Nur noch wenige Tage bis zum Brexit: Am 29. März verlässt Großbritannien die EU – zumindest theoretisch. Denn praktisch ist der Austrittszeitpunkt noch gar nicht bekannt. Je nach dem, ob es noch zu einem Vertrag über einen geregelten Brexit kommt (weicher Brexit) oder nicht (harter Brexit), dürften noch bis zu knapp zwei Jahre vergehen.
Wie auch immer: Mit dem Brexit wird das Vereinigte Königreich auch aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ausscheiden und künftig in steuerlicher und finanzmarktrechtlicher Hinsicht als Drittstaat zu behandeln sein. Dies bringt eine Fülle praktischer Probleme mit sich. Beispiel Versicherungen: Britische Versicherungsgesellschaften dürften deutsche Kunden danach eigentlich nicht mehr betreuen und Policen hierzulande nicht mehr vertreiben.
Übergangsfristen für deutsche Kunden und Vertriebe
Um solche Probleme zu entschärfen, hat der Bundestag am 21. Februar 2019 das „Gesetz über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union“ – kurz Brexit-Steuerbegleitgesetz – beschlossen. Folge: Britische Gesellschaften dürfen deutsche Kunden selbst nach einem harten Brexit nach dem 29. März weiter betreuen und Versicherungen vertreiben – wenn auch nur befristet für weitere 21 Monate.
Ohne dieses Gesetz wäre die Beratung deutscher Kunden durch britische Versicherer in gut drei Wochen abgerissen beziehungsweise illegal geworden. Denn Drittstaaten verfügen nicht über Passporting-Rechte für den Vertrieb von Versicherungen in Deutschland. Viele Anbieter haben die Bestände daher schon auf eine Gesellschaft in einem EU-Land übertragen – aber nicht alle.
Seite 1: Übergangsregelung für britische VersichererSeite 2: Beispiel Standard Life
Beispiel Standard Life: Die Geschäfte mit den europäischen Kunden und Vertriebspartnern werden künftig über eine in der EU registrierte Tochtergesellschaft fortgesetzt - eine Niederlassung in Dublin. Die Tochterunternehmen von Standard Life International wird nach dem Brexit auf dem deutschen Markt aktiv sein.
„Unsere Kunden werden durch aufsichtsrechtliche Vorschriften zum Insolvenzschutz auch nach der Übertragung des Geschäfts auf die Standard Life International geschützt", betont Christian Nuschele. „Diese Vorschriften beruhen auf einer EU-Richtlinie, die mit den in Deutschland geltenden Vorschriften vergleichbar sind", so der Vertriebsleiter Standard Life Deutschland und Österreich.
21 Monate Schonfrist
Generell gilt: Versicherungsverträge mit einer Gesellschaft mit Sitz auf der Insel bleiben auch nach dem Brexit gültig. Unsicher ist aber, ob die Versicherer wegen fehlender Erlaubnis hierzulande für ihre Kunden und mit den Vermittlern tätig bleiben können. Für weitere 21 Monate ist dies nun möglich.
Das Brexit-Steuerbegleitgesetz erlaubt der Finanzaufsichtsbehörde Bafin anzuordnen, dass die Paragrafen 61 bis 66 sowie 169 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) weiter gelten. Speziell regelt die Übergangssituation der neue Paragraf 66a Absatz 1 VAG; für 34f-Vermittler ist der neue Paragraf 53b Absatz 12 Kreditwesengesetz einschlägig.
Schutz für Leben-Policen nur bei Niederlassung in EU-Staat
Dieselben Übergangsfristen gelten auch für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben. Damit sollte britischen und deutschen Versicherern sowie den Vertrieben genügend Zeit bleiben, den Versicherungsschutz beizubehalten beziehungsweise im Notfall umzudecken.
Bei Lebensversicherungsverträgen, die noch viele Jahre laufen, ist Umdeckung jedoch zumeist ein schlechtes Geschäft für den Kunden. Hierzu regelt das Brexit-Steuerbegleitgesetz nichts. Allerdings haben Lebensversicherer wie Standard Life, Clerical Medical und Friends Provident die Verträge deutscher Kunden bereits auf Gesellschaften in einem EU-Land übertragen. Damit ist deren Geschäftsverkehr mit Deutschland auch nach dem Brexit gesichert. Es ist damit zu rechnen, dass auch alle anderen Anbieter diesen Weg gehen werden.
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