Betriebsrente: Wie Versorgungswerke dem Niedrigzins trotzen

In einem Versorgungswerk bündeln mehrere Unternehmen die betriebliche Altersversorgung (bAV) für ihre Mitarbeiter. Das verbessert die Konditionen und wirkt sich positiv auf die Gesamtverzinsung aus. Wie drei namhafte Versorgungswerke abschneiden.

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08:02 Uhr | 28. Februar | 2020
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Metallrente-Chef Heribert Karch hält nichts davon, immer neue Vorsorge-Ideen in die öffentliche Debatte zu werfen – heißen sie nun Starter-Kit, Deutschlandrente, Extrarente oder Bürgerfonds. Bild: Pohl

Im Einkauf liegt bekanntlich der Gewinn. Das gilt auch für betriebliche Versorgungswerke, in denen viele Firmen die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter organisieren. Dies lässt sich unter dem Dach eines Tarifvertrags leicht bewerkstelligen. Von den Konditionen profitiert jeder Beschäftigte sowie in der Regel auch dessen Familienangehörige (procontra berichtete).

Eigenbeiträge des Arbeitnehmers zur bAV fördert der Staat seit 2002 im Rahmen der Entgeltumwandlung. Zu dieser Zeit entstanden auch die heute großen Versorgungswerke wie Metallrente für alle Beschäftigten Metall- und Elektronikindustrie und die Klinikrente für Mitarbeiter von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Andere berufsständische Versorgungswerke wie zum Beispiel für Apotheker, Ärzte oder Juristen, haben ihre solidarischen Versicherungseinrichtungen ebenfalls um die Altersvorsorge erweitert.

Metallrente hat die größte Einkaufsmacht

Die größte Einkaufsmacht hat die Metallrente, bei der die Gewerkschaft IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall gleichberechtigte Alleingesellschafter sind. Heute organisieren über 46.000 Firmenkunden mit mehr als 786.000 Verträgen (2019: + 86.400), die 2019 erstmals über 100 Millionen Euro jährlichen Neubeitrag beigesteuert haben, ihre bAV über die Metallrente GmbH.

Das größte industrielle Vorsorgewerk in Deutschland verzeichnet ein Wachstum im Bestand für Verträge zur kapitalgedeckten Altersversorgung von zehn Prozent. Damit die Risiken eines so großen Kollektivs auf mehrere Schultern verteilt werden, arbeitet das Versorgungswerk mit einem Konsortium an Versicherern zusammen, aktuell mit Allianz, Ergo, R+V und Swiss Life, deren Produkte auch Makler vermitteln.

Gerade der Metall-Pensionsfonds überzeuge dank moderner Kapitalanlage und guter Verzinsung. Der Zuwachs lag 2019 mit über 14.400 Neuverträgen 36 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Die jährliche Performance von 5,9 Prozent (Anlagestrategie Dynamik) seit Auflage 2003 zeige, dass „Sparbuch, Tages- oder Festgeld keine Alternativen mehr sind für alle, die verlässlich für ihr Alter vorsorgen wollen“, erklärt Metallrente-Geschäftsführer Heribert Karch.

Die bAV erziele aufgrund ihrer Kombination von tarifvertraglichen Leistungen, Arbeitgeberzuschüssen und staatlicher Förderung eine attraktive Rendite. „Wenig hilfreich ist es dagegen, immer neue Vorsorge-Ideen und Formenspielereien in die öffentliche Debatte zu werfen – heißen sie nun Starter-Kit, Deutschlandrente, Extrarente oder Bürgerfonds“, kritisierte Karch (procontra berichtete).

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Klinikrente setzt auf ähnliche Konsorten

Die Klinikrente verzeichnete 2019 einen Zuwachs von zehn Prozent an Vorsorgeverträgen (+ 16.600). Inzwischen organisieren rund 4.400 Gesundheitsfirmen (+ 480) ihre bAV über die Klinikrente. Der laufende bAV-Gesamtbetrag hat sich 2019 auf rund 117 Millionen Euro erhöht. Neben großen Kliniken sind darunter auch immer mehr mittlere und kleine Unternehmen. Seit Anfang 2019 ist das Versorgungswerk für Unternehmen ab 10 Beschäftigte zugänglich.

Seit kurzem gilt das neue Gesetz zur Entlastung der Betriebsrentner. An die Stelle der bisherigen Freigrenze für die Krankenversicherung der Rentner tritt nun ein Freibetrag (procontra berichtete). „Dadurch werden vor allem kleine und mittlere Betriebsrenten stark entlastet“, sagt Klinikrente-Geschäftsführer Hubertus Mund, der sich dadurch neue Impulse im bAV-Geschäft erhofft.

Stabilität ist eines der wesentlichen Entscheidungskriterien von Unternehmen bei der Auswahl eines Vertragspartners, so Mund. Das Konsortium von Klinikrente verbinde die Risikoträger Allianz, Condor, Deutsche Ärzteversicherung, R+V und Swiss Life. In Zeiten von Null- und Negativzinsen deklariert Klinikrente 2020 mit bis zu 3,15 Prozent Gesamtverzinsung wieder eine sichere finanzielle Absicherung – mit zukunftsfähigen Produkten bei ausgewiesener Finanzstärke der beteiligten Konsorten.

Spannende Kapitalanlage bei Ärzteversorgung 

Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL) hat noch keinen Geschäftsbericht 2019 vorgelegt. Bei Vorstellung der Bilanz 2018 im vergangenen Herbst nannte Ingo Flenker, Vorsitzender des Verwaltungsausschusses, 4,3 Prozent erreichte Nettokapitalrendite. Er kritisierte, dass die Notenbanken „das Investieren zu einer ambitionierten Gratwanderung gemacht haben“. Immerhin muss die ÄVWL ihren Mitgliedern noch immer 4,0 Prozent Rechnungszins erwirtschaften. Hinzu komme, dass die Renten zum 1. Januar 2020 im Versorgungswerk um mindestens 1,0 Prozent angehoben wurden. Dazu wurden die Reserven seit 2009 fast verachtfacht – auf heute 19,4 Prozent der Deckungsrückstellung.

Das Anlageergebnis könne schon lange nicht mehr mit Staatsanleihen oder Pfandbriefen erreicht werden, sagte ÄVWL-Hauptgeschäftsführer Christian Mosel. Deshalb setze man insbesondere auf den Aufbau neuer Anlageklassen mit höheren Ertrags-/Risikopotenzialen sowie auf eine entsprechende Diversifikation. Zur Palette der Investitionen gehöre der Onshore-Windpark „Nordlicht“ in Nordnorwegen ebenso wie der Erwerb des Olympus Campus in Hamburg sowie die Investition in das Kölner Gerling-Quartier.

Mosel hob ein Projekt besonders hervor: die Refinanzierung der Straßenbahnlinie 1 in Saragossa. Hierbei handele es sich um eine 12,8 Kilometer lange Trasse mit 25 Stationen, die die Stadt im Nordosten Spaniens vom nördlichsten bis zum südlichsten Punkt durchquert. Das Projekt gelte als wesentlicher Bestandteil des Planes für nachhaltige Mobilität der Stadt. Es gehe mit solchen ÄVWL-Projekten „gleichermaßen um Rentabilität und Nachhaltigkeit“.

Für wesentlich hält Mosel die regelmäßige Durchführung von sogenannten Asset-Liability-Studien. Hiermit sei eine in die Zukunft gerichtete Abstimmung der Vermögensanlage mit den Verpflichtungen hinsichtlich Rendite-, Risiko-, Laufzeit und Liquiditätsstruktur gemeint. Daran hat es bei einigen bAV-Einrichtungen in der jüngeren Vergangenheit offenbar gehapert (procontra berichtete).

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