BU & Co.: So will die Nürnberger zum Marktführer werden

Zuletzt ist sie im BU-Bereich kaum gewachsen, dennoch will die Nürnberger zur Nummer 1 im Einkommensschutz werden. Über Kooperationen, Provisionen und die Arbeitszeit der Vermittler spricht Lebensversicherungsvorstand Harald Rosenberger im Interview.

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09:04 Uhr | 29. April | 2021
Die Nürnberger will zur Nummer 1 im Einkommensschutz werden. Wie sie das erreichen will, verriet Leben-Chef Harald Rosenberger im procontra-Interview. Bild: Nürnberger

Die Nürnberger will zur Nummer 1 im Einkommensschutz werden. Wie sie das erreichen will, verriet Leben-Chef Harald Rosenberger im procontra-Interview. Bild: Nürnberger

procontra: Das erste Corona-Geschäftsjahr liegt hinter Ihnen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis der Nürnberger allgemein und mit speziellem Blick auf die Lebensversicherung?

Harald Rosenberger: Ich glaube, wenn man in zehn Jahren auf unser Ergebnis 2020 schauen wird, dann wird man ergänzend dazu sagen müssen, dass damals die Corona-Pandemie war. Denn: Den Zahlen sieht man es nicht an und ich glaube, das sagt schon alles. Das Gleiche gilt speziell für die Lebensversicherung. Im April 2020 hatte uns vor allem das Risiko eines möglichen Bestandsabriebs in der bAV Sorgen bereitet. Deshalb lag unser Fokus darauf, den Firmenkunden ihre finanzielle Flexibilität zu bewahren. Das hat sich bewährt. Unsere Stornozahlen für 2020 sind auf Vorjahresniveau. Das zu erreichen war uns viel wichtiger als den Fokus aufs Neugeschäft zu legen. Trotzdem konnten wir insgesamt einen Anstieg beim Neugeschäft erzielen und haben nur einen Dämpfer bei den laufenden Beiträgen hinnehmen müssen. Aber vor dem Hintergrund, dass unsere Vermittler deutlich weniger persönliche Beratungstermine wahrnehmen konnten, vor allem bei Firmen, blicke ich auf ein richtig gutes Geschäftsjahr zurück.

procontra: Man merkt Ihnen die Zufriedenheit an. Nun heißt es in Ihrem Geschäftsbericht, dass die Nürnberger in absehbarer Zukunft die Nummer 1 bei der Absicherung der Arbeitskraft im Markt werden will. Ein paar Seiten vorher erklären Sie aber, dass sich Ihr BU-Bestand im Jahr 2020 kaum erhöht hat. Wie wollen Sie diese Diskrepanz überwinden?

Rosenberger: Es ist unser Ziel, die Nummer eins im Einkommensschutz zu werden. Einkommensschutz greifen wir etwas größer auf als nur die Berufsunfähigkeitsversicherung. Dazu zählen wir auch Produkte wie die Grundfähigkeitsversicherung, Ernstfallschutz, Risikoleben, Krebs, KV-Zusatzprodukte oder auch die Unfallversicherung. Wir rücken also alles, was das Einkommen unserer Kunden schützt, in unseren strategischen Fokus. Mit speziellem Blick auf die BU war die Veränderung in 2020 auch deswegen nur marginal, weil wir hier einen großen Bestand haben, Veränderungen sich also verhältnismäßig nur gering auswirken. Wir haben in der BU circa sieben Prozent Marktanteil – das hat die Nürnberger sonst in keinem anderen größeren Segment. Insgesamt sehen wir hier also unsere Stärken und aus diesen heraus soll es jetzt nach vorne gehen.

„Getsurance soll auch Leads für unseren stationären Vertrieb generieren“

procontra: Apropos nach vorne: Kürzlich hat die Nürnberger ein Insurtech mit Spezialisierung auf Einkommensschutz vor der Pleite gerettet. Was genau haben Sie mit Getsurance vor?

Rosenberger: Über dem Getsurance-Kauf steht für uns das Thema der Einkaufsentscheidung aus Kundensicht, sprich: Wie kommt der Kunde an sein Produkt? Dabei glauben wir sehr stark an eine Omnikanallösung. Wir wollen dem Kunden nicht mehr vorgeben, wie er seine Police abzuschließen hat, sondern wir wollen ihm einfach die Wahl lassen, weil er bei uns alle Möglichkeiten hat. Getsurance unterstützt uns dabei mit seinem Knowhow, soll nach Abschluss des Insolvenzverfahrens aber auch Leads für unseren stationären Vertrieb generieren. Denn viele Kunden werden online auf Getsurance aufmerksam, hätten dann aber doch gerne eine persönliche Beratung. Einen ähnliches Vorgehen verfolgen wir mit unserem eignen Kanal, der evo-X.

procontra: Getsurance vermittelt aktuell ausschließlich Policen des Liechtensteiner Versicherers Squarelife. Wie passt es zusammen, dass die Nürnberger ein Unternehmen unterstützt, das ausschließlich die Produkte eines anderen Versicherers verkauft?

Rosenberger: Das muss ja nicht so bleiben, schließlich ist Getsurance ein Mehrfachagent.

procontra: Mit Worksurance sind Sie seit Kurzem an einem weiteren jungen Unternehmen mit Schwerpunkt Arbeitskraftabsicherung beteiligt. Wen soll diese Kooperation ansprechen und was wollen Sie damit erreichen?

Rosenberger: Bei Worksurance hat sich ein junges Team – überwiegend aus dem stationären Vertrieb – mit tollen Ideen zusammengetan. Schwerpunkt ist das Schaffen von Inhalten rund um das Thema Einkommensschutz. Davon sollen Vermittler profitieren können, vor allem was die eigene Suchmaschinenoptimierung angeht, ohne sich bei Google eine Top-Platzierung kaufen zu müssen. Außerdem soll über die Inhalte ganz allgemein das Interesse junger Menschen im Netz auf das Thema Einkommensschutz gelenkt werden. Denkbar sind auch hier irgendwann Leads für den stationären Vertrieb, aber Worksurance ist noch am Anfang und hier wird gerade noch viel ausprobiert.

Seite 1: Nürnberger peilt Marktführerschaft an
Seite 2: Weniger Provision für Altersvorsorge, mehr für Biometrie?

procontra: Die Nürnberger tut offenbar einiges, damit ihre Vertriebspartner sie bei der Einkommensschutz-Ambition unterstützen. Ich habe erfahren, dass Sie die LV-Provisionssätze Ihrer Generalagenten für Altersvorsorgeprodukte leicht gesenkt, dafür für Biometrie-Produkte leicht erhöht haben – nach meinen Informationen um jeweils rund fünf Promille. Wird damit auch die Marschrichtung für den Vertrieb vorgegeben?

Rosenberger: Das muss man etwas differenziert sehen, weil solche Promillesätze nicht immer zwangsläufig für alle gleich gelten. Wir finden, dass es komplexer ist, zu einem Biometrie-Vertrag mit 100 Euro Monatsbeitrag zu beraten als zu 100 Euro monatlicher Altersvorsorge. Am wichtigsten ist natürlich, dass für den Kunden alles perfekt ist. Danach kommt es aber darauf an, dass der Vermittler für seine kostbare Arbeitszeit adäquat entlohnt wird. In der Altersvorsorge lassen sich in der Zukunft beispielsweise viel leichter Erhöhungen durchführen und deshalb sind wir überzeugt, dass ein Altersvorsorgevertrag nicht denselben Promillesatz haben kann wie ein Biometrievertrag. Es geht aber auch um die Werthaltigkeit von Produkten. Wenn die Zinsen nahe null sind, muss man auch die Kosten eines Vertrags reflektieren. Aber der Hauptgrund, warum wir hier eine leiseste Adjustierung vorgenommen haben, ist der Unterschied beim Beratungsaufwand. Fragen Sie gerne mal unsere Vermittler, wie lange sie für 1.000 Euro Jahresbeitrag in Biometrie beraten müssen und wie lange in der Altersvorsorge. Dann wird sehr schnell klar, wo aus der Bedarfsperspektive eines Vermittlers mehr Provision fließen sollte, wenn man sich die Arbeitszeit anschaut.

procontra: Die Senkung gilt auch für die bAV. Soll diese dann zukünftig weniger im Fokus Ihrer Vertreter stehen?

Rosenberger: Nein, es bleibt ganz klar ein wichtiger Baustein der NLV. Auch hier verweise ich auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis für Kunde und Vermittler. Für dieselbe Beitragssumme in Biometrie brauchen unsere Vermittler in der Beratung deutlich mehr Zeit als in der Altersvorsorge, dem wollen wir gerecht werden. Dazu muss für die Kunden die Kostenallokation stimmen. Zu Zeiten von marginalen Zinsen sind Kosten für Kunden ein immer wichtigeres Merkmal.

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