Viele Betriebsrentner zahlen vollen gesetzlichen Kranken- und Pflegebeitrag auf ihre Rente, obwohl sie schon in der Berufsphase SV-Beitrag gezahlt hatten – Stichwort Doppelverbeitragung. Bis Ende 2003 wurden gesetzlich Versicherte nur mit dem halben Beitragssatz zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen.
Der Verein der Direktversicherungsgeschädigten spricht von 7 Millionen Menschen, die von der Doppelverbeitragung betroffen seien. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Daher diskutiert die Politik seit über einem Jahr, wie man diese Ungerechtigkeit aufheben kann (procontra berichtete).
Kleinlicher Streit um Kosten über Abschaffung
Vor allem wird über die Kosten gestritten. Eine Halbierung der Beitragslast ließe sich im Prinzip aus der Portokasse bezahlen, wenn man den Aufschwung der bAV wirklich wollte. Dazu müssten die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um etwa 0,214 Prozentpunkte angehoben werden. Bei paritätischer Finanzierung wären das pro Arbeitnehmer mit 3.000 Euro Bruttolohn lediglich 0,107 Prozentpunkte oder 3,21 Euro mehr im Monat.
Mit einem Vorstoß auf dem CDU-Parteitag am 8. Dezember 2018 auf Initiative der Mittelstandsvereinigung und der Jungen Union sollte die Doppelverbeitragung geprüft und möglichst abgeschafft werden. Dann folgte auch ein Referentenentwurf von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn, den SPD-Finanzminister Olaf Scholz sofort attackierte (procontra berichtete).
Seite 1: Kleinlicher Streit um Kosten über Abschaffung Seite 2: Merkels Veto ohne jede Begründung Seite 3: Wie es nun weitergeht
Merkels Veto ohne jede Begründung
Den Vorstoß stoppte allerdings die Bundeskanzlerin in bewährter Merkel-Manier. Wie die Bild-Zeitung Mitte Februar berichtete, lehnte Angela Merkel die „Entlastung von Betriebsrentnern ab“. Das Blatt wertete dies als „Klatsche für Spahn“, der bekanntermaßen zu den Intimfeinden der Kanzlerin zählt. „Das geht nicht", sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern einer Sitzung der Unionsfraktion wörtlich.
Eine nähere Begründung ist nicht überliefert. Gedacht war die Äußerung zunächst wohl kaum für die Öffentlichkeit. Dennoch bleibt die Frage nach dem Warum. Denn sachlich spricht alles für ein Ende der Doppelverbeitragung, soll es zur Stärkung der bAV kommen – wie im Koalitionsvertrag vereinbart.
Bayern kontert mit Antrag im Bundesrat
Kein Wunder, dass andere Politiker Spahn hier in der Sache beispringen. Zuletzt geschehen kurz nach dem Merkel-Veto. Über eine Entschließung im Bundesrat forderte das Land Bayern die Bundesregierung am 15. Februar auf zu prüfen, wie die bisherige Praxis der Beitragserhebung in der GKV beendet werden kann.
Zu überlegen ist nach Ansicht Bayerns insbesondere, ob die GKV-Beiträge in der Auszahlungsphase halbiert werden können und die Umwandlung der bisherigen Freigrenze von rund 152 Euro pro Monat für kleine Betriebsrenten in einen Freibetrag möglich ist. Außerdem soll die Bundesregierung prüfen, wie die GKV die Mindereinnahmen kompensieren könnte. Denkbar sei, dass der Ausgleich über einen höheren steuerfinanzierten Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds erfolgt.
Seite 1: Kleinlicher Streit um Kosten über Abschaffung Seite 2: Merkels Veto ohne jede Begründung Seite 3: Wie es nun weitergeht
Wie es nun weitergeht
Sobald die Bundesratsausschüsse ihre Beratungen zur Vorlage abgeschlossen haben, kommt sie zur Beschlussfassung erneut auf die Tagesordnung. Nächste Bundesratssitzung ist am 15. März. Die endlose Geschichte zum Ende der Doppelverbeitragung geht also trotz Merkel-Machtwort weiter.
Zustimmung zu dem Bayern-Vorstoß im Bundesrat kommt auch von der SPD. Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, bekräftigte, dass der Beitragssatz halbiert und ein Freibetrag eingeführt werden müsse. „Dieses Vorhaben ist angesichts der guten finanziellen Situation der Krankenkassen auch kurzfristig umsetzbar“, sagt die ehemalige Hausärztin und heutige Obfrau im Gesundheitsausschuss des Bundestages.
Gesundheits- und Arbeitsminister dafür
Bei einem Spitzentreffen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften zum Sozialpartnermodell am 20. Februar machte nun auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen eigenen Finanzierungsvorschlag für eine abgemilderte Doppelverbeitragung. Seine angedachte Grundrente, von der etwa drei bis vier Millionen Menschen profitieren könnten, würde zu deutlich höheren Einnahmen in der GKV führen. Damit ließen sich Einnahmeausfälle der Kassen durch das Ende der Doppelverbeitragung kompensieren.
Seite 1: Kleinlicher Streit um Kosten über Abschaffung Seite 2: Merkels Veto ohne jede Begründung Seite 3: Wie es nun weitergeht