Altersvorsorge: Warum die „halbe“ Privatrente lohnt

Die Niedrigzinsen verhageln weitgehend eine sichere Altersvorsorge mit hoher Rendite. Auch die Lebenserwartung drückt die klassische Privatrente ins Minus. Doch Finanzanalytiker Volker Looman sieht einen kleinen Ausweg: über Kapitalabfindung.

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06:06 Uhr | 25. Juni | 2020
Wenn man sich die Privatrente nicht scheibchenweise auszahlen lässt, sondern auf einen Schlag, und das Geld dann selbst verrentet, bleibt man flexibel und frei, sagt Volker Looman.

Wenn man sich die Privatrente nicht scheibchenweise auszahlen lässt, sondern auf einen Schlag, und das Geld dann selbst verrentet, bleibt man flexibel und frei, sagt Volker Looman. Bild: Pixabay / Gerd Altmann

Der Bürger muss sich in Finanzdingen vor allem auf sich selbst verlassen. Das zeigt die von der EZB initiierte künstliche Niedrigzinsphase seit über zehn Jahren. Nur durch Eigeninitiative, unterstützt durch möglichst unabhängige Berater, lässt sich der schleichenden Enteignung der Vorsorgesparer entgehen. „Spare für die Zeit im Alter, auch wenn es dafür keine Zinsen gibt“, rät Finanzanalytiker Volker Looman (procontra berichtete).

Mit dem Sparen und Absichern so früh wie möglich anzufangen, ist eine Binsenweisheit. Viele geben aber erst mit 50 oder noch später richtig Gas, sind jedoch mangels überzeugender Produktangebote verunsichert, zumal, wenn die Sicherheit der Anlage im Vordergrund stehen soll. Das Schicksal teilen sie oft mit ihren Beratern. Kapitalmarktnahe Lösungen sind nicht jedermanns Geschmack, zumal das Kapitalmarktrisiko sehr zu Lasten des Anlegers verschoben ist.

Wie der Kompromiss aussehen könnte, berichtete Looman vergangene Woche in seiner wöchentlichen FAZ-Kolumne. Ein Rechtsanwalt (50) will ab sofort 1.000 Euro pro Monat auf die Seite legen, möglichst sicher und rentabel. Beides zusammen ist kaum möglich. Looman erdet den Juristen gleich mal mit der nüchternen Einsicht, dass es „zur Arbeit und zum Sparen keine Alternativen gibt und Zins nebst Zinseszinsen die Bäume nicht in den Himmel wachsen lassen“.

Wohin mit dem Anwalts-Geld: Versorgungswerk?

Sein berufsständisches Versorgungswerk bietet dem Anwalt an, die Altersrente durch Zusatzzahlungen aufzubessern. Dafür winken ihm bei monatlichen Einzahlungen von 1.000 Euro über 17 Jahre am Ende auch 1.000 Euro Auszahlung – 18 Jahre lang, falls er die statistische Lebenserwartung erreicht. Das ergäbe nach Looman 12.000 Euro Überschuss oder umgerechnet 0,33 Prozent Zins pro Jahr.

„Das Angebot ist vor Steuern flau und bleibt auch nach Steuern mau, denn die Verzinsung steigt lediglich auf 1,1 Prozent“, stellt Looman klar. Interessant werde die Sache erst, wenn der Anwalt mindestens seinen 95. Geburtstag erreicht. Dann klettert die Rendite nach Steuern auf jährlich 2,9 Prozent. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, meist sorgt angegriffene Gesundheit schon früher dafür.

Alternative Basisrente?

Als eine Alternative bietet sich die Basisrente an, die im Alter zwingend zu verrenten ist. Das Strickmuster ist mit dem Rentensparplan des Versorgungswerkes vergleichbar. Auch die steuerlichen Konditionen sind identisch. Die Lebensversicherer bieten teilweise aber deutlich weniger als das Versorgungswerk.

Bei der Allianz sind es voraussichtlich 866 Euro Basisrente pro Monat, was nach Steuern 0,25 Prozent Rendite pro Jahr brächte. Bei der Debeka sind es 738 Euro, und beim Direktversicherer Europa 1.058 Euro. „Versorgungswerke sind besser als ihr Ruf“, stellt der Finanzanalytiker nüchtern fest.

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Privatrente mit Kapitalabfindung?

Und die Alternative? Da überrascht der eher versicherungskritische Experte seine Leser: „Wer die finanzielle Freiheit liebt, sollte die private Rentenversicherung nicht übersehen, weil sie der passende Kompromiss sein kann.“ Sie ist wie die Rente vom berufsständischen Versorgungswerk und die Basisrente ein Rentensparplan mit Einzahlungen und Rückflüssen, doch der Anleger hat beim Eintritt in den Ruhestand die Wahl:

Im zweiten Fall kommt selbst bei bei einem Direktversicherer wie Cosmos eine negative Rendite (-0,79 Prozent nach Steuern) heraus. Das ist nicht lustig. Looman plädiert daher für die „halbe“ Rentenversicherung und damit den ersten Fall: Das Guthaben wird auf einen Schlag komplett ausgezahlt (Kapitalabfindung), und anschließend verrentet der Anleger nach Gutdünken selbst.

Bei der Kapitalabfindung sind die Sparraten zwar steuerlich nicht absetzbar, und auf die Ablaufleistung fällt eine Steuer von 8.000 Euro an, sofern die Police ab 2005 abgeschlossen worden war. Das hält Looman jedoch für kaum der Rede wert, weil das Restkapital - bei der Cosmos voraussichtlich 228.000 Euro - im Ruhestand nach eigenen Vorstellungen ausgegeben oder auch vererbt werden kann.

Verrentung auf eigene Faust, aber wie?

Wenn das Geld dann auf dem Girokonto liegenbleibt, kann es bis zum 85. Geburtstag eine zinslose Monatsrente von 1.056 Euro geben. Wird das Kapital in Anleihen investiert, fällt zwar für die Zinsen Abgeltungsteuer an, doch damit sparen vermögende Privatleute sogar Geld. Noch wichtiger ist die Freiheit, mit dem Geld tun und lassen zu können, was das Herz begehrt. Noch renditeträchtiger wäre ein Investment von beispielsweise 25 oder 50 Prozent der Kapitalabfindung in Aktien-ETF (procontra berichtete). „Dazu gehört allerdings Mut, den die meisten Leute nach Ende ihrer Berufsphase nicht haben, weil Verluste sich sofort nachteilig im Lebensstandard bemerkbar machen“, weißt Looman.

Doch auch mit Anleihen scheint ihm die „halbe“ Rentenversicherung die beste Lösung zu sein: Arbeiten und Sparen im Moment, selbstbestimmte Rente und Freiheit im Alter. Schaut man sich die aktuellen Angebote an, muss man jedoch tiefergraben. Im Privatrenten-Rating (klassische Tarife) des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung schneiden nur R+V sowie Europa exzellent ab (procontra berichtete). Insgesamt sehr gut und zudem mindestens sehr gut im Teilbereich Rendite wurden Hannoversche, Continentale, Ideal, Stuttgarter und WGV eingeschätzt. Bei „neuer“ Klassik (procontra berichtete) ragte zudem noch die Allianz heraus.

Kaum Statistik zu langlaufende Privatrenten

Allerdings ist das Raster zu grob, um zu erkennen, welche Vorteile eine Kapitalabfindung gegenüber der lebenslangen Aufschubrente dieser Anbieter hätte. Da hilft die Analyse „Klassik im Vergleich“ (Map-Report Nr. 908) von 2019 (procontra berichtete). Im Musterfall brachte eine 1999 vereinbarte Privatrente nach 20 Jahren Laufzeit eine Kapitalabfindung von durchschnittlich 3,59 Prozent Beitragsrendite, nach 12 Jahren (Start 2007) 2,21 Prozent.

Die besten Ablaufwerte nach 20 Jahren schafften unter nur 15 Teilnehmern (damals war die Privatrente noch ein Nischenprodukt) der Regionalanbieter Öffentliche Lebensversicherung Braunschweig (4,17 Prozent Rendite), WGV (4,12 Prozent), Huk-Coburg (3,86 Prozent) und Stuttgarter (3,75). Der niedrigste Wert kam von der Europa (3,13 Prozent). Freilich lagen die Erträge 2008 bei weitgehend noch nicht manipulierten Märkten deutlich höher – im Schnitt bei 5,27 Prozent nach 20 Jahren und damit 168 Basispunkte höher als 2019. Beschwerden über diese politisch motivierten Eingriffe in die Altersvorsorge sollten an die EZB gerichtet und die Regierungspolitik an der Wahlurne beurteilt werden.

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