Lebensversicherung: So weit liegen die Solvenzquoten auseinander
Die Finanzstabilität eines Lebensversicherers ist heute für Makler ein wichtiges Auswahlkriterium, wenn auch bei weitem nicht das einzige. Die Solvabilitätsquoten sind unter dem Solvency II-Regime noch wichtiger geworden. Allerdings sind den Versicherern Übergangsmaßnahmen erlaubt. Insofern ergibt sich kein einheitliches Bild der Branche, wie die neue Marktuntersuchung „Solvabilität im Vergleich 2011 bis 2020“ (Map-Report 919) zeigt.
Die Solvabilitätsquoten werden sowohl mit Volatilitätsanpassung (VA) und Übergangsmaßnahmen (ÜM; aufsichtsrechtlich relevant), als auch in der „Basisversion“ ohne jegliche Hilfsmaßnahmen abgebildet. Die Anzahl der Gesellschaften schwankt dabei von Kennzahl zu Kennzahl, weil nicht alle Unternehmen die jeweils berücksichtigten Hilfen anwendeten. 71 Anbieter hatten die Standardformel zur SCR-Berechnung genutzt und zehn Anbieter ein internes Modell.
Quote ist nicht gleich Quote
„Je nachdem, wie die Quote ermittelt wurde, kann das Ergebnis leicht um mehrere hundert Prozent abweichen“, warnt Analyst Reinhard Klages. Der Report trägt den verschiedenen Berechnungsformeln jedoch Rechnung. Wichtigstes Ergebnis: Im Gesamtmarkt Leben hat sich die Solvenzquote (SCR-Quote) als anrechenbare Eigenmittel der Branche im Verhältnis zum SCR der Branche inklusive Übergangsmaßnahmen negativ entwickelt und beläuft sich auf 381,2 Prozent. Im Vergleich zum Jahresende 2019 ist die Kennzahl damit rund 41 Prozentpunkte gefallen. In diesem Durchschnittswert nicht enthalten sind Lebensversicherer, die auf Übergangsmaßnahmen verzichtet hatten.
Die Spannweite zwischen den einzelnen Anbietern ist dabei noch immer sehr breit. Ganz oben platzieren sich Victoria mit 727,6 Prozent, LV1871 (711,6 Prozent), LVM (702,2 Prozent) sowie Swiss Life (681,4 Prozent), die über dem Siebenfachen der geforderten Bedeckung liegen. Die niedrigsten Quoten veröffentlichen die VRK (179,5 Prozent) und DEVK Eisenbahn (186,1 Prozent).
Wie in den Vorjahren haben die Übergangshilfen, die im Jahr 2032 auslaufen, den Solvenzquoten deutlichen Auftrieb gegeben, maßgeblich beeinflusst durch die Wirkung der Übergangsmaßnahme bei den versicherungstechnischen Rückstellungen. Vielfach beträgt der Unterschied zwischen der Basisquote (ohne VA und/oder ÜM) und dem aufsichtsrechtlichen Nachweis mehr als 200 Prozentpunkte. „Nach Abzug der VA und ÜM fallen die SCR-Quoten spürbar geringer aus“, berichtet Klages.
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Wie es ohne Übergangsmaßnahmen aussieht
Ohne Maßnahmen, also in der harten Marktanalyse, fiel die Bedeckung Ende 2020 auf 203,9 Prozent und damit um rund 45 Prozentpunkte gegenüber 2019. Ganz oben platzierten sich Dialog mit 811,6 Prozent und Europa mit 807,6 Prozent. Die geringsten Werte verzeichnen die Landeslebenshilfe und Süddeutsche mit je null Prozent, VRK mit 2,8 Prozent sowie die Öffentliche Oldenburg mit 10,4 Prozent Bedeckung.
Zur Erklärung: Die SCR-Quote gibt in einem simulierten Szenario das Verhältnis der Eigenmittel eines Versicherers zu seinen Verpflichtungen gegenüber den Leistungsempfängern wieder. Nach Vorgabe der Aufsichtsbehörde sollte die Quote immer bei mindestens 100 Prozent liegen. Unter diesen Voraussetzungen hat eine Gesellschaft ausreichend Eigenmittel, um auch unter extremen Entwicklungen alle Verpflichtungen der Solvency II-Anforderungen zu erfüllen.
Wer besonders gut abgeschnitten hat
Fürs Neugeschäft unbedenklich sind aus diesem Blickwinkel bis auf 17 Gesellschaften alle anderen Anbieter. Neben Dialog und Europa ragen von den Gesellschaften mit erheblichem Maklervertrieb auch heraus: Ergo Vorsorge (577 Prozent), LV 1871 (435 Prozent), Continentale (431 Prozent), Swiss Life (357 Prozent), Nürnberger (316 Prozent), Alte Leipziger (300 Prozent), Dortmunder (300 Prozent), Interrisk (284 Prozent), Barmenia (262 Prozent), Neue Bayerische Beamten (241 Prozent) und Condor (234 Prozent).
Laut Map-Report verfehlen aktuell 17 Lebensversicherer die 100 Prozent-Marke, die von der Aufsicht vorgegeben ist, und damit fünf mehr als Ende 2019. „Von Insolvenz sind sie damit aber nicht bedroht, denn es mangelt ihnen nicht an Eigenmitteln, sondern an Risikotragfähigkeit“, erklärt Klages. Gemessen an ihrer aktuellen Bestandsmischung verfügten sie jedoch momentan nicht über ausreichend Kapital. Bei der BaFin stehen daher rund 20 Anbieter unter besonderer Beobachtung.
Neben den Bedeckungsquoten enthält die Auswertung auch Übersichten zu den verdienten Beitragseinnahmen gemäß SFCR-Berichten. Demnach wurden in der Lebensversicherung 2020 insgesamt 98,65 Milliarden Euro Bruttobeiträge verdient - 0,5 Prozent mehr als 2019. Dabei verpassten 29 Gesellschaften höhere Beitragseinnahmen, während 29 andere Versicherer ein Plus zwischen drei und über 80 Prozent hinlegten. Markanten Zuwachs schaffte die R+V, Nr. 2 des Marktes, mit 17,6 Prozent mehr Beitragseinnahmen, während Marktführer Allianz 3,5 Prozent einbüßte.
LV-Check von procontra hilft Maklern auch bei Einordnung
In der Regel müssen Makler bei der Marktrecherche selbst den Überblick über die wichtigsten Kennziffern gewinnen, die in den Geschäftsberichten verstreut sind. Hier hilft der „LV-Check“ von der procontra-Redaktion. Er enthält jeweils über 50 Bilanzkennzahlen des letzten Geschäftsjahres und liefert ausführliche Informationen und Analysen rund um die Finanzkraft und Geschäftsentwicklung. Der LV-Check 2021 erscheint im Herbst. Leser können sich hier vormerken lassen (Kostenpunkt: rund 49 Euro).
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