Hochwasser: Unbenannte Gefahren können über Schadenzahlungen entscheiden
procontra: Einmal kurz erklärt: Was sind Unbenannte Gefahren und bei welchen Versicherungen spielen sie eine Rolle?
Achim Finke: Unbenannte Gefahren ist ein Einschluss, der Lücken im Versicherungsschutz schließen soll, als Ergänzung zu den definierten Gefahren. Daher sollte man immer alle möglichen Absicherungsbausteine im Versicherungsschutz implementieren. Eine übliche Definition dafür ist:
Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch eine plötzliche, unvorhergesehene, von außen einwirkende Ursache zerstört oder beschädigt werden beziehungsweise Infolge eines versicherten Schadenereignisses abhandenkommen.
Unvorhergesehen sind Schäden, die der Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten weder rechtzeitig vorhergesehen haben noch mit dem für die im Betrieb ausgeübten Tätigkeit erforderlichen Fachwissen ohne grobe Fahrlässigkeit hätte vorhersehen können.
Der Einschluss unbenannte Gefahren spielt eine Rolle bei Gebäudeversicherungen, Hausratversicherungen und Betriebsinhaltsversicherungen. Dabei werden zunächst alle Gefahren, die benannt sind, ausgeschlossen. Also Feuer, Leitungswasser und so weiter. Dann formulieren Versicherer weitere Ausschlüsse, zum Beispiel Bereiche, die man mit einem eigenen Baustein problemlos absichern kann, etwa Glasversicherung oder Elektronik. Die unbenannten Gefahren sind also keine Allrisk-Deckung.
procontra: Können Sie ein paar konkrete Beispiele für Unbenannte Gefahren nennen, vielleicht auch in Zusammenhang mit den jüngsten Hochwasserschäden im Westen Deutschlands?
Finke: Generelle Beispiele aus unserer Praxis sind z.B. ein umfallender Kran, der auf ein Haus stürzt oder eine Horde Wildschweine, die durch die Terrassentür ins Haus eindringen und dort alles verwüsten.
Mit Blick auf das Hochwasser gibt es leider schon die ersten Diskussionen, ob die vom Wasser mitgerissenen Gegenstände, Baumstämme beispielsweise, die dann gegen die Häuser gespült werden und dort Schäden verursachen, unter die Elementarschadendeckung fallen. Die Beschädigung erfolgt direkt durch den Baumstamm und nicht durch das Wasser. Man kann hier durchaus eine Abgrenzungsdiskussion führen. Oder der Baukran, der durch den aufgeweichten Untergrund umfällt und auf ein Haus stürzt.
procontra: Kann es also sein, dass Betroffene trotz vorhandener Elementarschadenversicherung mit Einschluss von Überschwemmung keine Leistungen erhalten werden, weil die Schäden durch Unbenannte Gefahren entstanden sind?
Finke: Das kann durchaus passieren. Wenn etwas durch eine Gefahr, die nicht benannt ist, beschädigt wird und Unbenannte Gefahren nicht eingeschlossen sind, dann geht der Versicherungsnehmer leer aus. Es gibt Bedingungen, in denen kein Starkregen versichert ist. Oder es gibt mehrstufige Elementarbausteine, bei denen man die Überschwemmung extra einschließen muss. Hierbei muss man sehr genau die Bedingungstexte lesen.
procontra: Was kostet der Einschluss von Unbenannten Gefahren in etwa, beispielsweise für ein durchschnittliches Einfamilienhaus oder einen Betrieb mit Produktionsgebäude, Lager und Büro?
Finke: Man kann circa zehn Prozent der Prämie als ungefähre Größenordnung ansetzen.
procontra: Kann man Unbenannte Gefahren immer mitversichern oder wird dieser Schutz nicht für alle Risiken angeboten?
Finke: Das kommt auf den jeweiligen Versicherer an. Wir bieten diesen Baustein immer mit an.
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