Riester: Gleiche Abschlusskosten trotz geringerem Eigenbeitrag?
Rund 18 Jahre nach ihrer Einführung ist die Riester-Rente hinsichtlich Rentabilität, Marktdurchdringung, gewünschter Kundengruppen sowie Verbreitung ein Erfolg. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Die Riester-Rente: ‚Abwracken‘ oder ‚Aufrüsten‘?“. Die durchschnittliche Nettorendite nach Kosten, Förderung und Besteuerung für 2018 betrug demnach 3,4 Prozent (procontra berichtete).
Im untersuchten Riester-Kollektiv wird der Break-Even im Schnitt mit 78 Jahren erreicht. Unter der Annahme des Musterfalls übersteigen die gezahlten Netto-Renten die geleisteten Netto-Beiträge nach durchschnittlich 14 Jahren in der Rentenphase. Die durchschnittliche Lebenserwartung im Kollektiv beträgt 89 Jahre.
Jetzt gilt es, die Riester-Rente sinnvoll zu reformieren (procontra berichtete). Fördersystematik und laufende Verwaltung müssten deutlich vereinfacht werden. Ebenso sollte die obligatorische Beitragsgarantie flexibilisiert und den Kunden die Wahlmöglichkeit gegeben werden, in chancenreichere Produkte zu investieren (procontra berichtete).
Reform lässt auf sich warten, Kostentransparenz auch
Die Riester-Rente soll einfacher, billiger und effizienter werden (procontra berichtete). Was bislang nicht bei den Reformvorschlägen diskutiert wird: manche Kostenexzesse vereinzelter Versicherer. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu überteuerten Verträgen. So berechneten in der Vergangenheit einige Gesellschaften doppelte Abschluss- und Vertriebskosten bei Riester-Rentenversicherungen.
Mindestens 15 Anbieter hatten eine Senkung des Eigenbeitrags als Teilbeitragsfreistellung verstanden, so eine Marktwächter-Untersuchung. Jede erneute Erhöhung des Beitrags wurde dann wie ein Neuabschluss des Vertrags behandelt und führte zu neuen Kosten. Der Branchenverband GDV, der dies für weniger als 0,1 Prozent der Verträge zugab, forderte daraufhin seine Mitglieder auf, für die betroffenen Kunden individuelle Lösungen auf dem Kulanzweg zu finden (procontra berichtete). Seither scheint das Problem gelöst.
Unveränderte Abschlusskosten bei Senkung des Eigenbeitrags?
Aber wohl immer noch nicht überall. Wie die Zeitschrift Finanztest in ihrer August-Ausgabe berichtet, hatte eine Frau, die ihre Riester-Rente 2006 abgeschlossen hatte, beim Volkswohl Bund seit 2013 zu hohe Abschluss- und Vertriebskosten reklamiert. Zunächst vergeblich. Dabei war ihr klar: Wenn Kinder geboren werden, zahlt der Staat Kinderzulagen, als Folge sinkt der Eigenbetrag. Die jährlichen Abschluss- und Vertriebskosten orientieren sich jeweils am Eigenbeitrag.
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Als die Frau 2011 zum ersten Mal Mutter wurde, reduzierte sie den Eigenbeitrag um 300 Euro – so hoch ist die jährliche Kinderzulage. Doch die Abschlusskosten blieben gleich hoch. Dasselbe passierte 2014 nach der Geburt des zweiten Kindes. Die Frau war enttäuscht: Wenn Kunden Eigenbeträge erhöhen, werden sie „vom Volkswohl Bund direkt mit höheren Kosten belastet“.
Bei niedrigeren Eigenbeträgen müssten die Kosten logischerweise sinken. Andernfalls sei Riester nicht geeignet, sich an geänderte Lebensumstände anzupassen. Als sich die Mathematikerin 2014 beim Versicherungsombudsmann beschwerte, winkte dieser laut Finanztest ab: Es gebe keine allgemeine Regelung, ihm seien „die Hände gebunden, grundlegend in die Kostenkalkulation des Versicherers einzugreifen“.
Versicherer erst von BMF-Schreiben gebremst
Doch die Frau ließ nicht locker. So wie offenbar auch andere Riester-Kunden, denen zwischen 2002 und 2019 von einigen Versicherern nach Senkung des Eigenbeitrags nicht die Abschluss- und Vertriebskosten reduziert wurden. Dazu gehörten laut BaFin auch die Allianz. Im Jahr 2019 wies das Bundes-Finanzministerium die Versicherer darauf hin, dass diese überhöhten Abschlusskosten unzulässig sind (BMF-Schreiben vom 14. März 2019; Randziffer 29).
Folge: Die Courtage für Vermittler müsste ebenfalls etwas nach unten korrigiert werden. „Das BMF-Schreiben gibt uns keine Handhabe für eine Reduzierung der Abschlussvergütung“, hieß es dagegen gestern auf Nachfrage von einer Sprecherin des Volkswohl Bundes. Grund: Die Courtage war komplett nach den ersten fünf Jahren Beitragszahlung verdient.
Rückerstattung nach Beschwerde erhöht
Die Frau wandte sich daraufhin erneut an den Volkswohl Bund. Der lenkte ein und gab seinen Fehler zu: Nach der Reduzierung des Eigenbeitrags „haben wir zu Unrecht Abschlusskosten erhoben“; man werde 206 Euro zurückzahlen, zitiert Finanztest das Versicherer-Schreiben an die Kundin. Doch die Frau konnte den Betrag nicht nachvollziehen und verlangte eine Neuberechnung. Im Februar 2020, fast sieben Jahre nach der ersten Beschwerde, rechnete der Volkswohl Bund neu und schrieb 665 Euro gut.
Kommentar des Volkswohl Bundes: „Durch die 2019 geänderte Rechtsvorgabe waren wir in der Lage, der Kundin einen Teil ihrer Abschluss- und Vertriebskosten zu erstatten. Die spätere Mehrerstattung war eine Einzelfallentscheidung aus Kulanz.“ Schon seit langem berechne man bei Riester-Renten keine Abschlusskosten mehr, wenn ein Kunde seinen Eigenbeitrag senkt und ihn danach wieder erhöht. Seit Änderung der Rechtslage 2019 „erheben wir auch auf zukünftige Zulagen oder Zuzahlungen keine Abschlusskosten, wenn das eine Mehrfacherhebung darstellen könnte“, so die Sprecherin.
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