Zinsentwicklung: Geplatzte Sparerträume

Zinswende? Dazu wird es nicht kommen. Demografische Faktoren und hohe Staatsschulden sprechen dagegen. Wer fürs Alter vorsorgen möchte, sollte auf Sachwerte setzen.

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09:02 Uhr | 26. Februar | 2019
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Reich werden dank der Zinserträge auf dem Festgeldkonto? Dieser Traum droht zu platzen. (Symbolbild) shutterstock.com / microstock3D

Nach und nach dürften viele Sparerträume platzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es an den Geld- und Kapitalmärkten keine nennenswerte Zinswende geben. Und dann? Unverändert horten viele Bundesbürger Geld auf Sparbüchern, die null Zinsen bringen, und auf Festgeldkonten deutscher Banken, die aktuell maximal 1,35 Prozent für einen vierjähren Anlagezeitraum abwerfen. Aber auch das ist nach Abzug der Inflationsrate von 1,9 Prozent im Jahresdurchschnitt 2018 ein Verlustgeschäft. Für die Altersvorsorge entscheidend ist die Entwicklung des Realzinses, also Sparzins minus Teuerung. Ein Blick in die Statistik der Deutschen Bundesbank offenbart: Wer sein Geld bei einem Kreditinstitut anlegt, vernichtet es auf Dauer.

Böses Erwachen im Ruhestand

Die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn die Zinswende ausbleibt, dürfte daher in vielen Fällen lauten: „Aus der Traum“ vom finanziell unbeschwerten Ruhestand. Auf diese Möglichkeit sollten Finanzberater ihre Kunden bei Gelegenheit hinweisen – verbunden mit dem Angebot im Rahmen einer ganzheitlichen Finanzanalyse drohende Lücken aufzuspüren und – so gut es im Einzelfall geht – entschlossen Gegenmaßnahmen einzuleiten. Dass geplatzte Sparerträume kein Hirngespinst sein müssen, belegt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Die Forscher des arbeitgebernahen Vereins behaupten, dass niedrige Zinsen noch sehr lange ein Dauerthema bleiben. „Unsere Analysen haben ergeben, dass im Jahr 2050 der durchschnittliche langfristige Realzins in Deutschland bei 0,0 liegt“, sagt Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte, gegenüber procontra (siehe Interview). Gemeinsam mit Co-Studienautor Markus Demary hat er nicht nur auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geschaut, sondern in einer statistischen Analyse zunächst die Treiber der Realzinsen identifiziert. Meist seien das demografische Variablen wie Bevölkerungsentwicklung und Ersparnisbildung.

Der Trend zeigt abwärts

Für diese Treiber hätten die Ökonomen dannPrognosen erstellt, um festzustellen, ob die Entwicklung der Realzinsen auf eine Erholung eines Zyklus basiert oder ob sie auf einen Trend zurückzuführen ist. Die Unterscheidung ist wichtig. Innerhalb eines Trends bewegt sich das Zinsniveau in Zyklen mal rauf und mal runter. Für die langfristige Entwicklung ist die Richtung des Trends entscheidend. Und hier legen sich die Forscher fest: Beim Zinstief ist kein Ende in Sicht. Die jetzt oft beschworene Zinswende sei nur eine zyklische Aufwärtsbewegung innerhalb eines abwärts gerichteten Trends. Mit dieser Meinung sind die IW-Forscher nicht allein. Auch Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt von Feri Trust, einem Vermögensmanager mit eigenem Research, vertritt die These, dass der Zins nicht nur von den Zentralbanken gedrückt wird. „Dafür verantwortlich ist auch eine geringe Investitionsnachfrage und eine hohe Ersparnisbildung.“ Und weiter: „Die zunehmende Alterung der Gesellschaft, nicht nur in entwickelten Staaten wie Deutschland, Italien und Japan, sondern auch in Schwellenländern wie China, führe tendenziell zu vermehrter Ersparnisbildung, um die Altersvorsorge zu sichern.“ Das heißt: Noch mehr Geld fließt auf Sparbücher, in Festgeldverträge und in verzinste Wertpapiere. Weil das Interesse an diesen Produkten so groß ist, müssen – unter der Annahme sonst gleicher Bedingungen – die Banken als deren Anbieter ihren Kunden nur noch einen geringeren Zins bieten.

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Geringe Investitionsnachfrage

Der zweite Grund für ein tendenziell niedriges Zinsniveau hänge mit dem technischen Fortschritt zusammen, erklärt Angermann. „Bislang“, so der Volkswirt, „vollzieht sich der Digitalisierungsprozess mit einem relativ geringen Kapitalaufwand. Das sieht man an Apple, Google und Co., die ihre Investitionen aus eigenen Mitteln finanzieren.“ In der Folge würden die um den Globus wabernden Ersparnisse in geringerem Maße durch die Investitionsnachfrage absorbiertals in früheren Jahren. Ein weiterer Faktor sei die gestiegene Ungleichheit in der Gesellschaft. Immer mehr Geld liege in wenigen Händen. Reiche hätten aber eine geringere Konsumneigung, was das Sparangebot weiter erhöhe und den Zins tendenziell drücke.

Angermann betont aber, dass die genannten Gründe nicht langfristig wirksam bleiben müssen. Möglich sei, dass die Generation der Babyboomer, wenn sie denn mal im Ruhestand ist, die zuvor gebildeten Ersparnisse wieder auflöse, sich also Konsum gönne. Und die Digitalisierung könne irgendwann doch mit steigenden Investitionen einher gehen, zum Beispiel in den flächendeckenden Aufbau und Einsatz von Robotern. Und durch politische Entscheidungen schließlich könnte eine Umverteilung von Vermögen von Reichen zu ärmeren Menschen mit höherer Konsumneigung stattfinden.

Regierungen im Vorteil

Ob dann aber das Realzinsniveau steigt, muss weiterhin bezweifelt werden. Denn ein Grund wirkt besonders kräftig in Richtung Mini- und Nullzinsen: Die immens hohe Staatsverschuldung in großen Euro-Ländern wie Italien und Frankreich sowie in den USA, Japan und zig anderen Regionen. Auf die Bedeutung der öffentlichen Haushalte für das Zinsniveau hat procontra mehrmals hingewiesen. Denn die Staaten müssen auslaufende Anleihen am Markt refinanzieren, also den einst aufgenommenen Kredit zurückzahlen. Das geschieht fast ausschließlich durch die Aufnahme neuer Schulden. Und da ist es sehr vorteilhaft für die jeweilige Regierung, wenn das zu sehr günstigen Konditionen geschieht.

Zunehmend dürften halbwegs solide Staaten sogar Geld von Investoren bekommen, weil diese ihr Vermögen in einem der wenigen „sicheren Häfen“ parken können. Das klingt verrückt. Immer öfter ist daher auch von Vermögensverwaltern wie Manfred Rath von KSW aus Nürnberg zu hören: „Die Verschuldungsproblematik spricht eindeutig gegen steigende Zinsen. Das können sich manche Länder nicht mehr leisten.“ Und Uwe Fröhlich, Chef des Asset Managers Nuntios sieht angesichts der gewaltigen Schuldenlawine sogar „eine Finanzkrise 3.0 quasi vor der Haustür stehen“.

Was sollten langfristig orientierte Altersvorsorgesparer tun? Die Antwort: Ihr Vermögen streuen. So wenig Sparbuch und Festgeld wie nötig, und so viele Sachwerte wie Aktien (in Form von Fondssparplänen oder auch Fondspolicen) und Immobilien wie möglich. Es wird Zeit für Finanzberater, ihre Kunden darauf hinzuweisen.

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