Wer eine echte Nachhaltigkeitsstrategie sucht, sieht schwarz
Wer sich den nun vorliegenden Koalitionsvertrag anschaut, merkt schnell: Das Versprechen, Deutschland zu modernisieren, wird nur teilweise eingelöst. Der Vertrag listet viele Vorhaben auf, wirkt aber mehr wie eine To-do-Liste als wie eine politische Strategie. Nachhaltigkeit wird benannt, aber nicht als verbindendes Prinzip verstanden. Der Dreiklang aus ökologischer Vernunft, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit bleibt unausgewogen – ökonomisch dominiert, ökologisch punktuell, sozial zu oft vertagt. Wer nach nachhaltiger Politik sucht, sieht schwarz. Manchmal auch rot.
Die geplante Pflicht zur Elementarschadenversicherung für alle Wohngebäude ist ein tiefer Eingriff – aber notwendig. Bestehende Verträge sollen ergänzt, neue nur noch mit dieser Deckung verkauft werden. Für Vermittlerinnen und Vermittler bedeutet das eine enorme Umstellung, für Kundinnen und Kunden höhere Beiträge – aber auch mehr Schutz. Dass der Staat eine Rückversicherung aufbauen will, ist ein Zeichen: Die Politik erkennt Klimarisiken endlich als systemrelevant an. Hier trifft Regulierung auf Realität – und das ist zu begrüßen.
„Frühstart-Rente“ für Kinder soll kommen
Weniger klar sind die Pläne zur Altersvorsorge. Die Riester-Rente wird abgeschafft, ein neues, standardisiertes Produkt ohne Garantien wird angekündigt. Wie es konkret aussehen soll, bleibt offen. Die sogenannte „Frühstart-Rente“ für Kinder – monatlich zehn Euro vom Staat in ein Vorsorgedepot – ist ein symbolischer Schritt, der mehr sein könnte, wenn konsequent nachhaltig investiert würde. Die betriebliche Altersvorsorge soll ausgebaut, vor allem für Geringverdienerinnen und Geringverdiener attraktiver gemacht werden. All das sind sinnvolle Ansätze – aber ohne Struktur und Verbindlichkeit. Für Vermittlerinnen und Vermittler entsteht Beratungsbedarf, für viele Kundinnen und Kunden bleibt die Zukunft der Vorsorge dennoch unsicher.
Dafür soll der Hinzuverdienst für Rentnerinnen und Rentner im Alter bis zu einem Monatseinkommen von 2.000 Euro steuerfrei sein. Das ist auch nötig, weil es an einem tragfähigen Konzept zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso fehlt wie an innovativen Ideen zur Förderung privater Vorsorgebemühungen mit substanzieller, staatlicher Unterstützung. Warum vorsorgen, wenn man im Alter bis zum Umfallen steuerfrei dazuverdienen kann? Zugleich hat sich die neue Bundesregierung auf mehr Abschiebungen und die Abschaffung der schnellen Einbürgerung geeinigt.
Deutschland wird zu einem einwanderungsfeindlichen Land
Deutschland wird so zu einem einwanderungsfeindlicheren Land. Dieses politische Signal dürfte vor allem von gut ausgebildeten Fachkräften im Ausland verstanden werden. Es löst kein einziges Problem, dass sich in migrationspolitischen Fragen bei den Koalitionsverhandlungen eine Partei durchgesetzt hat, die gar nicht mit am Tisch saß. In der AfD wird man Überstunden machen müssen, um sich noch radikalere Ideen auszudenken, denn die schwarz-rote Koalition hat zentrale migrationspolitische Positionen der AfD bereits übernommen. Das wird Deutschland nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich großen Schaden zufügen.
Die gesetzliche Krankenversicherung wird als Problem benannt – aber es gibt keine Lösungsvorschläge. Eine Kommission soll Reformen bis 2027 vorbereiten, konkrete Maßnahmen fehlen. Die private Krankenversicherung bleibt komplett unerwähnt – keine Reform, kein Kommentar, eine Leerstelle. Für die Branche ein Zeichen der Ruhe, für die Versicherten eine verpasste Chance zur Systemdebatte. Denn viele Privatversicherte sind nicht zufrieden mit der Perspektive immer weiter steigender Beiträge.
Politischer Rahmen für ESG-Produkte fehlen
Ähnlich unentschlossen zeigt sich der Vertrag bei nachhaltigen Geldanlagen. Fonds sollen leichter in Infrastruktur investieren dürfen – ein technischer Schritt. Doch ein klarer politischer Rahmen für ESG-Produkte, Beratung oder Transparenz fehlt. Für Kundinnen und Kunden, die bewusst nachhaltig investieren wollen, bleibt vieles unklar. Nachhaltige Finanzberatung bleibt deshalb Pionierarbeit – für Beraterinnen und Berater, die langfristig denken.
Der Koalitionsvertrag will vieles – Transformation, Modernisierung, Sicherheit. Aber nachhaltige Politik braucht mehr als einzelne Reformen. Sie braucht ein Gleichgewicht der Interessen und einen Kompass, der soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte gemeinsam denkt – und keinen Aspekt gegeneinander ausspielt oder überbetont. Davon ist dieser Vertrag weit entfernt. Er verspricht Zukunft, ohne sie zu gestalten. Es ist ein Vertrag für die Ängstlichen, die Bewahrenden und die Verwaltenden. Was daraus wird, hängt von den Gesetzen ab, die nun folgen müssen. Noch ist Zeit, es besser zu machen. Aber wer heute echte Nachhaltigkeit sucht, wird in diesem Koalitionsvertrag vor allem eines finden: die Lücke zwischen Anspruch und Realität.