Wie Unternehmen die Generation Z wirklich ansprechen – ohne Obstkorb
procontra:
Viele Unternehmen setzen bei der Gewinnung von Mitarbeitern aus der Generation Z auf Benefits. Wie erfolgreich ist dieser Ansatz?
Hartwin Maas:
Das ist aus Sicht der Unternehmen viel zu einfach gedacht. Ein Fehlschluss, der ihnen letztlich auch nichts bringt. Sie konzentrieren sich mit ihren Stellenausschreibungen nicht auf die Arbeit an sich, sondern viel zu sehr auf die Peripherie, sprich die Benefits neben dem Beruf.
Maas:
Aus Sicht der Generation Z wird es als lächerlich empfunden, dass Unternehmen einen Obstkorb überhaupt als Benefit benennen. Die Generation wächst sehr verwöhnt auf, sie wird praktisch überschüttet mit Annehmlichkeiten. Man kann sagen: Sie ist übersättigt. Und dann kommt da ein Unternehmen und will ihnen Obst als tolle Leistung verkaufen – das ruft eher Zweifel an dem Unternehmen auf.
Maas:
Das Problem betrifft nicht nur den Obstkorb. Benefits sind vergleichbar, mit ihnen kann sich das Unternehmen nicht von der Konkurrenz abheben. Das sollten aber die entscheidenden Fragen sein: Wo hebt sich das Unternehmen von den anderen ab? Was ist der Kern des Unternehmens und seiner Tätigkeit? Das sind Punkte, die sich weitaus schwerer vergleichen lassen können als Benefits.
procontra:
Wenn Unternehmen die Arbeitsatmosphäre hervorheben oder behaupten, man werde auf Augenhöhe behandelt, ist doch auch nichts gewonnen – das schreibt sich jedes Unternehmen in die Stellenanzeige.
Maas:
Das wäre auch wiederum zu einfach gedacht. Aber die Unternehmen könnten ja ausführen, was beispielsweise eine Behandlung auf Augenhöhe in ihrem Betrieb überhaupt bedeutet. Kann das Unternehmen den neuen Mitarbeitern einen Mentor zur Seite stellen – ein Punkt übrigens, den sich viele der Generation Z wünschen. Gibt es eine Leadership Pipeline – also eine vorgezeichnete Karriere für die Neuen? Bekommen diese zunehmend auch Verantwortung übertragen, so dass sie ans Unternehmen gebunden werden? Das sind Fragen, die das Unternehmen für sich erst einmal beantworten und dann richtig nach außen tragen muss. Mit einem kurzen Tiktok-Video ist das nicht getan.
procontra:
Kann es sich ein Unternehmen denn leisten, auf die Benefits zu verzichten, wenn alle anderen diese anbieten?
Maas:
Ich vergleiche das gerne mit einer Schultüte zum Schulbeginn: Die ist prall gefüllt am ersten Tag. Das ist sicherlich schön, hat aber für den Rest der Schulzeit überhaupt keine Bedeutung mehr. Noch einmal: Die Unternehmen sollten statt der Peripherie die eigentliche Tätigkeit in den Mittelpunkt stellen. Bei uns kannst du dich fortbilden. Bei uns nimmt man sich für dich Zeit. Du hast eine Einarbeitungsphase – das sind viel wichtigere Punkte als die ganzen Benefits.
procontra:
Laut einer Studie des Versichererverbands GDV nimmt die Generation Z ihre Altersvorsorge ernster als vorherige Generationen und gilt als finanzaffiner. Sie haben zusammen mit dem Beratungsunternehmen EY den „Finanzkompass Deutschland 2023“ erstellt. Decken sich Ihre Ergebnisse mit denen des GDV?
Maas:
Dass man für seine Altersvorsorge selbst sorgen muss, weil die gesetzliche Rente alleine nicht mehr ausreicht, ist kein neues Thema – das gibt es seit mehr als 20 Jahren. Die Generation Z nimmt dieses Narrativ auf, weil sie es schlicht überall hört. Das heißt aber erst einmal nur, dass sie früher zu sparen anfängt – eine besondere Finanzaffinität sehe ich darin noch nicht.
procontra:
Aber lohnt es nicht gerade dann, die betriebliche Altersvorsorge als möglichen Benefit hervorzuheben?
Maas:
Wir haben im Finanzkompass festgestellt, dass es ein größeres Misstrauen gegenüber traditionellen Vorsorgeformen, wie der betrieblichen Altersvorsorge, gibt. Sie wird als altmodisch und unflexibel betrachtet. Die jungen Leute suchen aber Investmentmöglichkeiten, die wenig kosten und eine hohe Flexibilität versprechen. Da schwingt auch eine gewisse Naivität mit – aber das ist ja auch ganz natürlich bei jungen Menschen.
procontra:
Großer Beliebtheit bei Betrieben erfreut sich derzeit die betriebliche Krankenversicherung. Können Unternehmen damit bei einer Generation punkten, die die Corona-Pandemie erlebt hat und stark auf Selbstoptimierung setzt?
Maas:
Die Corona-Pandemie hat ja in erster Linie die älteren Menschen getroffen – warum junge Menschen dadurch veranlasst sein sollten, mehr für ihre Gesundheit machen zu müssen, erschließt sich mir nicht. Selbstoptimierung ist indes tatsächlich ein wichtiges Thema. Die junge Generation inszeniert sich gerne in den sozialen Kanälen und greift hierfür teils auch auf chirurgische Eingriffe oder Botox zurück – das ist aber kein Thema für die betriebliche Krankenversicherung.
Maas:
Das stimmt. Aber die eigene Selbstdarstellung und -optimierung ist für die meisten jungen Leute ein privates Thema, das diese nicht mit dem Arbeitgeber verbinden möchten.
Maas:
Sie irritieren mehr als sie nützen – die jungen Leute fragen sich eher, wenn sie mit Sachen zugeschüttet werden, die sie eh schon alle haben, was mit dem Unternehmen nicht stimmt. Wir haben das für ein Projekt mit einem Unternehmen einmal umgedreht: Hier riefen wir zu Bewerbungen zum schwierigsten Praktikum in ganz Deutschland auf. Nur die Besten werden genommen. Keine Benefits – die Tätigkeit stand hier klar im Vordergrund. Das Unternehmen erzählte uns später, dass es noch nie so viele Bewerbungen auf eine Stelle erhalten habe.