BdV schießt gegen Geschäftspolitik der Allianz

Den Neugeschäftsstopp der Presse-Pensionskasse sowie den Verkauf von LV-Beständen in Belgien und Großbritannien wertet der BdV als Zeichen einer neuen Geschäftspolitik, die Aktionäre bevorteile. Die Allianz weist dies entschieden zurück und betont: Deutsche Lebensversicherungsbestände werden nicht verkauft.

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12:08 Uhr | 27. August | 2020
Allianz

Bei der Allianz steht ein Verkauf von Lebensversicherungsverträgen nicht zur Diskussion heißt es von Unternehmensseite. Bild: Allianz

Stellt die Allianz die Interessen ihrer Kunden hinter die ihrer Aktionäre? Diesen Vorwurf erhebt zumindest der Bund der Versicherten und bezieht sich dabei auf die jüngst bekannt gewordene Einstellung des Neugeschäfts bei der Presse-Pensionskasse, die zur Allianz-Pensionskasse-AG gehört, sowie den Verkauf belgischer sowie britischer Lebensversicherungsverträge an externe Run-off-Gesellschaften. „Der deutsche Branchenführer gibt das Signal zum Abwickeln und Abverkauf der Lebensversicherung“, mahnt BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein vor einem drohenden Trend.  

Die Einstellung des Neugeschäfts bei der Presse-Pensionskasse hatte die Allianz mit dem aktuellen Niedrigzinsumfeld begründet, das sich insbesondere auf jüngere Kapitalanlagebestände auswirke. So liege die Gesamtverzinsung für das Vorsorgekonzept Perspektive der Presse-Pensionskasse derzeit bei gerade einmal 1,2 Prozent. Eine Einstellung des Pensionskassenneugeschäft für andere Branchen verneinte ein Allianz-Sprecher gegenüber procontra: „Die Spekulation, dass diese Entscheidung auch die Allianz Pensionskasse betrifft, kann ich nicht nachvollziehen und nicht bestätigen.“  

Beim BdV wertet man die Einstellung des Neugeschäfts allerdings als Zeichen einer neuen Geschäftspolitik, die sich in erster Linie an den Aktionärsinteressen orientiere. „Wenn die Versicherten aus dem Blickfeld geraten, dann gewinnen die Aktionäre an Bedeutung“, so Kleinlein. Dies werden alleine schon an den hohen Dividenden und den niedrigen Überschussbeteiligungen deutlich. „Für die Allianz sind die Versicherten im Presseversorgungswerk anscheinend nur noch unbequemes Beiwerk“, so Kleinlein.  

Allianz reagiert mit Unverständnis

Bei der Allianz reagiert man auf die Kritik des BdV mit Unverständnis. „Der Verkauf von deutschen Lebensversicherungsbeständen der Allianz steht nicht zur Diskussion“, bekräftigte ein Unternehmenssprecher gegenüber procontra. Die Allianz Leben habe bereits vor zehn Jahren begonnen, Produkte mit neuen Garantiekonzepte zu entwickeln, „die sowohl die Interessen der Kunden und Vorsorgesparer in einem Niedrig- und Nullzinsumfeld aufgreifen als auch die kollektive Risikotragfähigkeit stärken“.  

Im Hinblick auf den Neugeschäftsstopp bei der Presse-Pensionskasse erklärte der Sprecher, die Kunden würden ohnehin seit längerem dazu tendieren, neue Verträge als Direktversicherung anzulegen. Diese böten bei gleichen steuerlichen Rahmenbedingungen eine deutlich attraktivere Lösung für den Aufbau einer Altersversorgung.  

Das Thema Run-Off erhitzt bereits seit einigen Jahren die Gemüter. Vor allem der Verkauf der Generali Lebensversicherung mit insgesamt 3,8 Millionen Verträgen an den Bestandsabwickler Viridium hatte hohe Wellen geschlagen, die weit über die gängigen Branchenmedien hinausgingen. Die mediale Resonanz dürfte weitere Versicherer abgeschreckt haben, ihre Lebensversicherungsbestände zu verkaufen – in den vergangenen Jahren blieb es weitestgehend ruhig, doch die gängigen Anbieter rechnen fest mit weiteren Transaktionen in den kommenden Jahren, wie Dr. Christian Thimann, CEO-des Run-off-Anbieters Athora im Gespräch mit procontra bekräftigte.  

Bundesregierung verneint Sonderkündigungsrecht

Vor allem die Corona-Krise könnte den externen Rin-off von Beständen für Lebensversicherer attraktiver machen. „Versicherungskrisen laufen in Zeitlupe ab, und die Corona-Krise tut ihr Übriges. Für viele Versicherer war im Umfeld der Niedrigzinsen die Erhöhung der Aktienquote eine Option – und die hat sich jetzt teilweise in Luft aufgelöst. Die Spannung am Markt setzt Versicherer, die über Altbestände mit Garantieversprechen verfügen, also noch weiter unter Druck“, so Thimann.    

Im Rahmen der Run-Off-Debatte hatten sich Verbraucherschützer, Vermittlerverbände sowie einzelne Parteien (FDP, Bündnis 90/ Die Grünen) für eine Stärkung der Kundenrechte stark gemacht – unter anderem war ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht für Versicherte ins Spiel gebracht worden. Einen solchen Vorschlag hatte die Bundesregierung jedoch zurückgewiesen. „Ein außerordentliches Wechsel- und Kündigungsrecht könnte für die Versicherten, die im Unternehmen bleiben, erhebliche Nachteile nach sich ziehen“, wies das Bundesfinanzministerium einen gemeinsamen Vorstoß von BdV  und des Vermittlerverbands AfW zurück. Auch Oliver Drewes, Geschäftsführer des Hamburger Maklerpools maxpool hatte sich im Gespräch mit procontra deutlich für ein Eingreifen des Gesetzgebers ausgesprochen und gefordert, das Run-off-Modell insgesamt zu verbieten. Stattdessen gelte es, das altbekannte Modell von Protektor als Auffangmedium für notleidende Lebensversicherer zu modifizieren und fördern.