Sechs Millionen Euro für eine abgetrennte Hand – es sind meistens solche Einzelfälle, die auf das Thema Versicherungsbetrug aufmerksam machen. Doch in den meisten Fällen findet dieser viel kleinteiliger statt und ist nicht nur für die Schaden-/Unfallversicherer schwierig zu erkennen. Auch die Krankenversicherer werden täglich Opfer von Abrechnungsbetrug und gehen zudem von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, also nicht erkannten Betrugsfällen.
Das geht aus einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC Deutschland hervor, für die 19 gesetzliche (61 Prozent Marktabdeckung, gemessen an den Mitgliederzahlen) und 13 private Krankenversicherungen (77 Prozent Marktabdeckung, gemessen an der Zahl der Krankenvollversicherten) befragt wurden.
Täter stammen häufig aus dem Pflegebereich
Demnach berichten 37 Prozent der Kassen von 100 bis 500 Fällen pro Jahr in ihren Häusern. In der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2012 waren es nur elf Prozent gewesen. Auch bei den privaten Krankenversicherern hat sich dieser Anteil erhöht (23 Prozent aktuell, 19 Prozent in 2012). Bei 16 Prozent der Kassen wurden im Jahr 2020 sogar über 1.000 Fälle registriert.
Dabei geht es überwiegend um gefälschte Rezepte oder manipulierte Rechnungen, die erstattet werden, obwohl die Leistungen nie oder nicht in diesem Umfang erfolgt sind. Drei von vier PKV-Anbietern entstehen dadurch mehr als 500.000 Euro Schaden jährlich. Bei der Vorgängerstudie traf das nur auf jedes zweite Unternehmen zu. Bei den Kassen berichtet jede Zweite von Schäden über einer halben Million Euro.
Bei der Suche nach den Tätern ergibt sich ein relativ klares, wenn auch von PKV zu GKV unterschiedliches Bild: Alle privaten Krankenversicherer nannten ihren Versicherungsnehmer als Haupttäter. Das hängt auch damit zusammen, dass die Versicherten rund 70 Prozent aller Leistungsausgaben direkt mit dem Unternehmen abrechnen. Bei den Kassen hingegen können fast alle (95 Prozent) von Betrugsfällen durch Pflegedienste und häusliche Krankenpfleger (68 Prozent) berichten. Nur bei jeder zweiten Kasse sind die Versicherten selbst auffällig.
Stärkere Betrugsbekämpfung wäre dringend nötig
Die gestiegenen Fallzahlen hängen wahrscheinlich auch damit zusammen, dass insgesamt mehr Betrugsversuche aufgedeckt werden. Die GKV-Anbieter beschäftigen mittlerweile durchschnittlich drei Vollzeitkräfte zur Bekämpfung dieser illegalen Machenschaften – eine deutliche Erhöhung gegenüber 2012 (damals im Schnitt 1,4 Vollzeitkräfte pro Kasse). Bei den PKV-Anbietern sind es im Schnitt vier Vollzeitkräfte, die sich ausschließlich der Entdeckung und Bekämpfung von Abrechnungsbetrug widmen.
Dabei setzen über 90 Prozent der befragten privaten Krankenversicherer auf Datenanalysemethoden. Der Studie zufolge tut dies aber nur gut ein Drittel der gesetzlichen Krankenkassen. Dabei gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Firmen, die sich mit ihren Softwares auf die Erkennung gefälschter Belege spezialisiert haben und zunehmend mit Krankenversicherern zusammenarbeiten.
Neun von zehn PKV-Anbietern wollen in Zukunft auf diesen Zug aufspringen und weitere Maßnahmen einführen, um Abrechnungsbetrug aufzudecken und zu bekämpfen. Bei den GKV-Anbietern sind es hingegen nur 32 Prozent. Dabei wäre mehr Engagement in diesem Bereich offenbar dringend nötig. Denn 84 Prozent der befragten Krankenversicherer schätzen die Dunkelziffer der Betrugsfälle als hoch oder sehr hoch ein.