In der ARD-Talksendung Anne Will brachte der SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz den Widerstand der Versicherungsbranche gegen einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung in einen Zusammenhang mit der Maskenaffäre der Unionsparteien. Scholz behauptete zu Beginn der Sendung noch, das Ziel seiner Partei sei, „für Respekt in der Gesellschaft“ zu „sorgen“. Dann aber stellte er den Verdacht in den Raum, Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler würden Bundestagsabgeordnete beeinflussen, um weiterhin Provisionen kassieren zu können – zwischen den Zeilen also der Vorwurf der Bestechung. Respekt vor der Leistung hunderttausender Beschäftigter und selbstständiger Vermittler spricht daraus nicht.
Ideologischer Kampf ohne echte Argumente
Tatsächlich muss sich der Bundesfinanzminister fragen lassen, warum er sein Ministerium (BMF) derart ungeschickt in einen ideologisierten Kampf um einen gesetzlichen Provisionsdeckel geschickt hat. Ende 2018 fand zur Vorbereitung ein Workshop mit der Arbeitsebene des Ministeriums und der nachgeordneten Behörde Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) statt. Die eingeladenen Wissenschaftler fragten nach den Gründen für einen Provisionsdeckel – und erhielten zur Antwort, dieser sei von der Ministeriumsleitung vorgegeben. Über die Sinnhaftigkeit sei nicht weiter nachzudenken.
Anfang 2019 folgte ein Referentenentwurf, den der Vize-Bundeskanzler Scholz nicht einmal in der Bundesregierung durchsetzen und zum Regierungsentwurf bringen konnte. Nach knapp zwei Jahren Pause ist ein Regierungsentwurf zu einem Deckel ausschließlich der Provisionen in der Restschuldversicherung übriggeblieben, ein Minimalkonsens, der von Anfang an auch mit den Unions-Parteien umsetzbar gewesen wäre. Dieser Deckel könnte schon seit 2019 in Kraft sein.
Trotzdem versuchte das BMF noch in einem Anfang Februar inoffiziell durchgestochenen Entwurf, mit einer eigenwilligen Definition des Begriffs „Abschlussprovision“ die Basis für einen späteren, umfassenden Provisionsdeckel in der gesamten Lebensversicherung zu schaffen. Zusätzlich sollten sogenannte Dienstleistungsvereinbarungen mit Vermittlern in allen Versicherungssparten unterbunden werden, die einem Fremdvergleich und damit Preisangeboten von Dienstleistern außerhalb der Versicherungswirtschaft nicht standhalten und daher in den Verdacht einer verkappten zusätzlichen Provision geraten können. Solche Verträge sollten nichtig sein – ein unabsehbares unternehmerisches Risiko für alle Betroffenen.
Mehr Qualität geht nicht für weniger Geld
Das BMF konnte bis heute nicht erklären, warum ein allgemeiner Provisionsdeckel in der Lebensversicherung notwendig, wirksam und sinnvoll ist. Dies insbesondere, weil gleichzeitig mehr Qualität in der Beratung gewünscht wird, was aber mit Aufwand und damit einer höheren Vergütung verbunden sein muss.
Ziel eines Provisionsdeckels sollte es sein, die Abschlusskosten in der Lebensversicherung zu senken. Um wie viel, hatte die Politik mit dem Lebensversicherungsreformgesetz nicht festgelegt. Auf mehrfaches Nachfragen hatte das BMF schließlich kryptisch geantwortet, dass die Senkung der Zillmergrenze von 40 auf 25 Promille und damit um rund ein Drittel einen Hinweis gebe. Die von der BaFin durch Versichererbefragungen festgestellte und dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags berichtete Kostensenkung fiel jedoch deutlich niedriger aus. Vergessen wurde, dass die Abschluss- und Vertriebskosten keineswegs nur aus Provisionen bestehen.
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Gar nicht erwähnt wurde, dass es bis 2008 einen Provisionsdeckel von 40 Promille der Beitragssumme gab. Dieser war durch die Vorgängerbehörde der BaFin, das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, den Versicherern gegenüber angeordnet worden. Dieses Rundschreiben wurde von der BaFin jedoch aufgehoben. Begründet wurde das damit, dass die 2008 eingeführte Offenlegung der in Lebensversicherungen einkalkulierten Abschluss- und Vertriebskosten ausreicht, für Wettbewerbsdruck auf die Vergütungen sorgen wird. Eine offensichtliche Fehleinschätzung der Aufsichtsbehörde und des vorgesetzten BMF.
Statt aber diesen Fehler von 2008 zu korrigieren, wollte das BMF mit einer hochkomplexen Regulierung mehr erreichen. Heraus kam ein nicht umsetzbares Gesetz, das nicht einmal die Bundesregierung überzeugte. So sollten bis zu 25 Promille ohne und bis zu 40 Promille mit Nachweis einer guten Beratungsqualität gezahlt werden dürfen, als ob solche Qualitätsregeln nach Belieben ein- oder ausgeschaltet werden könnten, je nachdem, wie hoch die einzelne Vergütungsabrede ausfällt.
Nur noch Testkunden beim Makler?
Nicht umsetzbar war die Idee, laufende Abschlussvergütungen mit einem variablen Zinssatz zu verbarwerten, um die Einhaltung einer Gesamthöhe von 25 oder 40 Promille sicherzustellen. Das hätte bedeutet, bildlich gesprochen jeweils in der Silvesternacht alle Vergütungsvereinbarungen neu durchrechnen zu müssen. Das, zumal der von der Bundesbank im gleitenden Durchschnitt gerechnete Zins mindestens noch viele Jahre sinken wird – im Umkehrschluss der heutige Wert künftiger Vergütungen steigen wird.
Ebenfalls aussichtslos war die Idee, durch Testkäufe die Beratungsqualität zu überwachen. Versicherungsmakler, die ihrem Anspruch gerecht werden und mit vielen verschiedenen Lebensversicherern Courtagezusagen unterhalten, hätten sich darauf einstellen müssen, zahllose Testkunden anstelle echter Kunden beraten zu müssen. Das in Verbindung mit einer sinkenden Courtage hätte den Vertrieb von Lebensversicherungen endgültig unwirtschaftlich gemacht.
Warnungen in dieser Hinsicht wurden ignoriert. So findet man aber keine sinnvollen und allgemein zu akzeptierenden Regulierungsansätze. Das dann in einen Zusammenhang mit Korruption zu bringen, ist respektlos.
procontra-Kolumnist – Matthias Beenken: Als procontra-Kolumnist ordnet Matthias Beenken aktuelle Themen aus der Versicherungs- und Beratungswelt ein und bringt die Dinge auf den Punkt. Beenken ist Professor für Versicherungswirtschaft an der FH Dortmund und verfügt über langjährige Berufserfahrung in der Versicherungs- und der Verlagsbranche. Schwerpunkt der Lehr-, Forschungs- und Publikationstätigkeit ist der Versicherungsvertrieb.
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