Grüne: Bürgerversicherung soll kommen, PKV aber bleiben
Dass die Grünen für die Ablösung des dualen Gesundheitssystems durch eine Bürgerversicherung plädieren, ist keine Überraschung. Entsprechend hatte sich die Partei in ihrem jüngst vorgelegten Entwurf für ihr Bundestagswahlprogramm geäußert. Hier heißt es:
„Gesetzlich Versicherte warten länger auf Termine bei Fachärzt*innen, und viele privat Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten. Von dieser Zwei-Klassen-Medizin profitieren wenige, zum Nachteil vieler. Unser Ziel ist eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung, in der jede*r unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommt, die er oder sie braucht.“
Die Einführung einer Bürgerversicherung würde jedoch das Ende der privaten Krankenversicherung bedeuten. Eine Beschränkung auf das Geschäft mit Zusatzversicherungen dürfte, so die Einschätzung vieler Experten, „existenzbedrohend“ sein. Demzufolge verweisen Kritiker der Bürgerversicherung gerne auf verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere die Berufsfreiheit der privaten Versicherungsunternehmen gemäß Paragraph 12, Absatz 1 Grundgesetz.
Die Grünen wollen nun einen anderen Weg einschlagen und haben durch ihre Bundestagsfraktion ein entsprechendes Positionspapier vorgestellt.
Die Probleme
Verbesserungspotential gibt es aus Sicht der Grünen sowohl in der privaten als auch in der gesetzlichen Krankenkasse. In der GKV rechnen die Grünen mit weiteren Beitragssteigerungen, da die Finanzierung nicht gerecht gehandhabt werde. Kritisiert wird hier unter anderem die bestehende Beitragsbemessungsgrenze sowie die Tatsache, dass nur das Erwerbseinkommen der Beschäftigten Grundlage für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist, andere Einkommensarten, wie Aktiengewinne, nicht einbezogen werden. Zumal fehle es den Versicherten an der notwendigen Qualitätstransparenz, um eine informierte Entscheidung für eine bestimmte Krankenkasse treffen zu können.
In der PKV kritisieren die Grünen unter anderem die „stark steigenden Prämien“ für etliche Versicherte. Dies würde insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen wie manche Solo-Selbstständige, Beamte mit niedrigen Besoldungsstufen und Rentner belasten. „Vielen Versicherten bleibt dann bislang nicht viel anderes übrig, als ihre Selbstbeteiligung zu erhöhen oder in einen billigeren Tarif mit weniger Leistungen zu wechseln“, heißt es im Beschluss der Bundestagsfraktion. Dies würde gerade im Alter, wenn chronische Erkrankungen zunähmen, zum Problem.
Zudem würden viele Versicherte in qualitativ schlechten Tarifen feststecken, da sie schlecht beraten worden seien. „Die Versicherten sind bislang weitgehend schutzlos dem Marketing der Unternehmen und den Maklerversprechungen ausgeliefert“, setzen die Grünen hier einen Seitenhieb gegen die Vermittlerschaft. Auch im Programmentwurf zur Bundestagswahl war indirekt Kritik an Finanzanlagen- bzw. Versicherungsvermittlern geäußert worden: Die Partei sprach sich für eine Umstellung von der Provisions- auf die Honorarvermittlung aus, da vielen Kunden immer noch zu teure, zu riskante oder schlicht und einfach ungeeignete Produkte vermittelt würden.
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Um diese Probleme zu überwinden, plädieren die Grünen – wie schon im Programmentwurf – für die Einführung einer Bürgerversicherung. Allerdings sollen die privaten Krankenversicherungen weiter bestehen bleiben und nicht nur auf das Geschäft mit Krankenzusatzversicherungen beschränkt werden.
Allerdings sollen auch die privat Versicherten in Zukunft einen einkommensabhängigen Beitrag zahlen, der in den Gesundheitsfonds fließt. Im Gegenzug sollen sie jedoch einen Zuschuss aus dem Fonds bekommen, den sie zur Bezahlung ihrer Versicherungsprämien verwenden können. „Er entspricht in der Höhe etwa der Zuweisung, die gesetzliche Krankenkassen für vergleichbare Versicherte aus dem Gesundheitsfonds erhalten“, heißt es im Beschluss. Profitieren sollen hiervon vor allem Versicherte mit chronischen Erkrankungen, Geringverdiener und ältere Versicherte. Zielgruppen also, „die besonders auf eine bezahlbare Krankenversicherung und gesellschaftlichen Zusammenhalt angewiesen sind“.
Alle Einkommen einbeziehen
Grundlage für die Berechnung bietet dabei nicht mehr allein das Erwerbseinkommen, sondern auch andere Einkommensarten, wie Mieterträge oder Aktiengewinne. „Die Einbeziehung anderer Einkunftsarten ist nicht nur fair, sie trägt auch dazu bei, die finanzielle Stabilität unseres Krankenversicherungssystems zu erhöhen und die einseitige Belastung von Löhnen und Gehältern zu reduzieren“, so die Überzeugung der grünen Bundestagsfraktion. Auf einen stetig wachsenden Steuerzuschuss dürfe man sich zudem nicht verlassen.
Kleinsparer sollen jedoch aus Sicht der Partei geschont werden: So plädieren die Grünen für die Einführung eines Freibetrags auf Kapitaleinkommen – wie hoch dieser ausfallen soll, darüber trifft der Beschluss allerdings keine Aussage.
Zudem sollen Versicherte leichter ihre Krankenversicherung wechseln dürfen – der Wechsel in die GKV soll aus Sicht der Grünen ebenfalls erleichtert werden. Hierbei sollen die Versicherten auch die individualisierbaren Bestandteile ihrer Altersrückstellung in die gesetzliche Krankenversicherung mitnehmen können – dies soll auch bei einem Wechsel zu einem anderen privaten Krankenversicherer möglich sein. Hiervon verspricht sich die Partei eine Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Anbietern, was sich letztlich in einer qualitativen besseren Versorgung für die Versicherten niederschlagen soll.
Den Beschluss der Bundestagsfraktion der Grünen finden Sie hier.
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