streker. Neben stark erhöhten Prämien und Bestandssanierungen sei hier zu beobachten, dass sich immer mehr Versicherer aus dem Geschäft mit Hausverwaltern zurückziehen.
„Vor allem kleinere und mittelständische Hausverwaltungen bekommen immer mehr Probleme, noch eine bezahlbare Deckung zu bekommen“, so Streker. Zwar finde man derzeit noch Alternativen, jedoch nicht mehr zu den einstigen Konditionen. „Wir reden hier über Aufschläge von über 100 Prozent“, so Streker.
Die steigenden Versicherungsprämien bekommen oftmals auch die Mieter zu spüren. Schließlich können die Eigentümer die Kosten für ihre Gebäudeversicherung auf diese umlegen. Auf procontra-Nachfrage heißt es vom Mieterverein zu Hamburg, „dass sich die Versicherungskosten in den letzten Jahren teils drastisch erhöht haben“, erklärt deren Vorstand Rolf Bosse. „Es gab zum Teil eine Verdoppelung der Kosten. Das ist aber sehr verschieden, je nach Wohngebäude und Eigentümer.“ Er habe den Eindruck, dass es im Markt sehr verschiedene Angebote und auch Beratungsstrategien bei den Vermittlern gebe.
Wie sich Beitragserhöhungen dämpfen lassen
Tatsächlich stehen Vermittler einige Hebel zur Verfügung, mit denen sich das rasante Prämienwachstum zumindest abbremsen lässt. Harald Thummet, Versicherungsmakler aus dem mittelfränkischen Heroldsberg, lässt die von ihm betreuten Verträge regelmäßig gegenrechnen. „Wenn die Beiträge erhöht werden, überprüfen wir noch einmal den Tarif“, so Thummet, der einen großen Bestand an Wohngebäudepolicen betreut. Häufig stelle sich dabei heraus, dass nicht der Versicherer, sondern bloß der Tarif gewechselt werden muss, um zu einem besseren Ergebnis zu kommen.
Für mich ist das BestandssicherungHarald Tummelt
Diesen Service lässt sich Thummet einiges kosten. So bezahlt er eine Mitarbeiterin dafür, sich durch sämtliche Verträge zu arbeiten, um mögliche Leistungsverbesserungen oder Prämiensenkungen zu identifizieren und die Kunden proaktiv darüber zu informieren. Gleichzeitig senkt Thummet auf diese Weise seine eigene Provision – schließlich bemisst sich diese an der Prämienhöhe. Dafür unterstreicht er den hohen Stellenwert der Betreuung durch einen Makler. „Für mich ist das Bestandssicherung“, sagt Thummet.
Höherer Selbstbehalt bringt viel
Eine weitere Möglichkeit zur Prämienreduzierung ist die Vereinbarung eines Selbstbehalts. Eine Möglichkeit, die sich vor allem bei Häusern ohne Vorschäden anbiete. „Das kann eine Beitragsersparnis von bis zu 30 Prozent mit sich bringen“, so Streker. Mittlerweile sei zu beobachten, dass immer mehr Kunden von dieser Option Gebrauch machen. „Früher war eine Selbstbeteiligung von 250 oder 500 Euro eher die Ausnahme, heute wird sie zunehmend zum Standard“, erklärt der Lübecker Makler.
Auch im Fränkischen greift Makler Thummet immer häufiger zur Selbstbeteiligung. „Damit senken wir nicht nur potenziell die Beiträge, sondern senken auch das Kündigungsrisiko durch den Versicherer.“ Generell empfiehlt Thummet, Kleinschäden, insbesondere im Bereich Leitungswasser, nicht zu melden, da Versicherer in der Regel nach zwei Schäden eine Kündigung aussprechen. „Dann können wir auch gleich einen Selbstbehalt vereinbaren und auf diese Weise die Beiträge senken.“
Auch energetische Sanierungen am eigenen Haus oder der Einbau von Leckagesensoren können die Gebäudeversicherer zu einer niedrigeren Prämie bewegen. „Das muss man als Makler jedoch erst einmal in Erfahrung bringen“, merkt Streker an. „Schließlich erzählt einem das der Kunde ja nicht zwingend als erstes.“
Was bringt die Zukunft?
Dass die Prämienanpassungen in diesem Jahr eine Ausnahme darstellen, glaubt Streker nicht. „Die Häuser werden schließlich nicht jünger.“ Durch den fortschreitenden Klimawandel steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen weiter an. Entsprechend rechnet Streker damit, dass auch in den kommenden Jahren die Versicherungsprämien weiter steigen werden. Auch dass sich weitere Versicherer aus dem Geschäft mit Elementarschadendeckungen zurückziehen werden, sei zu befürchten.
„Ich habe die Sorge, dass immer weniger Anbieter am Markt zurückbleiben. Die Häuser werden aber nicht weniger, die müssen irgendwo versichert sein.“ Die Entwicklung erinnere zumindest an die Situation in den amerikanischen Bundesstaaten Kalifornien oder Florida, in denen sich in den vergangenen Jahren aufgrund der Schadenhäufigkeit immer mehr Versicherer zurückgezogen haben. „Amerikanische Verhältnisse haben wir noch nicht, aber die Entwicklung dahin schon.“