Altersvorsorge-Pläne für Selbstständige sorgen für Ärger
Eigentlich sollte sie längst da sein: In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD und Union auf eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige geeinigt, um die Gefahr von Altersarmut zu senken. Nun, drei Jahre später, ist zumindest ein Eckpunktepapier fertig, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstellt wurde. Das Gesetzgebungsverfahren soll im Januar beginnen.
Wenn die Informationen der FAZ aus dem Eckpunktepapier richtig sind, dann müssen ab 2024 Kleinunternehmer, die bisher nicht versicherungspflichtig sind, tatsächlich in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Die Vorsorgepflicht soll für alle Selbstständigen und Freiberufler – egal ob haupt- oder nebenberuflich – gelten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens unter 35 Jahren sind. Gezahlt werden soll ab einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro der pauschale Regelbeitrag – umgerechnet wären das folglich 592,41 Euro. Sollte die Regierung den Renten-Beitragssatz bis 2024 auf 19,9 Prozent erhöhen, könnten sogar monatliche Beiträge von über 650 Euro fällig werden, schreibt die FAZ.
Kritik an Bevormundung
Entsprechend groß sind die Einwände von Seiten der Betroffenen selbst, die Rede ist von „Bevormundung“. Die allermeisten Selbstständigen seien abgesichert, halten die Interessensvertreter der Selbstständigen und Freiberufler dagegen – aber so, wie sie es für richtig halten, ohne in die gesetzliche Rentenkasse zahlen zu müssen.
„Was uns ärgert, ist die Annahme der Politik, eine Mehrheit der Selbstständigen würde nicht fürs Alter vorsorgen“, sagt Dr. Andreas Lutz, Vorsitzender der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) zu procontra. „Die allermeisten Unternehmerinnen und Unternehmer bauen mit ihren Ersparnissen Vermögen fürs Alter auf, das ist durch die drohende Belastung ab 2024 kaum noch möglich“.
Laut eines Berichts des Fernsehsenders n-tv enthalten die Eckpunkte auch die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Voraussetzung sei hier aber das Vorliegen einer Basis-Rentenversicherung, der sogenannten Rürup-Rente. Ob auch Immobilien, private Rentenversicherungen, ein Aktiendepot oder Fondsanlagen als Alterssicherung „gelten“ und zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ermächtigen, ist hingegen völlig offen.
Eine weitere Baustelle ist aus Sicht der Selbstständigen-Interessenverbände ebenso groß: Es geht um die „Statusfeststellung“, also um die Frage, wann ein Selbstständiger auch vor dem Gesetz selbstständig ist. Ist jemand, der über Jahre hinweg als Systemadministrator für einen Mittelständler arbeitet selbstständig, scheinselbstständig oder sogar angestellt? „Hier brauchen wir unbedingt Rechtssicherheit“, mahnt Lutz, „niemand will vom Selbstständigen zum Zwangsangestellten werden“.
Rentenlöcher stopfen
Liliana Gatterer vom Bund der Selbstständigen (BDS) betont im Gespräch mit procontra, dass man „prinzipiell nicht gegen Maßnahmen ist, die die soziale Sicherheit von Selbstständigen im Alter vergrößern“, aber eben nicht „unter Zwang“. Ihre Befürchtung: In Wirklichkeit ginge es vor allem darum, die sich überdeutlich abzeichnenden Löcher in der Rentenkasse zu stopfen, mit Hilfe von drei Millionen Selbstständigen und Freiberuflern. Was Gatterer zu der Frage bringt, warum dann Politiker und Beamte weiter von einer gesetzlich festgelegten Altersvorsorge ausgenommen bleiben sollen.
Um Selbstständige durch die kommende Altersvorsorge nicht in den Ruin zu stürzen, müssten Dr. Andreas Lutz zufolge jahrzehntelange Übergangsregelungen geschaffen werden. Es müsste regelmäßig eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden, ob die bisherige Altersvorsorge ausreicht. Dies würde zu einer riesigen Bürokratie führen. „Zu vermeiden gilt es auch, dass es zu überkomplexen Regelungen kommt, die mit viel Zwang, Bürokratie und Rechtsunsicherheit verbunden sind und die Selbstständigen eher von der Altersvorsorge abhalten. Die Neuregelung sollte das Ziel verfolgen, zur Altersvorsorge zu motivieren, indem sie Anreize setzt und einfach verständliche Regelungen schafft.“
Vernüpfung mit Riester-Reform
Auch aus der CDU sind bereits die ersten kritischen Stimmen zu hören. „Die Selbständigen brauchen ein attraktives Angebot zur Absicherung im Alter mit einer echten Wahlmöglichkeit. Sie dürfen nicht in die gesetzliche Rentenversicherung gezwungen werden“, mahnte CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß gegenüber der FAZ. Sich nur auf die Altersvorsorge für Selbstständige zu versteifen, geht Weiß zudem nicht weit genug. Stattdessen verlangte er einen größeren Aufschlag: „Sollten wir das Thema Rente bis zur Bundestagswahl wirklich noch einmal anpacken, muss alles auf den Tisch, auch die Reform der Riester-Rente.“ Die Riester-Reform hat mit der Altersvorsorge-Pflicht für Selbstständige zumindest eine Schnittmenge: Seit ihrer Erwähnung im Koalitionsvertrag ist nur wenig passiert.