Teilnahme-Verzicht: Stellen Versicherer Ratings auf den Prüfstand?
Die Versicherungsunternehmen haben schon entspanntere Zeiten erlebt. Aktuell regiert vor allem in der Schadenversicherung der hohe Kostendruck durch gestiegene Materialkosten und Stundensätze. Doch auch ganz allgemein wird der Geschäftsbetrieb teurer, etwa durch Tarifrunden im Innendienst oder die Energiekosten für die Niederlassungen. Das aktiviert logischerweise Sparmaßnahmen bei den Versicherern. Die Nürnberger beispielsweise hat offen bekundet, jede Kostenquelle auf den Prüfstand zu stellen.
Das wirft die Frage auf, ob Versicherungsunternehmen in Zukunft auch an Ratings sparen werden. Schließlich kosten die Teilnahmen beziehungsweise Siegel von Ratings und Rankings regelmäßig vier- und fünfstellige Beträge. Zudem ist die Frage danach nicht rein theoretisch. Denn wie die Assekurata Assekuranz Rating-Agentur kürzlich bekannt gab, haben sich die Marken der Huk-Coburg-Versicherungsgruppe gegen eine Verlängerung ihrer Teilnahme an den Unternehmens- und Bonitätsratings von Assekurata entschieden. Beispielsweise für Marketingzwecke dürfen diese nun nicht weiter eingesetzt werden.
Huk-Coburg und Allianz canceln Ratings
Bei der Huk-Coburg erklärt man den Schritt auf procontra-Nachfrage mit der Vielzahl von Ratings und Rankings, die es mittlerweile für Unternehmen und Produkte gibt. „Für Kundinnen und Kunden wird es daher immer schwieriger, sich einen Überblick zu verschaffen und einen Mehrwert für ihren Bedarf daraus abzuleiten. Damit verlieren Ratings für uns als einen großen Versicherer für private Haushalte in Deutschland an Relevanz“, sagte ein Sprecher. Ob es sich dabei auch um eine Einsparmaßnahme handle, wurde nicht beantwortet. Man würde aber immer sorgfältig schauen, welche Siegel und Ratings zur Huk-Coburg passen würden.
Zweites konkretes Beispiel ist die Allianz Private Krankenversicherung. Sie hatte kürzlich an einem bKV-Rating des IVFP überraschend nicht teilgenommen. Zwar wollte auch die Allianz nicht konkret auf unsere Frage antworten, ob es sich dabei um eine Maßnahme zur Kosteneinsparung handle. Eine Sprecherin sagte jedoch, dass man jeweils individuell über die Teilnahme an Produktratings entscheide. Beim besagten IVFP-Rating habe man sich entschieden, einmalig nicht teilzunehmen. „Ratings haben nach unserer Erfahrung nach wie vor einen Stellenwert für Kunden bei der Produktentscheidung und werden deshalb auch von Vertrieben genutzt“, fügte die Sprecherin hinzu.
Versicherer schauen genauer hin
Und wie verhält es sich bei anderen Versicherern? „Die Generali in Deutschland nimmt an verschiedenen Ratings teil, wie zum Beispiel bei Assekurata oder den Finanzkraft-Ratings von Moody’s, AM Best und Fitch“, heißt es aus der Presseabteilung der Generali. Diese Ratings hätten weiterhin eine hohe Bedeutung, insbesondere im Kontext der Zusammenarbeit mit dem Vertrieb und für die Beteiligungen an großvolumigem Geschäft. Auch für die HDI-Marken spielen Ratings nach wie vor eine wichtige Rolle als Qualitätsnachweis. Man nehme aktuell an einer Vielzahl kostenfreier Untersuchungen teil, sagte eine Sprecherin. Zusätzlich würden spezielle gebührenpflichte Service- und Kompetenzratings beauftragt und der Kauf von Gütesiegeln alljährlich neu geprüft.
Bei Axa und Alte Leipziger sieht man die steigende Zahl der Ratings für die Versicherungsbranche teilweise kritisch. Beide Versicherer setzen daher auf eine gezielte Auswahl ihrer Rating-Teilnahmen und Siegelkäufe, betonen aber auch, dass diese unterstützende Wirkung für den Verkaufsprozess hätten. Der Konzern Versicherungskammer teilt klar zwischen Unternehmensratings und Produktrankings. Erstere seien wichtig für den Vertrieb und um die Marktposition zu stärken. An kostenpflichtigen Produktrankings habe man aber bisher in der Regel nicht teilgenommen und habe dies auch nicht vor.
Sind Ratings wichtig für die Beratung?
Die Rating-Agenturen selbst beurteilen die aktuelle Situation für ihr Geschäftsmodell teilweise etwas unterschiedlich. IVFP sowie Franke und Bornberg nehmen kein sinkendes Interesse seitens der Versicherungsunternehmen wahr. „Im Gegenteil verzeichnen unsere Unternehmensratings im Bereich der Arbeitskraftabsicherung beispielsweise seit Jahren Zuwächse“, sagte Franke-und-Bornberg-Chef Michael Franke auf procontra-Nachfrage. Qualitativ hochwertige Ratings seien vor allem bei neuen Produktbereichen wie Grundfähigkeit und Cyber wichtig, um mittelfristig für Marktstandards zu sorgen. „Qualitativ hochwertige Ratings werden in einer zunehmend komplexer werdenden Welt auch in der Zukunft gebraucht“, meint IVFP-Chef Michael Hauer. Er verweist auf Umfragen, wonach Produktratings von der Mehrheit der Makler bei der Auswahl der Produkte für die private Vorsorge herangezogen werden.
Spricht man direkt mit Maklern oder liest deren Ansichten auf Social Media, so entsteht relativ oft der Eindruck, die bekannten Ratings würden zwar gelesen, seien aber nicht ausschlaggebend für die Produktempfehlung an den Kunden. Das bestätigt auch, spontan darauf angesprochen, Makler Matthias Helberg, der fast ausschließlich BU und Risikoleben berät. „Wir sehen uns gelegentlich mal Rankings und Ratings an, sie spielen in der Beratung bei uns allerdings so gut wie keine Rolle“, sagt er. Denn die Bedingungen würde er stets selbst bewerten und die konkrete Annahmeentscheidung wiederum sei individuell und könne nicht durch Ratings erfasst werden. Diese beiden Punkte seien für ihn jedoch entscheidend.
Bei Morgen & Morgen nimmt man eine vielschichtige Entwicklung wahr. „Aktuell beobachten wir, dass Versicherungsunternehmen zunehmend sehr genau prüfen, ob ein Siegel zu ihren aktuellen Vertriebsstrategien passt. Die Zeiten der automatischen Verlängerung sind vorbei, jedoch sehen wir keine generelle Abkehr von der Nutzung unserer Ratings“, erklärte Geschäftsführer Klaus Strumberger gegenüber procontra. Point-of-Sale-Betrachtungen würden außerdem zeigen, dass die Ratingergebnisse in den Berechnungen der Vermittler weiterhin häufig genutzt werden. Auch wenn die Versicherer gegebenenfalls nicht mehr so viel „Ratingbudget“ einplanen, würde die Bedeutung in der Beratung weiterhin bestehen, so Strumberger.