Was bedeutet die Cogitanda-Insolvenz für Markt und Vermittler?
Noch immer sorgt die Nachricht für Schockwellen in der Branche: Der auf Cyberversicherungen spezialisierte Assekuradeur Cogitanda sieht sich genötigt, Insolvenz anzumelden. Es bestehe „keine positive Fortführungsprognose“ mehr, ließ das Management rund um Vorstandschef Jens Lison verlauten. Offenbar konnte eine Kapitallücke von 14 Millionen Euro nicht mehr rechtzeitig geschlossen werden (wir berichteten).
Was bedeutet die Cogitanda-Insolvenz nun für den Cyber-Markt? Ist sie eher ein tragischer Einzelfall oder Symptom einer strukturellen Krise? Ole Sieverding, der Geschäftsführer des Berliner Insurtechs Cyber Direkt, tendiert hier ganz klar Richtung Einzelfall. Der Cyberversicherungsmarkt sei nach wie vor ein Wachstumsmarkt, die Nachfrage ungebrochen, betont er gegenüber procontra. „Wir selbst gehen von einem aktuellen Marktwachstum von ca. 30 Prozent und von Prämieneinnahmen von deutlich über einer halben Milliarde Euro aus."
Was der Experte aber beobachtet, ist eine fortschreitende Diversifizierung auf Anbieterseite, wobei nicht jeder Anbieter profitabel arbeite. Sieverding: „Einige haben ihre Leistungen verbessert und die Prämien reduziert, wohingegen andere die Leistungen kürzen und die Preise erhöhen mussten. Für uns ist das ein klares Zeichen für einen intakten Markt zwischen Angebot und Nachfrage.“
„Der Markt wird sich weiter konsolidieren"
Ganz ähnlich beurteilt auch Versicherungsmakler Tino Weissenrieder, Tüv-zertifizierter Fachberater für Cyber-Risiken und Geschäftsführer der W&K Wirtschaftsberatung in Potsdam und Lahr, die Situation. Die Cogitanda-Krise ist aus seiner Sicht vor allem auf interne Fehlentscheidungen zurückzuführen, ein strukturelles Phänomen sieht er darin nicht. Allerdings werde sich der Markt weiter konsolidieren, glaubt Weissenrieder. Das zeige zum Beispiel auch der Rückzug der Axa aus dem Cybergeschäft. Ein Problem sei, dass in der Vergangenheit viele Prämien angesichts der immer größer werdenden Schäden zu günstig kalkuliert worden seien. „Deswegen werden die Prämien auch steigen müssen“, ist sich der Cyber-Experte sicher.
Unabhängig von der allgemeinen Markt-Einschätzung – für betroffene Makler ist die Cogitanda-Insolvenz zweifellos mit vielen Unsicherheiten und Unannehmlichkeiten verbunden. Welche Umdeckungsmöglichkeiten gibt es? Wie werden Schadenfälle jetzt bearbeitet? Was passiert mit den noch ausstehenden Courtagezahlungen? Wird das Geschäft weitergeführt oder geht es auf einen Risikoträger über? Peter Pillath, Geschäftsbereichsleiter Cyber bei der Hendricks GmbH, Marktführer für Managerversichrungen und Cyber-Fachmakler, hofft, dass Fragen dieser Art nun schnell geklärt werden.
„Von der Insolvenz haben wir über die Presse erfahren"
Hendricks hat selbst einen großen Bestand bei Cogitanda, ist von den aktuellen Turbulenzen also direkt betroffen. „Von der drohenden Insolvenz haben wir nur über die Presse erfahren, direkt informiert hat uns niemand“, schildert Pillath seine Erfahrungen im Gespräch mit procontra. „Wir sind jetzt dabei, noch offene Verträge umzudecken und prüfen für bestehende Verträge Alternativen. Möglicherweise bestehen auch Sonderkündigungs- oder Widerrufsrechte. Wichtig ist, dass man in so einer Situation nicht unvorbereitet ist – und glücklicherweise sind wir vorbereitet.“
Bei Cogitanda selbst zeigt man sich derweil weiter recht kurz angebunden und verspricht auf Nachfrage, Geschäftspartner und Kunden schnellstmöglich über das weitere Vorgehen zu informieren. Die gesamte Bearbeitung von Verträgen und Schadenfällen sei bis auf Weiteres sichergestellt.
„Das ist alles andere als vertrauensstiftend"
Vema-Vorstand Johannes Neder geht davon aus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Risikoträger für anfallende Schäden aufkommen wird. Insgesamt hält er die Cogitanda-Insolvenz für sehr bedauerlich – nicht nur für die Beschäftigten des Assekuradeurs, sondern auch für die gesamte Branche. Neder: „Kunden stehen unserer Branche von Haus aus eher skeptisch gegenüber. Daher sind Zuverlässigkeit und ein vertrauensstiftendes Verhalten ganz wesentliche Bausteine für eine gute Kundenbindung. Der Kunde kennt die feinen Unterschiede nicht. Für ihn ist mit Cogitanda ein Versicherer pleitegegangen. Das ist alles andere als vertrauensstiftend.“
Überhaupt nicht gut zu sprechen auf Cogitanda ist Stefan Rumpp, Finanz- und
Versicherungsmakler (confin GmbH) und Chef der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler (IGVM). Zur Erinnerung: Rumpp hatte Cogitanda im Sommer in einem offenen Brief vorgeworfen, ohne vorherige Absprache den Aufwand für Makler erhöht und die Vergütung gesenkt zu haben (wir berichteten).
Versuche, anschließend mit dem Assekuradeur ins Gespräch zu kommen, seien leider gescheitert, teilte Rumpp jetzt auf Nachfrage mit. Ein angesetzter Termin sei kurzfristig abgesagt worden. Er habe den Anbieter deshalb für nicht mehr vermittelbar gehalten. „Wir haben unseren Mandanten empfohlen, den Versicherer zu wechseln und dieser Entscheidung sind auch alle gefolgt. Über die Entscheidungen unserer Mitglieder kann ich nichts sagen.“