Steuerberater-Pensionskasse: Geht der Geschäftsbetrieb weiter?
Von derzeit 133 Kassen unter BaFin-Aufsicht sind nur 21 Pensionskassen freiwillig Mitglied im Sicherungsfonds Protektor. Darunter einige, die das Neugeschäft eingestellt haben, zum Beispiel HDI-Pensionskasse, oder bereits im Run-off sind, zum Beispiel die beiden Protektor-Mitglieder Pro bAV Pensionskasse und Prudentia Pensionskasse.
Die Masse der alteingesessenen Firmen- oder überbetrieblichen Pensionskassen ist bis heute nirgends in die Insolvenzsicherung eingezogen. Bislang galt der Grundsatz, dass sie gar nicht insolvent werden können. Begründung: Betriebliche Pensionskassen sind de facto zumeist reguliert - nach Antrag bei der BaFin. Voraussetzung für die Regulierung: Laut Satzung ist die Kürzung der Leistungsansprüche erlaubt, es werden ausschließlich Firmenbeschäftigte versichert, es werden keine rechnungsmäßigen Abschlusskosten für die Vermittlung erhoben und auch keine Vergütung für Vermittlung und Abschluss gezahlt.
Inzwischen musste die BaFin jedoch wegen anhaltender Niedrigzinsen drei Kassen das Neugeschäft untersagen, die nicht rechtzeitig ihre Geschäftstätigkeit auf die niedrigen Erträge umgestellt hatten. Betroffen ist vor allem die regulierte Deutsche Steuerberater-Versicherung – Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG (DSV) in Bonn, aber auch die deregulierte Kölner Pensionskasse VVaG (procontra berichtete) und ihre Schwester, die regulierte Pensionskasse der Caritas VVaG in Köln (procontra berichtete).
Schieflagen durch Niedrigzins
Bei den Schwesterkassen aus Köln haben die Mitgliedervertreter-Versammlungen und die BaFin der Sanierung zugestimmt. Konkret muss die Kölner PK 62,5 Millionen Euro aufbringen, die Caritas-PK sogar 146,5 Millionen Euro. Für Rentner wirkt sich diese Kürzung seit 1. Januar 2020 aus. Aber immerhin geht das Geschäft weiter. Und der Jahresabschluss 2018 gibt Anlass zur Hoffnung.
Bei der Steuerberater-PK in Bonn ist die Lage ernster. Die Vertreterversammlung hat am 11. Dezember ein Sanierungskonzept beschlossen. Die Kasse hatte Garantien von bis zu 4,0 Prozent auf die eingezahlten Beiträge geboten. Durch die Sanierung „wurde der maximale Garantiezins auf 2,25 Prozent abgesenkt“ – eine massive Leistungskürzung. Wie hoch die Kürzung ausfällt, kann die DSV auf Nachfrage von procontra nicht sagen. Dies sei abhängig von Tarif, Eintrittszeitpunkt und Alter der Versicherten, hieß es.
Wäre das Sanierungskonzept gescheitert, hätte der Vorstand gegenüber der BaFin die Überschuldung anzeigen müssen, heißt es in einer Ad-hoc-Mitteilung vom 12. Dezember 2019. Den Ernst der Lage verdeutlichen O-Töne aus dem Jahresbericht 2018: Die Kasse „verfügt nicht mehr über die … erforderlichen Eigenmittel in Höhe der Solvabilitätskapitalanforderung und der Mindestkapitalanforderung“. Auch weiterhin werde die Kasse die „Mindestkapitalanforderung mangels expliziter Eigenmittel nicht erfüllen. Die Risikotragfähigkeit ist daher stark eingeschränkt.“
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DSV im Visier der BaFin
Die DSV ist ein Paradebeispiel für Intransparenz. Sie kämpft schon seit Ende 2017 mit Unterdeckungen und stellte das Neugeschäft bereits im Oktober 2018 ein. Die Vertreterversammlung hat dem Sanierungskonzept nun zwar zugestimmt, doch die BaFin ist ihr unrealistisch erschien, damit die aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen dauerhaft wiederherzustellen. In der Folge hatte die BaFin im Oktober 2019 der DSV das Neugeschäft auch offiziell untersagt. Im Juli reichte die Kasse einen Finanzierungsplan ein, um Mindestkapitalanforderung wieder zu bedecken. Den will die BaFin auch nicht genehmigen, teilte sie im Oktober 2019 mit, sondern beabsichtigt, die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb zu widerrufen.
Eine Entscheidung steht noch aus. Die Kasse könnte dazu Widerspruch einlegen und gegebenenfalls gegen den Verwaltungsakt klagen – das Verfahren dürfte sich bis weit ins neue Jahr hinziehen. Wenn die BaFin die Erlaubnis widerriefe, hieße das, den Bestand des Unternehmens ordnungsgemäß abzuwickeln (interner Run-off). Dies muss für Bestandskunden keine schlechte Nachricht sein, denn im Bereich Leben/Rente/bAV werden die Verträge fortgeführt.
Trauerspiel auch in Sachen Transparenz
Das Trauerspiel um die DSV wäre beinahe von der Öffentlichkeit unbemerkt geblieben. Die BaFin nennt grundsätzlich keine Namen von Unternehmen in der Öffentlichkeit. Und die Kasse selbst hatte auch nur wegen der Pflicht, Adhoc-Mitteilungen bei besonderer Lage herauszugeben, bruchstückhaft informiert. Hintergrund: Da die Kasse 2014 zehnjährige Nachrangdarlehen begeben hat, unterliegt sie der börslichen Adhoc-Publizität. Und auch für die Gläubiger sieht es nicht gut aus. Für die Schuldverschreibungen im Gesamtnennbetrag von zehn Millionen Euro, zu 4,375 Prozent begeben, wurden die Zinszahlungen im September 2019 ausgesetzt. Nun tobt auch noch ein Streit mit den Anleihegläubigern, die ihren Einsatz zu verlieren drohen.
Die DSV hat rund 8.000 Versicherte aus dem Kreis der steuerberatenden Berufe unter Vertrag und verwaltet Kapitalanlagen von rund einer Milliarde Euro. Bei ihr kommt alles zusammen, was zusammenkommen kann: eine Pensionskasse ohne Trägerunternehmen und Arbeitgeber, die bei Schieflage der Kasse für Leistungen der Arbeitnehmer eintreten müssten, ohne Protektor, ohne Schutzschirm des Pensionssicherungsvereins (PSV) und ohne Solvency II-Berichtspflichten.
Pensionskassen künftig unter PSV-Schutzschirm
Genau dieser Fall könnte als Anlass dienen, warum der Gesetzgeber nun Pensionskassen auch unter den Insolvenzschutz des PSV stellen will (procontra berichtete). Der Referentenentwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze ist derzeit in der Verbändeanhörung (procontra berichtete).
Trotz der möglichen Gesetzesänderung würde es weiter bei der Subsidiärhaftung des Arbeitgebers bleiben. „Erst bei Insolvenz des Arbeitgebers würde der PSV einstehen, nicht bei Insolvenz einer Pensionskasse“, erklärte Georg Thurnes, Vorstandschef des Betriebsrentenverbandes Aba. Schieflagen der Kassen müssten zunächst durch den Arbeitgeber und Sanierungsklauseln beherrscht werden. Dies sei auch ein Grund, warum Firmen-Pensionskassen bislang nicht Mitglied im Sicherungsfonds Protektor sind – sie müssten sich von der Chance auf Sanierung lossagen.
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