Provisionsdeckel: Erbitterter Streit bei dünner Faktenlage

Die Evaluierung des LVRG von 2014 legt laut BaFin noch 2019 einen Provisionsdeckel nahe. Was die Folgen einer Vergütungsdeckelung wären und wo ein Kompromiss liegen könnte, wurde bei einem versicherungswissenschaftlichen Fachgespräch beleuchtet.

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08:03 Uhr | 20. März | 2019
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Ein Provisionsdeckel ist notwendig, sagt Axel Kleinlein (2.v.l.). Norman Wirth (rechts) findet ihn genauso wie Rainer Jacobus (links) überflüssig, während Moderator Thomas Köhne mangelnde Informationen der Bundesregierung dazu beklagt. Bild: Pohl

Ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung ist geplant, aber noch nicht beschlossen (procontra berichtete). Auf den BaFin-Vorschlag folgte der LVRG-Evaluierungsbericht vom Bundesministerium der Finanzen (BMF), ohne darin zur Begründung konkrete Missstände zu nennen.

Das halten viele Experten für verfassungsrechtlich bedenklich (procontra berichtete). Inzwischen haben drei Vermittlerverbände dazu Gutachten eingeholt. Ergebnis: Ein Provisionsdeckel im Bereich der Lebensversicherung wäre sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich unzulässig (procontra berichtete).

Wirth: Deckelung erschwert Verbraucherberatung

„Der angedachte Provisionsdeckel gefährdet den Berufsstand der Versicherungsvermittler, führt zu weniger Beratung und erschwert Verbrauchern den Zugang zur notwendigen Versicherungs- und Finanzberatung“, sagte Norman Wirth, Vorstandschef des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung, dazu gestern Abend während einer Fachtagung in Berlin. Beim 41. versicherungswissenschaftlichen Fachgespräch des Vereins zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Berlin stand das Thema „Provisionsdeckel in der Lebensversicherung - notwendiger Verbraucherschutz oder Überregulierung?“ im Blickpunkt.

Anfangs hatte Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV), in seinem Impulsvortrag einen Provisionsdeckel von 1,5 Prozent der Beitragssumme als maximale Höhe der Vergütung für die Vermittlung von Lebensversicherungen ins Spiel gebracht. „Dies wäre eine angemessene Vergütung“, behauptete Kleinlein mit Blick auf die Vergangenheit. Demnach wurde die Provision bis 1994 an der Höhe der garantierten Erlebensfallleistung gemessen. Üblich seien damals 3,5 Prozent dieser Leistung gewesen. Danach wurde die Bezugsgröße umgestellt – auf die Summe der vereinbarten Beiträge. Fortan waren 4,0 Prozent die aufsichtsrechtliche Obergrenze. „Gemessen an der früheren Bezugsgröße haben sich die Provisionen in den letzten 20 Jahren etwa verdreifacht“, rechnete Kleinlein vor.

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Kleinlein: Deckel nötig, Provisionsverbot nicht

Das liege vor allem an den deutlich gesunkenen Leistungen. Daher schlug der BdV-Chef vor, zur alten Bezugsgröße zurückzukehren, die sich an den tatsächlichen Kundenleistungen orientiere. Zur aktuellen Diskussion um die Einführung eines Provisionsdeckel sagte Kleinlein: „Den gibt es nach Aufsichtsrecht seit 2014 doch schon – in Höhe von 2,5 Prozent der Beitragssumme.“ Ausdrücklich sprach sich Kleinlein gegen ein Provisionsverbot aus. „Das Provisionssystem ist intransparent, doch ein Provisionsverbot keine Lösung“. Damit stellte er sich gegen die Forderung des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes (vzbv). „Verbraucherschutz sei nicht homogen“, so Kleinlein.

Norman Wirth hält dagegen mathematische Berechnungen zur Höhe eines wie auch immer gearteten Provisionsdeckels derzeit für völlig unnötig. Vom BMF fehlten im Moment jegliche Beweise, dass die Kosten zu hoch, Provisionen exzessiv gezahlt und die Qualität der Beratungen zu niedrig seien. Zwei Gutachten von Hans-Jürgen Papier und Hans-Peter Schwintowski mit guten Argumenten gegen einen Deckel seien bisher argumentativ von niemandem entkräftet worden. Angesichts der durchschnittlichen Jahresgewinne von 50.000 Euro pro Einzel-Makler (vor Steuern und Altersvorsorge) wäre die Einführung eines Provisionsdeckels eine Farce. Wirth dazu rhetorisch: „Müssten die Makler für ihre Beratungstätigkeit nicht mehr Provision bekommen?“

Jacobus: Wert der Beratung ermitteln statt Vergütung deckeln

„Das würde ich bejahen“, sagte Rainer M. Jacobus, Vorstandschef der Ideal Versicherungen. Er beklagte, dass der Wert der Beratung im Versicherungsbereich weitgehend unklar sei. Die Beratungsleistung sei zwar im Beitrag eingepreist, doch sowohl beim Kunden als auch beim Vermittler und den Versicherern kein Thema. „Vermittler gehen mit ihrer Leistung in aller Regel fahrlässig um und vertreten die Kosten dafür meist nur defensiv gegenüber den Kunden“, hat Jacobus beobachtet. Ein Recht auf kostenlose Beratung gebe es nicht. „Der Vermittler muss dem Kunden ein Preisschild umhängen, über das er sich selbst zuvor im Klaren sein muss“, so der Ideal-Chef.

Ein Provisionsdeckel sei nichts weiter als Zeichen des politischen Drucks, die Lebensversicherung wettbewerbsfähiger zu machen. „Doch erst, wenn der Wert der Beratung bekannt und benannt ist, kann man über weitere regulatorische Maßnahmen nachdenken“, kritisierte Jacobus den politischen Weg zur Senkung der Vergütungen, der ausgerechnet die im Lager des Kunden stehenden Makler am härtesten treffen würde. „Wir sagen unseren Mitgliedern auch bei jeder Gelegenheit, dass sie doch mal aufschreiben sollen, was sie alles für ihre Kunden leisten“, bestätigte der AfW-Chef. Dies führe nicht selten dazu, dass Kunden manche Leistung zusätzlich zur Courtage bezahlen, weil der Maklerbetrieb sonst schon jetzt betriebswirtschaftlich an seine Grenzen kommt.

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Diskussion: Lebensversicherung gescheitert?

In der Diskussion, die souverän von Thomas Köhne, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, moderiert wurde, zeigte sich weitgehende Einigkeit, dass ein weiterer Provisionsdeckel mit der Wirtschaftsordnung unvereinbar ist. Lediglich Axel Kleinlein, von Hause aus Versicherungsmathematiker, schoss quer. Seiner Ansicht nach sei die Lebensversicherung als Produkt der Altersvorsorge gescheitert. „Die Kapitalversicherung gehört vom Markt genommen“, sagte Kleinlein wörtlich. Er verglich die Lebensversicherung mit Dieselautos, die inzwischen quasi unverkäuflich seien. Alternative Produkte konnte er auf Nachfrage von Köhne nicht nennen, da seine Tätigkeit ihm Kompetenz nur im Versicherungsbereich zugestehe.

Kleinlein stellte auch einen Zusammenhang zwischen Provisionsdeckel und Beratungsqualität her. Der Deckel würde die Vermittlerzahlen senken und so schwarze Schafe aus dem Markt drängen. Dem widersprachen Wirth und Jacobus heftig. Es gebe nur wenige schwarze Schafe. „Zur Grundannahme nach elf Jahren Regulierung gehört, dass Versicherungsmakler lauter und ehrlich beraten“, so Jacobus. Ein hoher Deckel würde „tektonische Verschiebungen im Vertrieb zulasten der Makler geben“, prognostizierte der Ideal-Chef. Damit wäre Verbrauchern ein Bärendienst erwiesen. Daher fehle ihm „die Phantasie, was der Gesetzgeber da letztlich machen will“. Einen gangbaren Weg sieht Jacobus allenfalls in mehr ratierlicher Vergütung als bisher im Markt üblich.

Kundenreaktionen pro Lebensversicherung

Den Kleinlein-Vorwurf, die Lebensversicherer böten schlechte Produkte, konterte Jacobus mit Zahlen. Die bereinigte Rendite auf den reinen Beitrag liege derzeit zwischen 4,0 und 4,5 Prozent. Damit fühlten sich Verbraucher deutlich wohler als mit Ergebnissen riskanterer Produkte. Dies zeige auch der Blick auf die Dynamiken. „Hatten vor der Finanzkrise allenfalls 50 bis 60 Prozent der Kunden einer regelmäßigen Erhöhung von Beitrag und Leistung zugestimmt, so sind es jetzt über 90 Prozent“, sagte der Ideal-Chef für sein Haus. „Den Kunden fehlen schlich Alternativen“.

Die Teilnahme an den Veranstaltungen des Vereins zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Berlin ist kostenlos. Interessenten können sich per E-Mail in den Verteiler aufnehmen lassen. Aktuare und Versicherungsvermittler können die Teilnahme als Weiterbildungszeit abrechnen.

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