Noch ganz dicht? Leitungswasserschäden gehen unter

Sind Leitungswasserschäden nun versichert oder nicht? Darüber gibt es oft auch gerichtlichen Streit. Was geben das Kleingedruckte, die Praxis und Rechtsprechung hier her? Worauf sollten Makler im Sinne ihrer Kunden achten?

14:02 Uhr | 03. Februar | 2022
Leitungswasserschäden, Bild: Adobe Stock/ Antonioguilemm

Leitungswasserschäden sind im Winter fast vorprogrammiert. Bild: Adobe Stock/ Antonioguilemm

Erst nur ein Haarriss und ein paar Tropfen. Irgendwann eine feuchte Decke oder Wand. Schäden an der Wasserleitung sind meist nicht sofort augenscheinlich – „erst wenn man den Schrank beiseite rückt, sieht man die Bescherung. Oder wenn es von oben schon ins Bad oder durch die Kellerdecke tropft“, sagt Brigitte Mayer von der Verbraucherzentrale Hessen. Und auch die Frostschäden jetzt, in Form geplatzter Leitungen, dürften sich erfahrungsgemäß wohl häufig erst im Frühjahr bemerkbar machen.

Wasser auf Abwegen

„Wir haben jeden Tag neue Schäden – gerade in Bezug auf Leitungswasser“, sagt Makler Andreas Wenger aus Worms, der sich auf Versicherungen rund um Immobilien spezialisiert hat und mit seinem Büro Assekuranz-Makler Süd-West GmbH rund 40.000 Wohnungen betreut.

In der aktuellen Debatte um Elementarschäden und Pflichtversicherung geht oft unter, dass knapp die Hälfte der Schadenkosten in der Gebäudeversicherung auf das Konto von Leitungswasserschäden geht – rund 3,4 Milliarden Euro jährlich nach GDV-Angaben. Davon entfallen 3,1 Milliarden Euro auf die Wohngebäudeversicherung. Von der Anzahl her sind das nach Wengers Erfahrung rund drei Viertel aller Schäden.

Ein Leitungswasserschaden definiert sich, kurzgesagt, als „bestimmungswidrig aus einer Leitung ausgetretenes Wasser“. Dann stellt sich die Frage: Kommt das Wasser aus einer Heizungs- oder Klimaanlage, aus einem Wasserbett oder Aquarium, aus Wasserlösch- oder Berieselungsanlagen, aus einer Zuwasser- oder Abwasserleitung? Ist der Schaden im Haus oder draußen? Auf eigenem Grundstück oder außerhalb? „Es gibt so viele Varianten und dann auch viele Bedingungswerke, die die Schäden unterschiedlich auslegen“, so Wenger.

Oft ein großer Aufriss

Die Zuleitungsrohre auf dem Grundstück kann man versichern, das Zuleitungsrohr übers Nachbargrundstück teilweise gegen Aufschläge. „Bei Ableitungsrohren ging eine Zeit lang gar nichts“, sagt Mayer. Ein Grund: „Ein Abwasserrohr, was durch den Vorgarten führt, kann beispielsweise durch Baumwurzeln beschädigt werden und ist dann undicht oder verstopft.“ Mittlerweile finde man aber wieder Tarife, die dieses Risiko abdecken, jedoch immer mit Höchstentschädigungsgrenzen.

„Und ohne einen Dichtigkeitsnachweis ist bei Standardtarifen da auch oft nichts zu machen“, sagt Wenger. Steht das Haus direkt an der Straße, sei die Höchstentschädigungsgrenze vielleicht nicht ganz so wichtig. „Wenn aber deswegen der halbe Vorgarten oder der betonierte Parkplatz am Haus aufgerissen werden muss – was sind dann 1.000, 3.000 oder 5.000 Euro für die Freilegung der Leitung?“ Wengers Rahmenvertrag deckt die versicherten Kosten bis zu 50.000 Euro ab. Ob auf dem Versicherungsgrundstück oder außerhalb, spiele dabei keine Rolle.

Kleine Fuge – große Wirkung

Es drohen Lücken und Tücken  – die Qualität der Leitungswasserversicherung ist unterschiedlich. Das stimme zwar, aber man müsse fair bleiben, meint Wenger. Mindestens 80 Prozent der Schäden, die passieren können, sind nach seiner Einschätzung selbst in einem durchschnittlich guten Bedingungswerk versichert, bei normalen Leitungswasserschäden im Haus wahrscheinlich mehr als 90 Prozent.

Aus der Reihe tanzen Schäden infolge undichter Silikonfugen der Duschtassen. „Wasser, was das Rohr eigentlich verlassen hat, aber trotzdem Schaden anrichtet, obwohl es bestimmungsgemäß genutzt wird“, so Mayer. Darum habe es in der Vergangenheit viel „Knatsch“ gegeben. Aber auch hier seien die Klauselwerke in den vergangenen zehn Jahren – bei allerdings mehr als verdoppelten Prämien – deutlich besser geworden, gesteht die Verbraucherberaterin der Assekuranz zu.

„Dieses Spritz- beziehungsweise Planschwasser sollte unbedingt mitversichert sein“, bekräftigt Makler Bert Heidekamp aus Berlin mit Bezug auf einen Fall aus seiner Praxis. Dort war die Trocknungsfirma ein halbes Jahr zugange. Die Wohnung musste ausgeräumt, Türen herausgenommen und Reißverschlusstüren eingebaut werden. Drei Etagen darüber konnten nicht vermietet werden. Alles nur, weil der Duschwasserpegel bei dem übergewichtigen Bewohner regelmäßig über das Duschbecken hinausgestiegen und in die Fugen eingedrungen war. Ein 50.000-Euro-Schaden.

Urteil in letzter Instanz

Je nach Deckungskonzept haben einige Gesellschaften das Fugenrisiko ausdrücklich versichert wie beispielsweise Alte Leipziger, Gothaer, Signal Iduna, hat Versicherungsberater Hans-Hermann Lüschen aus Oldenburg recherchiert. „Auch wir haben die Möglichkeit, in unserem Rahmenvertrag solche Schäden zu bezahlen“, erklärt Makler Wenger.

Viele lassen das faktisch offen. Lüschens Erfahrung: „In der Regel glauben die Leute dann, dass auch ein solcher Nässeschaden versichert sei. Nicht selten Ausgangspunkt für einen gerichtlichen Streit, bei dem das Bonmot „drei Juristen, vier Meinungen“, faktisch bestätigt werde.

Doch nun hat der BGH in einem Grundsatzurteil klargestellt: Fugenschäden sind nicht mitversichert, sofern dies nicht ausdrücklich im Kleingedruckten erwähnt ist. „Damit ist dieses Streitpotenzial seit Oktober 2021 im Grunde Geschichte“, so Wenger, die Aufklärung der Kundschaft ist aber natürlich nicht vom Tisch. Das betrifft zum Beispiel auch Obliegenheiten im Zusammenhang mit versicherten Silikonfugen. „Es sind Wartungsfugen. Heißt: Sie müssen auch regelmäßig gewartet werden, damit die Versicherung im Schadenfall gegebenenfalls zahlt“, verweist der Makler aus Worms auf einen Sachverhalt, der durchaus weiteres Streitpotenzial birgt.

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