Pflegetagegeld: Wie Finanztest Angebote passend macht

Finanztest hat den Markt der Pflegetagegeldversicherungen einer empirischen Untersuchung unterzogen. Die kann nicht ohne kritischen Kommentar bleiben. Berater sollten stärker auf die Bedingungen achten.

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11:01 Uhr | 28. Januar | 2020
Pflegetagegeld: Finanztest hat getestet

Finanztest hat Pflegetagegeld-Tarife getestet. Aber gab es auch Grund zum Jubeln? Bild: Adobe Stock/oneinchpunch

Die Folgen der niedrigen Zinsen erreichen auch die private Kranken- und Pflegeversicherung. Jahrelang hatten PKV-Anbieter damit geworben, dass ihre Pflegegeldabsicherung wesentlich preisgünstiger sei als die Pflegerenten der Lebensversicherer. Was selten zur Sprache kam, ist die Tatsache, dass neben Wartezeiten auch Beitragserhöhungen möglich sind.

Dies geschieht immer dann, wenn zwischen Kosten und Leistungen bzw. Sterbewahrscheinlichkeiten von einem Jahr zum anderen zehn Prozent oder mehr Abweichung auftritt. Niedrige Zinsen bringen weniger Überschüsse am Kapitalmarkt. Solche Löcher müssen die Kunden stopfen. Makler müssen sich im Zweifel fragen lassen, warum sie keinen finanzstärkeren Anbieter ausgewählt haben.

Solche Feinheiten berücksichtigt der neue Test zu Pflegetagegeldversicherungen von Finanztest (Ausgabe 02/2020) nicht. An einer Stelle wird lediglich auf „regelmäßig steigende Beiträge“ hingewiesen. Die Untersuchung ist rein empirisch und geht bei zwei Modellkunden im Alter von 45 und 55 Jahren mit einem Monatsbeitrag von 57 beziehungsweise 89 Euro aus, der ungefähr die Versorgungslücken der gesetzlichen Pflegeversicherung decken soll. Die Lücken bemisst Finanztest in der ambulanten Pflege je nach Pflegegrad zwischen 125 und 2.200 Euro pro Monat, in der stationären Pflege von konstant 1.500 Euro.

Viele komplizierte Modellfälle...

Das klingt auf den ersten Blick plausibel, zumal der Pflegezusatz sinnvoll ist (procontra berichtete) und die Deutschen laut Umfrage im Schnitt 77 Euro für ihre Pflege zusätzlich im Monat investieren würden (procontra berichtete). Doch um die Feinheiten von 23 Tarifen mit festgelegter Leistung in jedem der fünf Pflegegrade und in jeder Pflegesituation sowie von zehn Tarifen mit flexibel gestaltbarer Leistungsverteilung auf die fünf Pflegegrade genauer zu messen, mussten dafür wiederum noch je drei Modelle kreiert werden.

Beispiel ambulante Pflege: In Modell 1 gibt es mit jedem höheren Pflegegrad mehr Geld („Treppe-Treppe“), in Modell 2 steigt die Leistung ambulant mit jedem Grad, stationär bleibt sie ab Pflegegrad 2 konstant („Treppe-Konstant“). In Modell 3 sind ambulant und stationär mindestens ab Pflegegrad 2 konstante Leistungen vereinbart („Konstant-Konstant“). Der Grund für vielfach konstante Leistungen bei stationärer Pflege: Im Heim müssen Pflegebedürftige in den Pflegegraden 2 bis 5 einen gleich hohen Eigenanteil bezahlen.

… aber nur grober Bedingungstest

Im Gegensatz zu dieser unübersichtlichen Modell-Methodik ist die Test-Methode eher schlicht und damit kritikanfällig. In das Qualitätsurteil geht das Leistungsniveau der Tarife zu 80 Prozent ein, zu 20 Prozent die weiteren Vertragsbedingungen. Positiv wurde dabei angemerkt, dass „fast alle Unternehmen auf die Wartezeit von bis zu drei Jahren verzichten“. Welche das nicht tun, geht aus den Ergebnissen nicht hervor. Die „weiteren Vertragsbedingungen“ werden nur summarisch als eine Art Schulnote vergeben.

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Ergebnis: Viele Tarife bieten einen guten Schutz, urteilt Finanztest. Für 45-Jährige bietet die HanseMerkur sogar zwei sehr gute Tarife (PGA; PGS), dicht gefolgt von den gut bewerteten Tarifen der DFV (Deutschlandpflege Flex), DKV (KPET; PTG) und HUK-Coburg (PMvario), die mit 1,6 benotet wurden. Doch schon der Blick auf die Beitragsfreistellung im Pflegefall ernüchtert. Selbst bei den Besten muss man im Pflegefall weiter Beitrag bezahlen (außer DFV). Dies sollte eigentlich ein K.O.-Kriterium für eine gute Bewertung sein.

Fehlende Beitragsfreistellung ohne Abzug 

Bei den 55-Jährigen gibt es keinen sehr gut eingestuften Tarif, aber 22 gute Angebote, befand Finanztest. Am besten schnitten dabei DFV (Deutschlandpflege Flex), DKV (PTG), HanseMerkur (PGA; PGS) und HUK-Coburg (PMvario) ab – je mit Note 1,6. Auch hier bieten von den Besten wieder nur die DFV eine Beitragsfreistellung im Pflegefall schon ab Pflegegrad 1. Bei der HUK-Coburg soll man dies ab Pflegegrad 4 vereinbaren können, heißt es in der Fußnote. Ob dies extra kostet oder nicht, sagt der Test nicht, der im Internet immerhin die vollständigen Bezeichnungen aller untersuchten Tarife auflistet.

„Es ist nicht verkehrt, wenn Berater sich die Bilanzen und die finanzielle Solidität der von ihnen ins Auge gefassten Gesellschaften anschauen“, rät Bert Heidekamp, Inhaber der Kanzlei Heidekamp für Versicherungsvermittlung und Investmentberatung in Berlin. „Wesentlich wichtiger sind aber die Bedingungen“, sagt Heidekamp, der auch als Analyst und Sachverständiger für biometrieche Vorsorgeprodukte („Fairtest“) arbeitet.

Beim Vergleich zählen „als erstes die Bedingungen, und erst danach Leistungshöhe, Prämie und Unternehmenskennzahlen“, so Heidekamp. Es gebe nichts Schlimmeres als die Situation, dass der Versicherer im Pflegefall nicht zahlt, so der Makler, der seine Testmethodik also genau umgekehrt zu Finanztest aufbaut. Damit setzt sich die Kritik von Maklern an den Testmethoden von Finanztest fort. Im Vorjahr war unter anderem die Bewertung von Berufsunfähigkeits-Tarifen (procontra berichtete) und von PKV-Tarifen (procontra berichtete) bemängelt worden.

Bei Vorerkrankungen schauen Versicherer genauer hin

Die jetzige Untersuchung der Warentester geht an anderer Stelle erfreulich tief und zeigt, dass es Menschen mit Vorerkrankungen schwerer haben, sich für den Pflegefall zu versichern. Oft müssen sie mehr bezahlen oder werden ganz abgelehnt. Einige gut bewertete Tarife sind strenger bei der Gesundheitsprüfung. Wer gesund ist, kann diese wählen. Wer aber bereits unter Erkrankungen leidet, sollte auf Anbieter ausweichen, die weniger restriktiv vorgehen.

Finanztest gab dabei für 55-Jährige vor, an Arthrose im Knie, leichtem Bluthochdruck und leichtem Übergewicht zu leiden. Ergebnis: Nur 19 von 27 Gesellschaften bieten überhaupt einen Vertrag. Besonders streng waren in der Risikoprüfung DKV (60 Prozent Risikozuschlag) und R+V (44 Prozent Zuschlag).

Lediglich acht Versicherer verzichten auf einen Risikozuschlag: Allianz, Central, Concordia, DFV, Nürnberger, SDK, Vigo und Württembergische. Andere lavieren und verzichten auf den Risikozuschlag zum Beispiel nur, wenn die Krankheiten nicht behandlungsbedürftig sind (Barmenia; VRK) oder die Arthrose keine Bewegungseinschränkung verursacht hat (Bayerische Beamten). Mit Schwerbehinderung (ab Grad 50) bieten nur zwei Versicherer uneingeschränkten Schutz: SDV und Vigo. Beide schnitten im Test allerdings nur befriedigend ab.

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