BGV-Vertriebsvorstand: „Wir wollen für Makler besser sichtbar werden“
procontra: Die Versicherungsbranche befindet sich gerade im Umbruch, auch im Vertrieb. Bestände werden geprüft und saniert, Versicherer ziehen sich aus bestimmten Risiken zurück und schränken die Zusammenarbeit mit Maklerpools ein, andere fusionieren. Sie sind seit 1. Juli 2024 Vertriebsvorstand beim BGV. Wie sehr ist Ihre Arbeit hier von den genannten Vorzeichen beeinflusst?
Philipp Lechner: Wesentlich. All diese Themen beschäftigen uns in der Ausrichtungsfrage des BGV für die Zukunft, für unsere Strategie bis 2030. Da geht es besonders um das Thema Kosten, aber auch um die Digitalisierung und wie wir auf die Demographie reagieren.
procontra: Sie sprechen die Kosten an. In welchen Bereichen wollen Sie diese optimieren?
Lechner: Ich meine damit vor allem die Ertragssituation in einzelnen Feldern. Speziell mit der Kfz-Versicherung haben wir, wie viele andere auch, zuletzt wenig Freude gehabt. Die Kosten für die Schadenregulierung in den Werkstätten sind extrem gestiegen. Da sehen wir uns gezwungen, mit den Beiträgen nachzuziehen.
procontra: Was noch einmal das Potenzial der Werkstattbindung hervorhebt…
Lechner: Ja, bei uns kann man zwischen Tarifen mit und ohne Werkstattbindung auswählen. Wir versuchen aber auch bei den Kundinnen und Kunden ohne Werkstattbindung im Schadenfall in den Prozess reinzukommen und diese unterstützend zu begleiten. Dabei geht es uns auch darum, unnötige Schadengutachten zu vermeiden, die am Ende die Kosten weiter erhöhen. Wir wollen also auch unser Schadenmanagement verbessern und in Kfz nicht nur über Beitragserhöhungen wieder in die schwarzen Zahlen kommen. Zum Jahreswechsel haben wir im Kfz-Privatkundenbereich die Beiträge um durchschnittlich 16 Prozent erhöht, im gewerblichen Kfz-Bereich in einem vergleichbaren Niveau. Trotz der Anpassungen waren unsere Stornoquoten geringer als in den Vorjahren. Wir sind also anscheinend auf einem guten Weg, auch in der Kfz-Sparte wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Ich denke, dass die jüngsten Fusionen zwischen Versicherern nicht die einzigen bleiben werden.Philipp Lechner
Vertriebsvorstand der BGV Badische Versicherungen
procontra: Andere Versicherer fusionieren, um kosteneffizienter zu arbeiten. Ist das für den BGV auch ein Thema?
Lechner: Unsere Eigentümer sind die badischen Kommunen. Unsere ureigene Aufgabe ist es, ihnen einen passenden Versicherungsschutz anzubieten, und entsprechend ist das unser Kerngeschäft. Wir haben sozusagen eine andere Daseinsberechtigung als viele andere Versicherer und erreichen auch aktuell, bis auf die Kfz-Versicherung, gute Schadenkostenquoten. Also nein, das ist kein Thema für uns. Aber ich denke, dass die jüngsten Fusionen zwischen Versicherern nicht die einzigen bleiben werden.
procontra: Der BGV arbeitet mit Maklern zusammen, hat aber auch eine Ausschließlichkeitsorganisation (AO). Bei der Nürnberger hatten Sie zuletzt als Leiter des Exklusivvertriebs das Ziel, die Anzahl der Vertreter zu verdoppeln. Verfolgen Sie das Ziel des AO-Ausbaus jetzt auch beim BGV?
Lechner: Ja, Wachstum beziehungsweise Ausbau ist definitiv unsere Zielstellung. Allerdings ist die AO des BGV nur im badischen Raum organisiert, und das wird auch so bleiben. Sie ist verteilt auf sechs Regionaldirektionen. Trotzdem gibt es in der Region noch weiße Flecken mit großem Potential für uns. Aktuell kennen etwa 33 Prozent der Menschen in Baden den BGV, obwohl wir in Sachen Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit in der Region sehr aktiv sind. Um diese weißen Flecken zu füllen, ist es mein Ziel, mehr Menschen für den AO-Vertrieb zu begeistern. Aktuell haben wir circa 50 selbstständige Agenturen mit rund 70 Beschäftigten. Dazu kommen noch etwa 30 direkt beim BGV angestellte Kundenberaterinnen und -berater sowie über 250 Vertrauensleute, also nebenberufliche Vermittler. Diesen dreistufigen Weg bieten wir auch weiterhin als Karrieremodell an. Also Menschen über die nebenberufliche Vermittlung an das Thema Versicherung heranführen, anschließend gegebenenfalls in einem Angestelltenverhältnis die Basis erlernen und dann sogar in der Selbständigkeit eine eigene Agentur führen. Da gibt es beim BGV mehrere sehr erfolgreiche Beispiele, bei denen es genau so lief.
procontra: Der BGV selbst ist nur Sachversicherer, nutzt aber mehrere andere Versicherungsunternehmen als Kooperationspartner, beispielsweise in der Lebens- und Krankenversicherung. Wie wichtig ist das für Ihre AO?
Lechner: Unser Kooperationspartnernetzwerk ist ganz entscheidend für die Stärke unserer AO, denn dadurch können unsere AO-Vermittler ihre Kunden ganzheitlich beraten. Solche Ventillösungen zu bieten, ist ja generell gerade eine breite Entwicklung im Exklusivvertrieb. So hat man als Vertreter die Chance, den Bedarf seiner Kunden vollständig zu decken, auch wenn das eigene Haus keine Produkte in der benötigten Sparte anbietet. Denn eins haben wir uns auf die Fahne geschrieben: Beim Thema Versicherungen in Baden soll der BGV die erste Wahl sein – und das entweder mit eigenen Produktlösungen oder eben über starke Kooperationspartner.
Wir wollen schlichtweg in die Regale unserer Partner kommen und ehrlich gesagt auch dort besser positioniert werden.Philipp Lechner
Vertriebsvorstand der BGV Badische Versicherungen
procontra: Und welche Wachstumsziele haben Sie im Maklergeschäft?
Lechner: Im Maklermarkt fokussieren wir uns vorrangig auf das Firmengeschäft. Dort wollen wir in einzelnen Betriebsarten zur Spitze gehören, zum Beispiel bei Hotel- und Gastrobetrieben, Vereinen und Kleinstunternehmen. Dazu wollen wir weiter unsere digitalen Schnittstellen zu den verschiedenen Maklerpools, Maklerverbünden oder Vergleichern ausbauen, um insgesamt für die unabhängigen Vermittler besser sichtbar zu werden. Wir wollen schlichtweg in die Regale unserer Partner kommen und ehrlich gesagt auch dort besser positioniert werden. Daneben wird Wachstum dann möglich sein, wenn wir bundesweit unsere Bekanntheit steigern. Dazu gehört aber auch eine klare Positionierung und eben nicht, dass wir ein neuer Player für beispielsweise die Industrieversicherung werden. Wir sind uns bewusst, wo wir herkommen, wo unsere Stärken liegen, wo unsere Kompetenzen liegen. Und in diesen Bereichen wollen wir wachsen.
procontra: Sie sagen, Sie wollen überall ins Regal kommen. Ist es denn so schwierig, als Versicherer die Zusammenarbeit mit einem Maklerpool zu knüpfen?
Lechner: Es geht dabei um verschiedene Kriterien. Klar, einerseits die Produkte, wenngleich diese ohnehin gut vergleichbar sind. Anderseits muss man sich im Courtage-Bereich einigen, die digitalen Prozesse müssen stimmen, und dann muss man auch persönlich gut zusammenarbeiten können. Versicherung ist und bleibt ein People Business. Wenn es auf diesen vier Ebenen passt, dann kann man ins Geschäft kommen.