Unfallpolicen: Finanztest bewertet erstmals Spezialtarife
„Finanztest" hat 112 Tarifangebote der Unfallversicherung für Berufstätige und Kinder geprüft und in der Juli-Ausgabe publiziert. Dazu sollten alle in Deutschland für den Vertrieb zugelassenen Versicherer sowie erstmals marktbedeutende Vermittler oder Deckungskonzeptanbieter jeweils zwei Angebote abgeben - ein besonders leistungsstarkes sowie ein gutes und günstiges Angebot.
Dabei wurden diese Mindestanforderungen vorgegeben:
Für den Vergleich wurden drei Kriterien herangezogen, die in das Gesamturteil eingingen: Kapitalzahlung (45 Prozent), Verbraucherfreundlichkeit der AVB (45 Prozent; Maßstab: GDV-Musterbedingungen) und Gesundheitsfragen in den Anträgen (10 Prozent). Wer die AUB 2014 des GDV erfüllte, konnte nicht schlechter als mit der Note „ausreichend“ abschneiden. Wer darüber hinausging, konnte Zusatzpunkte sammeln.
Insgesamt 14 Aspekte wurden durchleuchtet, darunter Gliedertaxe, Leistung bei Bewusstseinsstörungen durch Alkohol, Medikamente, Schlaganfall, Herzinfarkt oder Zuckerschock (Diabetes), Leistung auch für Folgen von Eigenbewegungen (wie Verrenkungen), Infektionen durch Zeckenbisse sowie von Vergiftungen.
Spezialvermittler mit besten Angeboten
Ergebnis: Bei den leistungsstarken Tarifen schafften 13 Anbieter die Note „sehr gut“. Vier von ihnen erzielten einen Schnitt von 1,0. Dies sind die Manufaktur Augsburg (Risikoträger: Element Insurance AG) mit dem Tarif „Premium-Plus“ sowie die Interrisk mit dem Tarif „XXL (Maxi Gliedertaxe, Maxi Progression).
Spitzenreiter bei den günstigen Tarifen ist der Tarif „Premium“ der Manufaktur Augsburg (Element) mit einem Notenschnitt von 1,2 - die einzige sehr gute und günstige Police im Test. Mit Abstand folgen dahinter die Waldenburger mit „Premium (ohne Reiten, Ski- und Motorradfahren)“ sowie die Degenia (Risikoträger: Waldenburger) mit „Optimum T18“. Beide führen die Liste der mit „gut“ bewerteten Anbieter an. „Wir sind unheimlich stolz auf das Ergebnis, denn die Unfallversicherung wurde erst 2019 neu ins Portfolio aufgenommen und hat sich bereits jetzt als wahrer Spitzenreiter bei Partnern und Kunden etabliert“, sagt Manufaktur-Geschäftsführer Armin Christofori.
Welche Vermittler zum Test eingeladen wurden
Wichtig für Vermittler: Finanztest hat auf die jahrelange Kritik der Berater reagiert und erstmals auch Deckungskonzepte von Assekuradeuren sowie Maklerpools beziehungsweise -verbünden berücksichtigt. „Im Test sind insgesamt zehn Vermittler enthalten“, sagte Michael Nischalke, Projektleiter Versicherungen und Recht der Stiftung Warentest, auf Nachfrage von procontra. In alphabetischer Reihenfolge seien dies: Adcuri, ConceptIF, Degenia, Domcura, germanBroker, KAP Maklerservice, Konzept & Marketing, Manufaktur Augsburg, Prokundo (eigentlich ein Online-Versicherer) und SLP.
Insgesamt wurden 26 Vermittler angefragt, so Nischalke weiter. „Wirkliche Verweigerer hatten wir nicht, eher gab es gar keine Rückmeldung“. Ein Vermittler habe nicht gewollt, dass der Risikoträger publiziert wird und daher seine Teilnahme zurückgezogen. Bei einem früheren Test zur Versicherungsberatung waren nur vier Maklerfirmen untersucht worden.
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Weiterer Schritt zu mehr Transparenz nötig
Dennoch bleibt im Dunkeln, welche Vermittler namentlich von der Stiftung zur Teilnahme aufgefordert wurden, sich aber nicht beteiligten. Zudem fehlt für Leser eine Liste jener Versicherer, die den Vergleich scheuen. So fehlen einige Marktgrößen im Test. Hier wäre wie schon in früheren Finanztests mehr Transparenz angebracht gewesen. Das betrifft auch die Leistungskriterien. Es wird zwar angegeben, ob die Vorgaben der GDV-Musterbedingungen teilweise oder ganz übererfüllt wurden, aber nicht in welcher Ausprägung.
Lässt sich zum Beispiel konkreter sagen, wie die Bewertung generell erfolgt ist im Verhältnis zu den GDV-Musterbedingungen (AUB 2014), wollte procontra wissen? Was heißt „deutlich erweitert“, was heißt „eingeschränkt erweitert“? Dies wird nur summarisch mit zwei Kurz-Symbolen bei Finanztest erklärt. Doch Nischalke nennt auf Nachfrage ein Beispiel: Beim Kriterium Zeckenbiss leisten die besten Angebote sowohl, wenn durch einen Zeckenbiss FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) als auch eine Borreliose verursacht wurden. Eingeschränkt erweitert sind dagegen Tarife, die zwar eine durch Zeckenbiss verursachte FSME absichern, aber keine dadurch bedingte Borreliose.
Wie hinter den Kulissen bewertet und gewichtet wird
Nischalke gibt einen weiteren Hinweis: „Die Kriterien, die in das Gruppenurteil zu Bedingungen eingeflossen sind, wurden – je nach ihrer Bedeutung für den Verbraucher – zum Teil mit unterschiedlichem Gewicht innerhalb dieses Gruppenurteils berücksichtigt.“ Beispielsweise seien etwaige Verbesserungen bei der angebotsspezifischen „Gliedertaxe“ mit höherem Gewicht eingegangen als die jeweiligen Ausprägungen bei den Kriterien „Fristen“ oder „Vorerkrankungen“.
Letztere wurden wiederum höher gewichtet als beispielsweise die jeweils zur Verfügung stehenden Versicherungssummen für „Bergungskosten“ oder „kosmetische Operationen“. Doch diese Hinweise unterstreichen zugleich nur, wie intransparent die Bewertung für den Leser bleibt.
Kapitalzahlung als bedeutsam eingestuft – warum?
Fragwürdig ist auch die hohe Bewertung der Kapitalzahlung mit einer Gewichtung von immerhin 45 Prozent. Wie genau die Noten errechnet wurden, bleibt auch hier unklar. Zudem schneiden Tarife mit hoher Progressionsstaffel tendenziell besser ab als solche ohne Progression. Dass vergleichbar hohe Leistungen bei schwerer Invalidität auch mit höherer Grundsumme und niedriger Progressionsstaffel möglich sind, wird offenbar nicht bewertet. In einem früheren Test waren die Folgen von Sportunfällen bagatellisiert worden.
Für Kunden in gefahrenträchtigen Jobs ist der Beitrag bei den meisten Tarifen höher und der Test damit kaum nutzbar. Das trifft auf viele Handwerkerberufe zu, aber beispielsweise auch auf Musiker. Einige Versicherer erheben zwar keine Zuschläge für risikoreiche Berufe, klammern aber Unfälle während der Ausübung der Jobs aus oder reduzieren die Leistungen im Schadenfall. Da bleibt es für Makler bei der bisherigen Marktrecherche: Sie müssen tiefer in die Bedingungen eintauchen und zugleich die Schadenregulierung der Anbieter im Blick behalten.
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