Kfz-Beiträge: Die meisten Kunden verschenken ihre Corona-Ersparnis

Kfz-Versicherer gehören zu den Gewinnern der Pandemie, wenn man so will. Fast alle horten das Mehrergebnis, was kaum fair erscheint. Vermittler können die Situation nutzen und aktiv einen „Weniger-Kilometer-Nachlass“ promoten.

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06:07 Uhr | 27. Juli | 2021
OIFs in der Corona-Krise? Bild: Adobe Stock/Maridav

Offene Immobilienfonds haben es schwer in Zeiten der Corona-Pandemie. Bild: Adobe Stock/Maridav

Die Corona-Pandemie hatte das Autofahren zumindest zeitweise weitgehend zum Erliegen gebracht. Weniger Fahrten bedeuteten auch weniger Unfälle und weniger Schäden für die Kfz-Versicherer. Der Zweitwagen wurde gar nicht mehr genutzt und der Erstwagen maximal noch für Fahrten zum Einkaufen oder zum Arzt. Im Frühjahr 2020 gab es auf deutschen Straßen bis zu 58 Prozent weniger Autofahrten, im November und Dezember lag das Minus nochmal bei rund 50 Prozent – verglichen mit Zeiten vor Corona. Das hat die HUK-Coburg ermittelt. Angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Pandemie blieb die individuelle Mobilität auch 2021 bislang weitgehend auf der Strecke. Die Freude der Kfz-Versicherer hält an.

2020 mussten sie rund 2,3 Milliarden Euro weniger für Schäden zahlen, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ermittelt hat. Das ist im Marktschnitt ein Minus von 9,1 Prozent. Viele Versicherer liegen bei der Ersparnis deutlich darüber, wie der HDI mit fast 29 Prozent (siehe Grafik). Doch automatisch rücken die meisten Assekuranzen ihre Millionen Corona-Gewinne nicht wieder heraus. Rechtlich ist dieses Handeln scheinbar unangreifbar. „Wir beobachten die Gewinnverwendung der Autoversicherer sehr genau. Hinweise auf missbräuchliches Verhalten liegen nicht vor“, so die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Zwei Versicherer verhalten sich hingegen anders als die Branche. „Wir werden in der Kfz-Versicherung unseren Kunden 150 Millionen Euro zurückzahlen“, sagt Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandssprecher der HUK-Coburg Gruppe. Auch DEVK-Chef Gottfried Rüßmann beabsichtigt 2021 mehr als acht Millionen Euro auszuzahlen. Grundsätzlich bekommen nur schadenfreie Kunden Geld erstattet. Gemeinsam haben HUK und DEVK rund 16 Millionen Autofahrer unter Vertrag. Da könnte die Abwanderung zu diesen beiden Kfz-Versicherern vor allem in der Wechselsaison schon deutlich steigen. Sie wuchern mit Fairness.

Kilometerangabe aktualisieren

Der Rest der Branche bemäntelt sein „kaufmännisches“ Verhalten damit, dass die Kunden ja individuell Geld zurückbekommen können. Sie müssten dafür lediglich neu schätzen, wie viele Kilometer sie wahrscheinlich pro Jahr fahren werden. Dann sei rückwirkend eine Erstattung der zu viel gezahlten Prämie möglich. Doch das ist die Theorie. Selbst die Zurich Versicherung, die ihre 420.000 Kunden über die persönliche Rückvergütung informiert hat, erreichte nur rund 10 Prozent, die sich mit einer Minderfahrleistung meldeten. Eine Umfrage unter 25 großen Autoversicherer zeigt: Fast überall haben die Autofahrer diese Chance nicht genutzt – meist, weil sie sie gar nicht kennen. Hier können Vermittler über Sparpotenziale informieren.

Bei der Allianz haben sich mit 350.000 Kunden lediglich 4 Prozent gemeldet und etwa 20 Millionen Euro zurückerhalten. Bei der HUK-Coburg machen die rund 500.000 Kunden nur 3,8 Prozent aus. Sie erhielten 40 Millionen Euro zu viel gezahlter Prämie zurück. Und bei der R+V machen 50.000 aktive Kunden sogar nur 1,9 Prozent aus. Auch bei anderen Anbietern fallen die Quoten durchweg marginal aus. Zudem möchten viele Versicherer das Thema nicht an die große Glocke hängen. So verweigert sich die LVM aus Münster „aus Wettbewerbsgründen“ und die Generali möchte keine „unternehmensinterne Daten“ preisgeben.

Kundenbindung stärken

Wer eine geringere Fahrleistung bei seinem Versicherer anzeigt, erhält meist eine Beitragsvergütung ab Vertragsstart (siehe Tabelle). Das ist die Chance für Vermittler, sich als positiver Informant und Helfer mitten im Jahr anzubieten und nicht immer nur zur Wechselsaison „aufzuschlagen“. Sie können einen „Weniger-Kilometer-Nachlass“-Service promoten und agieren so sehr proaktiv.

Das machen bereits einige Versicherungsmakler, wie René Bendgens aus Geldern. Doch aktiv werden sie meist nur kurz vor der Wechselsaison. „Im November werden bei uns fünf der acht Mitarbeiter für den Bestands-Check abgestellt“, erläutert der Makler. „Wir selektieren die Kunden aber vor. Nur Vollkunden werden bearbeitet.“ Kontaktiert – meist per Telefon – würden dann nur Versicherte, bei denen die Ersparnis nach Altdaten mindestens 40 Euro ausmacht. Bendgens: „Es geht um den Kundenbindungsgedanken."

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Ersparnis für Vorsorge nutzen

Nun überlegt der Makler, ob eine unterjährige Info-Aktion für seine wichtigsten Kunden die Treue erhöhen könnte. Denn die meisten der über 48 Millionen PKW-Besitzer zahlen ihre Kfz-Versicherung auf einen Schlag am Anfang des Jahres. Nach einer Stichprobe über das Vergleichsprogramm nafiauto.de können Autofahrer, die statt 12.000 Kilometer im Jahr coronabedingt nur noch die Hälfte fahren, zwischen 13 und 18 Prozent der Kfz-Versicherungsprämie sparen. Daher sollten jetzt Vermittler ihre Kfz-Kunden auf diese Sparmöglichkeit hinweisen – vielleicht auch mit der Botschaft, dass die meisten Kfz-Versicherer von sich aus die Corona-Gewinne nicht wieder hergeben wollen.

Für Autokunden, die eine unterjährige Police haben, könnte zudem eine Kündigung sinnvoll sein. Denn bekanntlich ist der größte Hebel, um bei der Autoversicherung zu sparen, der Anbieterwechsel. Das zeigt ebenfalls der Vergleich. Derzeit liegt das Sparpotential – bei vergleichbaren hochwertigen Tarifen – bei bis zu 50 Prozent. Das hohe Sparpotential am Markt können zudem alle Autokäufer nutzen – egal, ob sie einen gebrauchten oder neuen Wagen kaufen. Im vorigen Jahr betraf das immerhin laut dem Kraftfahrtbundesamt über 9,9 Millionen Autokunden. Sie können mit dem Autowechsel auch den Versicherer tauschen.

Vermittler, die ihren Kfz-Kundenbestand anschreiben, können zudem bei Solo-Kfz-Kunden damit elegant ein Vollmandat erbitten. Frei nach dem Motto: Was Sie bei der Kfz-Versicherung – durch Rückerstattung oder einen möglichen Anbieterwechsel - sparen können, kann in einen besseren Gesundheitsschutz oder die Altersvorsorge gesteckt werden. 

Nur die Debeka akzeptiert noch die Nachmeldung einer geringeren Fahrleistung für 2020. Das gilt für die meisten Policen, die sich immer zum 1.1. jähren – also zu diesem Stichtag ihre sogenannte „Hauptfälligkeit“ haben. Gilt aber eine unterjährige Hauptfälligkeit, können sich die Kunden noch melden. Ein Beispiel: Hat ein Kunde einen Vertrag mit Hauptfälligkeit 01.09. könnte er bis zum 31.08.2021 eine Reduzierung der Fahrleistung für 2020/2021 beantragen. Eine Rückvergütung würde dann ab dem 01.09.2020 erfolgen.

Diesen „Trick“ können immer mehr Kfz-Versicherte nutzen. So ist bei 98 Prozent aller Policen bei der Signal-Iduna ein Datum im Laufe des Jahres Stichtag. Beim Direktversicherer Verti gilt das für 66 Prozent der Verträge, bei der Versicherungskammer Bayern (VKB) für 40 Prozent und bei der Zurich für rund 30 Prozent aller Policen. Marktweit sollen nach Daten des GDV bereits über 16 Prozent aller Kfz-Versicherungen „unterjährig“ sein. Damit könnten hochgerechnet fast acht Millionen Pkw-Besitzer prüfen, ob sie für 2020 nicht noch eine Rückerstattung eines Teils der Prämie erhalten. Und für 2021 gilt das natürlich noch für fast alle Autofahrer, die weniger gefahren sind.

Kfz-Bestand schützen

Die Autoversicherung wird auch in den nächsten Jahren dominant bleiben. Immerhin müssen über 59 Millionen Kraftfahrzeuge versichert werden. Darunter fast über 48 Millionen PKW. In den letzten Jahren – trotz aller Öko-Trends – nahmen die Zulassungen weiterhin kontinuierlich zu. Laut General Reinsurance Corporation wuchs der Bestand jährlich um 1,5 Prozent. 2021 waren es – der Pandemie zum Trotz – sogar 1,6 Prozent. Dieser Trend wird nun sogar verstärkt: „Durch Corona ist der Wunsch nach einem eigenen Pkw gestiegen“, sagt Carina Götzen vom Berater Meyerthole Siems Kohlruss (MSK).

Zudem würde es immer mehr Haushalte geben. Neben der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung gibt es – zumindest im Pkw-Bereich – seit Jahren den Trend zu langjährigem Vollkaskoschutz. Das ist natürlich dem Umstand geschuldet, dass die Fahrzeuge immer hochwertiger und langlebiger werden. Mit Einnahmen in Höhe von 28,7 Milliarden Euro in 2020 ist die Kraftfahrtversicherung immer noch mit Abstand die größte Sparte in der Schaden- und Unfallversicherung. Und sie wird es noch lange bleiben Vermittler sollten daher alles tun, um ihren Kfz-Kunden-Bestand zu schützen.

Denn er ist massiv bedroht. Das zeigt die Studie EY Innovalue Digitization Study 2020. Der Vertragsabschluss beim Versicherungsvertreter hat seit 2015 kontinuierlich an Bedeutung verloren. So schlossen nur noch 24 Prozent der befragten Endkunden im Jahr 2020 ihre Versicherungsverträge über Vermittler ab. Das ist im Vergleich zum Jahr 2015 ein Rückgang von 13 Prozentpunkten. Sach- und insbesondere Kfz-Versicherungen, die weniger erklärungsbedürftig sind, werden von Endkunden zunehmend direkt über die Anbieter-Plattform abgeschlossen.

Nutzen Kunden ausschließlich Online-Vergleichsportale bei der Informationssuche, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Vermittler abschließen mit 17 Prozent sehr gering. Werden hingegen neben Online-Vergleichsportalen auch weitere Kanäle genutzt, steigt der Vermittleranteil beim Abschluss immerhin auf 38 Prozent. Die besten Chancen hat der Vermittler, wenn kein Vergleichsportal verwendet wird. In diesem Falle steigt die Abschlusswahrscheinlichkeit bei ihnen auf knapp 50 Prozent.

Fazit: Je enger der Kfz-Kunde an den Versicherungsmakler gebunden wird, desto sicherer auch der Gesamtbestand.

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