Das Geschäft mit Lebensversicherungen ist in Niedrigzinszeiten kein reines Vergnügen. Generali verkaufte einen Großteil der eigenen Bestände und erntete dafür bereits reichlich Kritik. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen rechtfertigte Giovanni Liverani, Deutschland-Chef der Generali, den Schritt u.a. so: „Klassische Policen mit einem Garantiezins von drei Prozent sind in einer Welt von Negativzinsen nicht mehr zeitgemäß. Sie werden früher oder später für die gesamte Branche toxisch. Das ist kein spezielles Problem von Generali, sondern für alle Lebensversicherer in Deutschland. Aber wir hatten den Mut, das große finanzielle Risiko der hohen Zinsen aus unseren Bilanzen zu nehmen.“
„Schande für die Branche“
Ein Interview, das Maxpoolchef Oliver Drewes in Rage brachte. Auf seinem Facebook-Profil schrieb er: „Die Generali bezeichnet ihre eigenen Kunden als ‚toxische Belastung‘. Kundenbeziehungen, die über Jahrzehnte mit viel Liebe, Herzblut, Geld und vertrieblicher Energie von der Generali aufgebaut wurden, sind ganz plötzlich eine ungewollte und angeblich sogar ‚giftige Belastung‘.“
Gegenüber procontra legte der Poolchef nach. Die ganze „Run-off-Thematik” sei nie in den Beratungen angesprochen worden. Drewes sieht in dem Run-Off einen „plumpen und billigen Trick“, um sich aus den Verträgen zu schleichen: „Ein Vertrauensmissbrauch, den vor einigen Jahren KEIN Generali-Mitarbeiter oder Makler für möglich gehalten hätte.“
Gericht argumentiert ähnlich
Bemerkenswert ist, dass das Oberste Gericht wie Drewes argumentiert. Allerdings nicht das deutsche, sondern das britische Oberste Gericht. Das verbot kürzlich einen milliardenschweren Run-off-Deal zwischen M&G Prudential und Rothesay. Die Richter begründeten ihr Urteil vor allem damit, dass die Kunden ihre Verträge bewusst bei einem alten, traditionsreichen Unternehmen abgeschlossen hätten. Der Abwickler verfüge weder über das Ansehen, noch die Geschichte von Prudential. Zudem sei der Versicherer im Gegensatz zum Abwickler breit aufgestellt, was den Kunden Sicherheit vermittle.
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Beteiligung von Generali an Viridium
Dass sich Generali immerhin am Abwickler beteiligt und so Einflussmöglichkeiten wahrt; sich also nicht „davonstiehlt“, überzeugt Drewes nicht. Er hält die Beteiligung für ein „Feigenblatt“ und geht davon aus, dass sich Generali von diesen Beteiligungen trennt, wenn es ruhiger um die Run-off-Debatte geworden ist.
Auch die Überwachung der Finanzaufsicht kann Drewes nicht davonabhalten, im Deal eine Schande für die gesamte Branche zu sehen. Schließlich würde überwacht, ob Garantien und bereits erreichte Überschüsse eingehalten werden. Für künftige Überschussbeteiligungen gilt das nicht – in deren Zurückhaltung sei das Geschäftsmodell des Run-off-Anbieters zu sehen, so Drewes gegenüber procontra.
Run-off: Spezialisierung spart Kosten?
Ein häufiges Argument für die Auslagerung der Bestände ist die Spezialisierung und die schnellere IT. Auch dieses Argument hält der Poolchef für Augenwischerei. „Warum sollte der Abwickler mit seiner IT günstiger arbeiten können? Generali hat ja laufende Systeme. Der Abwickler muss erstmal migrieren. Und so eine Migration ist enorm teuer. Soviel effizienter kann die neue IT ja kaum sein, um diese Migrationskosten wieder rein zu holen“, so Drewes auf procontra-Nachfrage.
Wie „toxisch“ ist Generali?
Oliver Drewes bleibt dabei: Das Vorgehen der Generali sei peinlich und „toxisch“ für die ganze Versicherungsbranche. Ein Gift, mit dem sich zumindest Wettbewerber Ergo nicht anstecken lassen will. Der Versicherer gründet seine eigene Run-off-Plattform und geht den Weg des „internen Run-offs“. Diese Plattform will Ergo auch anderen Versicherern ab Mitte 2020 zur Verfügung stellen. Man darf gespannt sein, ob dieses Angebot zur „Entgiftung“ der Branche beiträgt. Drewes unterstützt die Forderung, dass die „verkauften Kunden“ wenigstens ein Anrecht auf den Übertragungswert zum Zeitpunkt des Run-offs haben sollten, statt an den deutlich geringeren Rückkaufwert gefesselt zu sein.
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