PEPP: Wie erfolgsversprechend ist die Europarente?

Im vergangenen Jahr wurde die Europarente (PEPP) beschlossen, ab dem zweiten Halbjahr 2021 soll sie den EU-Bürgern als standardisiertes Vorsorgeprodukt angeboten werden können. Doch ist sie überhaupt eine attraktive Alternative zu Riester und Co.? Dazu hat procontra von Unternehmer Til Klein und Politiker Martin Schirdewan zwei sehr unterschiedliche Einschätzungen bekommen.

10:11 Uhr | 09. November | 2020
Europarente

Sind unterschiedlicher Auffassung, wie gewinnbringend die Europarente ist: Til Klein und Martin Schirdewan (v. l.) Bilder: Vantik; Die Linke

Vor einem Jahr haben Europaparlament und Rat die Europarente mit dem sperrigen Namen Pan-European Personal Pension Product (PEPP) beschlossen. Die PEPP zielt darauf ab, allen EU-Bürgern als Zusatzoption zu den jeweiligen betrieblichen und staatlichen Renten in ihre Vorsorge zu investieren. Sowohl Angestellte, Arbeitslose und Selbständige als auch Studenten sollen auf das Angebot zurückgreifen können. Geworben wird damit, dass das standardisierte Vorsorgeprodukt besonders leicht verständlich, kostengünstig, digital und transparent sein soll. Angeboten wird die Europarente im Verlauf des kommenden Jahres von Versicherungsgesellschaften, Banken, Vermögensverwaltern, Wertpapierfirmen und betrieblichen Pensionsfonds, auch von Versicherungsvermittlern kann sie vertrieben werden.

Pro: „Eine attraktive Alternative zu Riester und Rürup – über Grenzen hinweg.”

Til Klein ist Gründer und Geschäftsführer des FinTech-Start-ups Vantik, das Altersvorsorge für die Generation Smartphone anbietet. Er ist Mitglied des Expertenrats für die neue Europarente bei der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa.

Angesichts wachsender Altersarmut hat sich die EU der privaten Altersvorsorge angenommen und setzt mit der neuen „Europarente” (kurz PEPP) ein klares Zeichen: Die Verordnung nimmt viele Punkte auf, die schon lange zur Diskussion stehen. Unter anderem mit neuen Maßstäben beim Verbraucherschutz bietet die Europarente auch hierzulande die Chance für eine längst überfällige Reform der privaten Altersvorsorge.

So kommt endlich eine einfache, erschwingliche und sichere Standardoption (Basis-PEPP), die alle Anbieter in ihrem Portfolio haben müssen. Die Kosten dafür sind auf 1 Prozent des angesparten Kapitals begrenzt. Auch wenn das Standardprodukt nicht für alle Verbraucher die beste Lösung sein wird, müssen sich alle Angebote hinsichtlich Preis/Leistung daran als Referenzwert messen lassen. Außerdem ist zu erwarten, dass die Anbieter – allein schon angesichts des Kostendeckels – das Thema digitale Beratung endlich ernsthaft vorantreiben.

Ein wichtiger Schritt ist zudem die Abkehr von der harten Garantie. Diese hat sich in der Niedrigzinsphase als Bumerang für viele Verbraucher erwiesen, die dadurch weniger statt mehr Rente bekommen. Die Europarente sieht auch einen Schutz des eingezahlten Kapitals vor. Dabei sind neben klassischen Garantien auch explizit alternative Ansätze zur Risikoreduktion vorgesehen, die vergleichbare Sicherheit zu deutlich niedrigeren Kosten bieten und sich nicht so negativ auf die Rendite auswirken.

Hinsichtlich Flexibilität und Transparenz setzt die Europarente ebenfalls neue Maßstäbe: So gibt es keinen Verrentungszwang, wodurch die Auszahlung per lebenslanger Rente oder Ein­malzahlung erfolgen kann. Alle fünf Jahre können das Produkt oder der Anbieter kos­ten­los gewechselt werden. Als europäische Lösung kann die Altersvorsorge grenzüberschreitend genutzt und „mitgenommen“ werden. Auch muss offengelegt werden, inwieweit Nachhaltigkeitskriterien bei der Anlage berücksichtigt werden.

Parteiübergreifend herrscht der Konsens, dass die private Altersvorsorge in Deutschland einer grundlegenden Reform bedarf. Mit der Europarente serviert Brüssel Berlin die passende Lösung auf dem Silbertablett: Per Verordnung wird sie Ende 2021 in allen Mitgliedsländern eingeführt. Entscheidend für den Erfolg wird die steuerliche Behandlung sein, die den Mitgliedstaaten überlassen wird. Wenn die Bundesregierung die Europarente steuerlich mit Riester und Rürup gleichstellt, entsteht für Verbraucher eine attraktive Alternative.

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Contra: „Von einer Investition ist abzuraten.”

Martin Schirdewan ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Co-Vorsitzender der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke.

Im Frühjahr 2018 erhielt ich einen Anruf aus Portugal. Am anderen Ende der Leitung ein Investigativjournalist, spezialisiert auf Finanzmärkte. Er kontaktierte mich, da ich ihm in den Anhörungen zu dem neu geplanten europäischen Rentenprodukt PEPP als der Abgeordnete aufgefallen war, der sich ausgesprochen kritisch äußerte.

Das Ergebnis seiner Recherche: PEPP sei eine Erfindung des Finanzmoguls BlackRock, der 2014 eine Analyse zu den Marktchancen eines solchen Produkts erstellte. Nachdem es etliche dokumentierte Lobbytreffen von BlackRock mit der Kommission gegeben hatte, ging diese das Projekt an. Zwar wurde der Sachverhalt EU-weit von Zeitungen aufgegriffen, aber für Entrüstung sorgte das nicht. In überraschender Schnelligkeit nahm das Vorhaben durch die sonst eher als langsam geltenden europäischen Institutionen alle parlamentarischen Hürden.

Die Europäische Kommission stellte in ihrem ursprünglichen Vorschlag zu PEPP fest, dass 20 Prozent der Bevölkerung in der EU von Altersarmut bedroht sind oder unter ihr leiden, was sie ändern wolle. Auch deshalb wolle sie den Wild-West-Markt der privaten Altersvorsorge regulieren und mit PEPP für ein einheitliches europäisches privates Rentenprodukt sorgen. Zur Bekämpfung der Altersarmut wird PEPP definitiv nicht beitragen, dafür braucht es ein höheres Lohn- und staatliches Rentenniveau. PEPP hingegen soll nur ergänzend zur Altersvorsorge genutzt werden, so der Vorschlag.

Dennoch soll PEPP in der zweiten Jahreshälfte 2021 in der EU an den Markt gehen. Es wird in einer Reihe von Altersvorsorgeprodukten wie der deutschen Kapitallebensversicherung und der Riester-Rente stehen, die für Verbraucherinnen und Verbraucher verheerende Folgen hatten. Deshalb ist insbesondere denjenigen, die auf ihre Rente im Alter wirklich angewiesen sein werden, von einer Investition in die europäische private Altersvorsorge abzuraten.

Das hat vielschichtige Gründe: Zum einen sind nicht einmal beim Basisprodukt – also der risikoärmsten PEPP-Variante – aufgrund der laufenden Gebühren die eingezahlten Beiträge garantiert, weshalb den Kunden von vornherein ein finanzieller Verlust droht. Von der Kommission wurde es als großer Wurf gefeiert, dass der Anbieter in jedem Mitgliedsland Repräsentanzen haben muss. Das ist auf den ersten Blick ein Vorteil für die wenigen, die innerhalb der EU umziehen. Auf der anderen Seite schließt diese Bedingung viele kleinere Versicherungsanbieter aus und sagt nichts darüber aus, ob das Produkt im neuen Wohnsitzland gleich besteuert wird oder nicht, da diese Regelung – selbstredend – national bleibt.

Während bisher nur Versicherungen oder Banken das Recht hatten, private Rentenprodukte aufzulegen, wurde mit PEPP ein Novum im negativen Sinne geschaffen, denn hinter dem Produkt dürfen auch Hedgefonds stehen. Wer für die Kosten aufkommt, wenn diese pleitegehen, bleibt unklar. Die Öffnung des Marktes privater Rentenprodukte für den Schattenbankensektor bedeutet ein größeres Risiko für die Anleger. Unsichere Zeiten für die Rente.

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