Funktionsinvaliditätsversicherung: Verwirrender Finanztest

Funktionsinvaliditätsversicherungen versuchen sich unterhalb der BU-Versicherung als spezielle Einkommenssicherung zu etablieren. Die Stiftung Warentest hat zehn Tarife von sieben Anbietern untersucht, aber keine Qualitätsurteile vergeben.

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12:08 Uhr | 05. August | 2020
Die Hürden, Leistungen zu erhalten, sind bei Funktionsinvaliditätspolicen „sehr hoch“, schreibt die Stiftung Warentest (Gebäude im Bild). Finanztest bleibt einen harten Preis-Leistungsvergleich schuldig.

Die Hürden, Leistungen zu erhalten, sind bei Funktionsinvaliditätspolicen „sehr hoch“, schreibt die Stiftung Warentest (Gebäude im Bild). Finanztest bleibt einen harten Preis-Leistungsvergleich schuldig. Bild: Stiftung Warentest

In den letzten Jahren ist das Angebot an Versicherungen zur Einkommenssicherung unterhalb der umfassenden BU-Versicherung deutlich angewachsen, darunter zur Grundfähigkeitsversicherung (procontra berichtete). Ein Grund: Die BU-Versicherung ist für viele Berufe sehr teuer oder wegen Vorerkrankungen nur schwer in vollem Umfang zu bekommen. Bei Grundfähigkeitspolicen ist jedoch die Qualitätsbewertung schwierig, weil sich bei den Leistungsauslösern noch keine einheitlichen Regelungen durchgesetzt haben (procontra berichtete).

Daher durfte man auch auf die Untersuchung zu Funktionsinvaliditätsversicherungen (FIV) gespannt sein, die die Stiftung Warentest jetzt in der August-Ausgabe der Zeitschrift Finanztest publiziert hat. Untersucht wurden allerdings nur 10 Tarife von sieben Gesellschaften. Insgesamt bieten rund 20 Gesellschaften eine FIV an.

Die Versicherung beinhaltet zum Teil Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung, einer Grundfähigkeitsversicherung und einer Schwere-Krankheiten-Versicherung. Sie leistet, wenn der Versicherte durch einen Unfall oder durch eine Krankheit pflegebedürftig wird, schwere Schäden an inneren Organen erleidet oder wichtige körperliche Grundfähigkeiten verliert. Die Rentenzahlung findet normalerweise erst statt, wenn die Schäden einen bestimmten Schweregrad erreichen und nicht heilbar sind.

Kein Test-Urteil, nur wenige Kriterien

Leider hat Finanztest kein hartes Test-Urteil abgegeben – wie schon kürzlich bei Grundfähigkeitsversicherungen und bei Cyberversicherungen für Privatkunden (procontra berichtete). Was für guten FIV-Schutz versichert sein muss, macht die Stiftung Warentest an diesen Kriterien fest:

Die sonstigen Anforderungen sind: Nachversicherungsgarantie, Leistungsdynamik, Verzicht zur Meldung bei verbesserter Gesundheit sowie eine günstige Kündigungsregelung (Versicherer verzichtet auf sein ordentliches Kündigungsrecht). Dass womöglich unterschiedliche Wartezeiten nach Vertragsbeginn erreicht sein müssen, ehe Anspruch auf Leistung besteht, wird in der Untersuchung nicht deutlich.

Die Beiträge haben die Tester an vier Beispielkunden unterschiedlicher Berufe verglichen (Controller, Industriemechaniker, Musiker, Fliesenleger). Das ist noch nachvollziehbar, da diese Berufsgruppen häufig keinen oder nur teuren BU-Schutz bekommen würden. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, warum bei diesen Modellkunden unterschiedliche Eintrittsalter (zwischen 25 bis 30 Jahren) und unterschiedliche Monatsrenten (zwischen 1.500 bis 2.000 Euro) zugrunde gelegt wurden.

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Kaum „Empfehlenswerte Tarife"

Dies erschwert einen Vergleich, zumal auch die Jahresbeiträge beim selben Modellkunden je nach Tarif um teilweise 300 Euro auseinander liegen. Kein Wunder: Die Tester haben in der Tabellenübersicht nicht nur unterschiedliche Leistungen wie Kapitalleistung, Rente oder lebenslange Rente in einen Topf geworfen, sondern auch die unterschiedliche Kalkulation der Anbieter nicht klar genug herausgearbeitet.

Hintergrund: Da Arag, die Bayerische und Janitos den Beitrag ohne Alterungsrückstellungen kalkulieren, sind sie aktuell ziemlich preisgünstig, doch der Kunde muss mit zunehmendem Alter immer mehr bezahlen. Bei Axa, Barmenia, Signal Iduna und Sparkassenversicherung Stuttgart sind die Preise dagegen gleichbleibend kalkuliert und sollten nicht steigen (SV hat aber 5 Prozent Pflicht-Dynamik eingebaut).

Das dürfte die Vergabe von Testurteilen sehr schwierig gemacht haben. Tatsächlich gab es nur Empfehlungen auf Tarife, die „guten Schutz zu einem guten Preis“ bieten. Diese zwei Produkte kommen beide von der Barmenia und wurden als „empfehlenswert“ eingestuft: „Opti5Rente Top-Schutz“ und „Opti5Rente Premium-Schutz“.

Teilweise andere Favoriten bei VEMA-Umfrage

Bei einer VEMA-Befragung unter 884 Maklern 2019 wurden diese drei Anbieter der FIV für das Neugeschäft am häufigsten genannt: Janitos (23,2 Prozent der abgegebenen Nennungen), Barmenia (22,8 Prozent) und Axa (16,1 Prozent). Bei der Qualität taten sich aus Sicht der VEMA-Partner besonders hervor: Prisma Life, Bayerische Beamten, Barmenia, BGV/LV 1871 und Interlloyd.

Der Reiz der FIV für den Vermittler besteht darin, dass er verschiedene biometrische Risiken des Kunden in nur einem Vertrag, von nur einem Anbieter, mit nur einem Bedingungswerk und ohne die gefürchteten Ausschnitts- oder Mehrfachversicherungen anbieten kann. Die Qual vor der Wahl besteht für den Makler darin, die Bedingungswerke solcher Multirisk-Policen mit denen der Einzelversicherungen zu vergleichen. Erst dann schafft er die Haftungsminimierung, die die Produktanbieter in Aussicht stellen.

Dem Kunden sind nicht nur die unterschiedliche Kalkulation und deren Folgen zu offenbaren, sondern auch die hohen Hürden, um Leistung zu bekommen. Geld gibt es „nur bei irreversiblen, erheblichen und dauerhaften Beeinträchtigungen, die voraussichtlich mindestens drei Jahre anhalten“, schreibt Finanztest. So müssen mehrere motorische Fähigkeiten (dazu zählen Arme, Hand, Gehen, Heben und Tragen, Sitzen, Stehen, Treppensteigen) verlorengehen, ehe Geld fließt.

BaFin-Konsultation zur FIV auch für Makler wichtig

Der Finanzaufsicht BaFin konsultiert derzeit die Versicherer, die eine FIV als Schaden-/Unfallversicherung anbieten, also die Beiträge ohne Altersrückstellungen kalkulieren. Der BaFin geht es zum einen um die passende Zuordnung der FIV - zur Schaden-/Unfallversicherung oder zur Personenversicherung. Zum anderen geht es um die richtige Kalkulation und Information der Kunden. Die BaFin pocht darauf, dass es bei konstanten Beiträgen Rückstellungen geben muss und zudem besondere Kündigungsschutzrechte bestehen.

Vermittler müssten Kunden „klar“ darüber informieren, dass es sich bei dem Vertrag um keine BU-Versicherung handelt. Außerdem gehörten die Beitragsanpassungsrechte des Versicherers, der Ausschluss solcher Beitragsanpassungen im Fall von Kalkulationsfehlern des Versicherers, die ordentlichen und außerordentlichen Kündigungsrechte des Versicherers sowie der Ausschluss des Kündigungsrechts des Versicherers wegen für ihn erkennbaren Kalkulationsfehlern bei der Erst- oder Neukalkulation des Vertrags zum Beratungsumfang.

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