procontra: Welches Ausmaß hat Versicherungsbetrug heute?
Peter Holmstoel: Wir gehen in der Schaden-/Unfallversicherung von einem jährlichen Schaden in Höhe von fünf Milliarden Euro aus.
procontra: Welche Motivation treibt die Täter?
Holmstoel: Es gibt eine große Spannbreite an Motiven. Für den normalen Betrüger ist die wirtschaftliche Bereicherung das naheliegende Motiv. Grundsätzlich lässt sich sagen, die überwiegende Mehrheit der Kunden redlich ist. Aber für Betrüger gilt: Gelegenheit macht Diebe. Dabei ist klar, Versicherungsbetrug ist keine Ordnungswidrigkeit – es ist eine Straftat!
procontra: Angesichts des hohen Schadens sollte man meinen, dass die Versicherer bestrebt sind, das Problem zu lösen. Wo liegen die Probleme?
Holmstoel: Ein Problem ist sicherlich, dass ein Betrugsverdacht nicht ausreicht, der Versicherer muss den Betrug auch beweisen. Zudem muss man auch den wirtschaftlichen Aufwand der Versicherer berücksichtigen. Bei einem dubiosen Handyschaden in Höhe von 200 Euro ist abzuwägen, ob hier Anwälte und Gerichte bemüht werden sollen. Grundsätzlich gilt aber, die Versicherungsgemeinschaft zu schützen und das schließt die Verhinderung von Betrug mit ein.
procontra: Welche Möglichkeiten der Prävention haben die Versicherer?
Holmstoel: Wir wissen aus Befragungen, dass Täter vor einem Betrug zurückgeschreckt hätten, wenn sie vorher über die möglichen Folgen aufgeklärt worden wären – Aufklärung ist deshalb ein wesentlicher Aspekt. Und natürlich gibt es zunehmend auch technische Möglichkeiten.
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procontra: Wie genau können Künstliche Intelligenz und Big Data hier helfen?
Holmstoel: Die Algorithmen können dabei helfen, aus der Menge aller Schäden atypische Schadensmerkmale zu definieren. Das Vorhandensein atypischer Schadensmerkmale ist dann Anlass, einen Schadensfall genauer zu prüfen. Das heißt allerdings nicht automatisch, dass es sich bei dem Schadensfall um einen Betrug handelt. Ob es sich beispielsweise bei einem Einbruch mit atypischen Schadensmerkmalen um einen Versicherungsbetrug oder aber eine neue Masche der Einbrecher handelt, kann keine Software bestimmen. Hierfür wird weiterhin ein Schaden- oder Betrugssachbearbeiter benötigt.
procontra: Worin liegt denn der Vorteil der Künstlichen Intelligenz?
Holmstoel: Der Vorteil ist, dass die Künstliche Intelligenz fast alle Schadensfälle überprüfen kann. Von den dann ausgesteuert Fällen, ist oftmals nur ein kleiner Prozentsatz wirklich auch ein Versicherungsbetrug. Die Schäden, die hingegen von einem geschulten Mitarbeiter ausgesteuert werden, sind wesentlich häufiger auch tatsächlich ein Versicherungsbetrug – allerdings kann der Mensch nur einen Bruchteil der Schadensfälle überprüfen.
procontra: Die Software kann also nur eine Art Vorauswahl treffen?
Holmstoel: Ja. Der eigentliche Vorteil dieser Software ist, dass der Versicherer Schäden, die keine atypischen Schadensmerkmale aufweisen, schneller bearbeiten kann und der Kunde somit schneller sein Geld bekommt.
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